Blogs
Sektenblog

Fromme trinken Reinigungsmittel – als sei es ein Zaubertrank Gottes

Sektenblog

Und sie trinken Reinigungsmittel – als sei es ein Zaubertrank Gottes

In Südafrika verabreichen Pastoren Putzmittel, um die Seele zu reinigen. Doch wer glaubt, solche religiösen Auswüchse ereignen sich nur weit weg, irrt.
20.01.2018, 07:5420.01.2018, 14:55
Hugo Stamm
Mehr «Blogs»

Dass der Glaube an Gott Menschen blind machen und fanatisieren kann, erlebt die Welt oft auf schmerzliche Weise. Denken wir nur an die brutalen Attentate der Islamisten. Ein falsches Religionsverständnis kann das Bewusstsein radikal vergiften.

Ähnliche Tendenzen können auch bei manchen Freikirchlern beobachtet werden, wenn auch die Folgen nicht so verheerend sind. Das indoktrinative Prinzip ist aber ähnlich.

Was für Böden und WCs nützlich sei, helfe auch der Seele.

So lassen sich Pastoren in Südafrika immer wieder dazu verleiten, gefährliche Rituale im Gottesdienst durchzuführen. Frei nach dem Motto: Je spektakulärer das Glaubensprozedere, desto mehr fahren die Gläubigen darauf ab.

Pastoren und Waschmittel – der Bericht des ARD-Weltspiegels

Dabei geht es den Predigern, die in einem harten Konkurrenzkampf stehen, auch um den PR-Effekt. Die Kunde von den aussergewöhnlichen Praktiken verbreitet sich rasch und lässt die Kirchenbänke füllen. Und das Kirchenkonto – verlangen doch die Pastoren treu nach der Bibel 10 Prozent des Einkommens der Gläubigen.

Der jüngste Coup: Manche Pastoren leiten die Gläubigen an, das Reinigungsmittel Demestos zu trinken. Was für Böden und WCs nützlich sei, helfe auch der Seele. Gesegnete Putzmittel würden ausserdem Dämonen aus dem Körper vertreiben, predigen die Gottesdiener.

Pastor Sipho Mphakathi preist das Putzmittel an, mit dem Dämonen vertrieben werden sollen.
Pastor Sipho Mphakathi preist das Putzmittel an, mit dem Dämonen vertrieben werden sollen.Screenshot: youtube.com/weltspiegel

Pastor Sipho Mphakathi aus Johannesburg hat es zuerst an sich selbst ausprobiert. Es gehe ihm nach wie vor gut, erklärte er, er habe nie erbrochen. Er sei schliesslich der General Gottes, sagte er dem deutschen Sender ARD (siehe Beitrag oben).

Massensuggestives Phänomen

Doch wie bringt man Gläubige dazu, giftige Substanzen zu trinken? Bei den emotionalen Gottesdiensten geraten manche in eine Ekstase und erlaben sich danach an dem Reinigungsmittel. In ihrem Ausnahmezustand empfinden sie das giftige, scheusslich schmeckende Demestos als Sirup, wie sie erklären. Danach wagen weitere Gläubige, den Seelentrunk zu schlucken. Sie glauben, im Reinigungsmittel stecke der Geist Gottes und reinige sie von den Flüchen, mit denen ihre Feinde sie angeblich belegt haben.

Konsumieren die Gläubigen Demestos in kleinen Mengen, müssen sie nur erbrechen. Wahrscheinlich leiden auch Schleimhäute und Speiseröhren. Wer seine Seele aber gründlich reinigen will, nimmt täglich einen grossen Schluck aus der Reinigungspulle. Dann wird es gefährlich, wie erste Todesfälle belegen. Viele Pastoren kopieren das Ritual, manche verwenden Benzin oder Rattengift.

Eigentlich müsste man die Pastoren wegen fahrlässiger Körperverletzung mit Todesfolgen belangen.

Eigentlich müsste man die Pastoren wegen fahrlässiger Körperverletzung mit Todesfolgen belangen. Da die Gläubigen die Reinigungsmittel «freiwillig» trinken, können die Prediger rechtlich nicht belangt werden. Das weiss Pastor Sipho Mphakathi sehr wohl, ist er doch Rechtsanwalt.

Das Beispiel zeigt die Krux, die bei der religiösen Indoktrination entsteht: Die eigentlichen Täter, nämlich die religiösen Führer, agieren wie in einem rechtsfreien Raum. Sie radikalisieren die Gläubigen, werden aber nicht zur Rechenschaft gezogen, wenn es zu Missbräuchen oder Verbrechen kommt.

Wer nun glaubt, solche religiösen Auswüchse ereigneten sich nur in afrikanischen oder südamerikanischen Ländern, irrt. Vor etlichen Jahren grassierten auch bei uns in charismatischen Freikirchen Rituale, die einen ähnlichen Aberglauben kultivierten. Es handelte sich um das sogenannte Toronto-Phänomen, weil es zuerst in einer Freikirche bei Toronto aufgetreten war.

Gläubige fielen beim Toronto-Phänomen wie Baumstämme um

Die Gläubigen fielen nach einem hoch emotionalen Gottesdienst wie gefällte Baumstämme um und blieben ohnmächtig liegen, nachdem ihnen der Pastor die Hand aufgelegt hatte. Manche blieben stundenlang liegen. Das Ritual ging um die Welt und wurde in fast allen charismatischen Freikirchen praktiziert. Auch Schweizer Pastoren verkündeten den Gläubigen, der heilige Geist sei in sie gefahren.

Sektenblog

Mit der Zeit wurde das Ritual unheimlich, denn manche Gläubige entwickelten psychische Auffälligkeiten. Danach suchten die Prediger ein anderes «Wunder», um die Präsenz des Heiligen Geistes zu demonstrieren. Sie behaupteten, der Heilige Geist habe als Beweis seiner Zuneigung die Amalgamplomben der Gläubigen in Goldplomben umgewandelt.

Als «Beweis» zündeten die Pastoren mit einer Taschenlampe, die gelbes Licht erzeugte, in den Mund der Gläubigen. Der schräge Lichteinfall und der spiegelnde Speichel liessen die Amalgamplomben golden erscheinen.

So leicht lassen sich Gläubige täuschen, wenn sie ihren Pastoren blind glauben. Und den Verstand an der Garderobe abgeben.

Hugo Stamm; Religionsblogger
Hugo Stamm
Glaube, Gott oder Gesundbeter – nichts ist ihm heilig: Religions-Blogger und Sekten-Kenner Hugo Stamm befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
Mit seinem Blog bedient Hugo Stamm seit Jahren eine treue Leserschaft mit seinen kritischen Gedanken zu Religion und Seelenfängerei.

Du kannst Hugo Stamm auf Facebook und auf Twitter folgen.

Sektenblog

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
57 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Stichelei
20.01.2018 09:04registriert Oktober 2015
Wenn sich nun also diverse Freikirchler im wahrsten Sinne des Wortes selbst wegputzen, ist das weniger Gottes Plan sondern schlichtweg natürliche Auslese nach Darwin.
00
Melden
Zum Kommentar
avatar
Lullaby
20.01.2018 08:43registriert Oktober 2016
Unglaublich und auch beängstigend, wie einfach die Menschen manipuliert werden können und jede Absudrität ohne zu hinterfragen mitmachen und für gut befinden.
00
Melden
Zum Kommentar
avatar
Ich hol jetzt das Schwein
20.01.2018 09:14registriert September 2015
Auch Esoteriker haben solche lustigen Ideen. Es gibt Bewegungen, die benutzen Chlorbleiche für Einläufe und zum Trinken. Sie nennen es dann MMS (Miracle Mineral Supplement). Und dann gibts noch die, die Terpentin und Petrol saufen...
10
Melden
Zum Kommentar
57
Zucker – der unsichtbare, süsse Feind
Alle wissen, wie ungesund ein Übermass an Zucker ist, aber kaum jemand kann widerstehen. Im Rahmen der CSS Gesundheitsstudie spricht sich nun eine grosse Mehrheit dafür aus, dass der Zuckerkonsum staatlich reguliert wird. Die Schweiz setzt heute auf Freiwilligkeit – und stösst an Grenzen.

Du trinkst deinen Kaffee immer ohne Zucker? Du verzichtest auf Schokolade? Du siehst generell davon ab, den Lebensmitteln Zucker beizugeben? Wer denkt, dadurch den eigenen Zuckerkonsum im Griff zu haben, irrt gewaltig. Denn ein Grossteil des Zuckers, den wir zu uns nehmen, ist für uns nicht sichtbar; er steckt in verarbeiteten Lebensmitteln. Zum Beispiel im Müesli, in der Salatsauce, im Fruchtjogurt, in Convenience Food. Zu den grössten Zuckerfallen gehören Softdrinks.

Zur Story