Dass der Glaube an Gott Menschen blind machen und fanatisieren kann, erlebt die Welt oft auf schmerzliche Weise. Denken wir nur an die brutalen Attentate der Islamisten. Ein falsches Religionsverständnis kann das Bewusstsein radikal vergiften.
Ähnliche Tendenzen können auch bei manchen Freikirchlern beobachtet werden, wenn auch die Folgen nicht so verheerend sind. Das indoktrinative Prinzip ist aber ähnlich.
So lassen sich Pastoren in Südafrika immer wieder dazu verleiten, gefährliche Rituale im Gottesdienst durchzuführen. Frei nach dem Motto: Je spektakulärer das Glaubensprozedere, desto mehr fahren die Gläubigen darauf ab.
Dabei geht es den Predigern, die in einem harten Konkurrenzkampf stehen, auch um den PR-Effekt. Die Kunde von den aussergewöhnlichen Praktiken verbreitet sich rasch und lässt die Kirchenbänke füllen. Und das Kirchenkonto – verlangen doch die Pastoren treu nach der Bibel 10 Prozent des Einkommens der Gläubigen.
Der jüngste Coup: Manche Pastoren leiten die Gläubigen an, das Reinigungsmittel Demestos zu trinken. Was für Böden und WCs nützlich sei, helfe auch der Seele. Gesegnete Putzmittel würden ausserdem Dämonen aus dem Körper vertreiben, predigen die Gottesdiener.
Pastor Sipho Mphakathi aus Johannesburg hat es zuerst an sich selbst ausprobiert. Es gehe ihm nach wie vor gut, erklärte er, er habe nie erbrochen. Er sei schliesslich der General Gottes, sagte er dem deutschen Sender ARD (siehe Beitrag oben).
Doch wie bringt man Gläubige dazu, giftige Substanzen zu trinken? Bei den emotionalen Gottesdiensten geraten manche in eine Ekstase und erlaben sich danach an dem Reinigungsmittel. In ihrem Ausnahmezustand empfinden sie das giftige, scheusslich schmeckende Demestos als Sirup, wie sie erklären. Danach wagen weitere Gläubige, den Seelentrunk zu schlucken. Sie glauben, im Reinigungsmittel stecke der Geist Gottes und reinige sie von den Flüchen, mit denen ihre Feinde sie angeblich belegt haben.
Konsumieren die Gläubigen Demestos in kleinen Mengen, müssen sie nur erbrechen. Wahrscheinlich leiden auch Schleimhäute und Speiseröhren. Wer seine Seele aber gründlich reinigen will, nimmt täglich einen grossen Schluck aus der Reinigungspulle. Dann wird es gefährlich, wie erste Todesfälle belegen. Viele Pastoren kopieren das Ritual, manche verwenden Benzin oder Rattengift.
Eigentlich müsste man die Pastoren wegen fahrlässiger Körperverletzung mit Todesfolgen belangen. Da die Gläubigen die Reinigungsmittel «freiwillig» trinken, können die Prediger rechtlich nicht belangt werden. Das weiss Pastor Sipho Mphakathi sehr wohl, ist er doch Rechtsanwalt.
Das Beispiel zeigt die Krux, die bei der religiösen Indoktrination entsteht: Die eigentlichen Täter, nämlich die religiösen Führer, agieren wie in einem rechtsfreien Raum. Sie radikalisieren die Gläubigen, werden aber nicht zur Rechenschaft gezogen, wenn es zu Missbräuchen oder Verbrechen kommt.
Wer nun glaubt, solche religiösen Auswüchse ereigneten sich nur in afrikanischen oder südamerikanischen Ländern, irrt. Vor etlichen Jahren grassierten auch bei uns in charismatischen Freikirchen Rituale, die einen ähnlichen Aberglauben kultivierten. Es handelte sich um das sogenannte Toronto-Phänomen, weil es zuerst in einer Freikirche bei Toronto aufgetreten war.
Die Gläubigen fielen nach einem hoch emotionalen Gottesdienst wie gefällte Baumstämme um und blieben ohnmächtig liegen, nachdem ihnen der Pastor die Hand aufgelegt hatte. Manche blieben stundenlang liegen. Das Ritual ging um die Welt und wurde in fast allen charismatischen Freikirchen praktiziert. Auch Schweizer Pastoren verkündeten den Gläubigen, der heilige Geist sei in sie gefahren.
Mit der Zeit wurde das Ritual unheimlich, denn manche Gläubige entwickelten psychische Auffälligkeiten. Danach suchten die Prediger ein anderes «Wunder», um die Präsenz des Heiligen Geistes zu demonstrieren. Sie behaupteten, der Heilige Geist habe als Beweis seiner Zuneigung die Amalgamplomben der Gläubigen in Goldplomben umgewandelt.
Als «Beweis» zündeten die Pastoren mit einer Taschenlampe, die gelbes Licht erzeugte, in den Mund der Gläubigen. Der schräge Lichteinfall und der spiegelnde Speichel liessen die Amalgamplomben golden erscheinen.
So leicht lassen sich Gläubige täuschen, wenn sie ihren Pastoren blind glauben. Und den Verstand an der Garderobe abgeben.