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Die USA, die Sektennation Nummer eins

This Nov. 1978 photo shows bodies of followers of cult leader Jim Jones are seen at the Jonestown commune in Guyana, where more than 900 members of the People's Temple committed suicide. Passage  ...
Nach dem Massensuizid der Jim-Jones-Sekte lagen die Leichen zu Hunderten auf dem Gelände.Bild: keystone
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Was Donald Trump mit der Haltung der US-Amerikaner zu Sekten zu tun hat  

25.09.2018, 06:09
Hugo Stamm
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Die USA präsentieren sich dem Rest der Welt gern als Musterdemokratie mit unbegrenzten Möglichkeiten. Doch kratzt man an der glitzernden Fassade, ist der Lack rasch ab. Durchleuchtet man das politische Konzept oder die religiöse Landschaft, kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus.

In diesem Blog geht es zwar primär um Glaubensfragen, doch ein kurzer Seitenblick auf das Politsystem verdeutlicht, wie die USA auch in Religionsfragen ticken. Erstens ist das Wahlsystem antiquiert und einer Demokratie nicht würdig. Zweitens sind die Bundesrichter auf Lebzeiten gewählt – ein Unding erster Güte.  Und drittens kommt ihnen eine immense politische Macht zu, wie die bevorstehende Wahl von Brett Kavanaugh zeigt.

Die Trennung von Exekutive und Judikative wird also nicht konsequent eingehalten. Das sind autoritäre Aspekte, die den Personenkult fördern.

Die Amerikaner wählten einen Guru, der sich als allmächtiger, unfehlbarer und uneinsichtiger Heilsbringer gebärdet und versteht.

Damit kommen wir zum religiösen Aspekt. Zwar legt die USA viel Wert auf die Religionsfreiheit und kennt eine strikte Trennung von Religion und Politik – was vorbildlich ist – doch im politischen Alltag spielt der Glaube trotzdem eine wichtige Rolle. Die Macht der Tausenden Freikirchen ist enorm, und die Pastoren und Prediger nutzen diese, wann immer sich eine Möglichkeit bietet.

Ihre Muskeln lassen sie vor allem bei den Präsidentschafts-Wahlen spielen. Ein Kandidat hat kaum eine Chance, wenn er kein religiöses Bekenntnis abgibt. Oder wenn er sich zumindest nicht bei den Frommen einschmeichelt oder anbiedert.

Grosse Sektendichte in den USA

So überrascht es nicht, dass die USA eine auffällige Sektendichte aufweisen. In keinem anderen Land agieren so viele sektenhafte oder problematische Gemeinschaften. Beispielhaft ist Scientology, das vom Sektenführer Ron Hubbard gegründet wurde.

Portrait des US-amerikanischen Schriftstellers und Sekten-Gruenders Ron Lafayette Hubbard, undatierte Aufnahme. Der einstige Science-Fiction-Autor Hubbard gruendete 1954 die als Scientology Church bek ...
Scientology-Gründer Ron Hubbard.Bild: EPA/DPA

Bezeichnend ist, dass viele Amerikaner Scientology als eine Kirche unter vielen betrachten. Dazu passt auch, dass scientologische Promis wie Tom Cruise, John Travolta und Co. kaum einen Imageverlust erleiden.

Aber auch viele esoterische und spirituelle Gruppen mit umstrittenen Heilsvorstellungen strahlen von Amerika aus in die westliche Welt – wie zum Beispiel die Ramtha‘s School of Enlightenment.

Auch in Sachen Sektendramen nehmen die USA eine Leaderposition ein. Die tragische und unrühmliche Rangliste führt der christliche Pastor Jim Jones an, der 1978 über 900 seiner Gläubigen in den Selbstmord trieb oder umbringen liess.

Jim Jones, der Führer des «Peoples Temple»

Unvergessen ist auch der kollektive Suizid von 39 Anhängern des Gurus Marshall Applewhite von der Ufo-Sekte Heaven’s Gate. Als der Komet Hale Bopp 1997 unweit der Erde auftauchte, brachten sich die Anhänger um, um ihre Seelen mit einem Raumschiff angeblich zum rettenden Kometen zu bringen.

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Anfang 1993 hielten die Anhänger des christlichen Pastors David Koresh die Welt in Atem, die sich in einer Siedlung unweit der texanischen Stadt Waco verschanzt hatten und sich mit einem Waffenarsenal verteidigten. Das FBI umstellte ihr Versteck mit Panzern – es begann ein Nervenkrieg, der 51 Tage lang dauerte. Am 19. April verbrannten oder erstickten 76 Anhänger in einem Massensuizid.

Mehr über das Sektendrama in Waco:

Film über das Sektendrama der DavidianerVideo: YouTube/Doku24HD

Sektenphänomene gehören in den USA zum Alltag und werden in der Gesellschaft kaum als Problem wahrgenommen. Das zeigte sich auch bei der Wahl von Donald Trump.

Die Amerikaner wählten einen Guru, der sich als allmächtiger, unfehlbarer und uneinsichtiger Heilsbringer gebärdet und versteht.

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Hugo Stamm; Religionsblogger
Hugo Stamm
Glaube, Gott oder Gesundbeter – nichts ist ihm heilig: Religions-Blogger und Sekten-Kenner Hugo Stamm befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
Mit seinem Blog bedient Hugo Stamm seit Jahren eine treue Leserschaft mit seinen kritischen Gedanken zu Religion und Seelenfängerei.

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103 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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redEye
22.09.2018 09:24registriert August 2018
Dazu kommt, dass die Amerikaner von Kindesbeinen auf mit einem pathetisch zelebrierten, quasi-religiösen Nationalmythos indoktriniert werden. Dass die USA „the greatest country in the world“ sei, ist ein zentraler Glaubenssatz, dessen Infragestellung einem Sakrileg gleichkommt. Konsequenterweise ist für viele auch der Präsident, unabhängig von seinen offenkundigen menschlichen Fehlern, ein Instrument Gottes und geniesst daher eine prophetenartige Stellung. Dass Christentum und Schusswaffen kaum logisch vereinbar sind, stört in dieser religionsgleichen Staatsideologie dann auch keinen mehr.
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Picker
22.09.2018 10:57registriert Januar 2016
Ich lese Herr Stamm's Artikel immer gerne.
Bei diesem hier fehlt mir aber ein wenig der Tiefgang, wie zum Beispiel der Zusammenhang zwischen Religionen und Sekten in Nordamerika und der Tatsache, dass vor allem die ersten Schübe von Siedlern alles sehr religiöse Menschen waren, welche ihren Glauben in der "alten Welt" nicht ausüben durften und deswegen sogar verfolgt wurden.

Hätte mich interessiert, wie Herr Stamm dies sieht, oder ob er hier Zusammenhänge erkennt.
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rodolofo
22.09.2018 08:20registriert Februar 2016
Sekten sind Mafia-Organisationen, die sich pseudo-religiös tarnen.
Eigentliches (offiziell nicht erklärtes) Ziel solcher Sekten ist es, mit diversen Geschäften viel Geld zu verdienen, welches dann an der Spitze der streng hierarchisch und straff organisierten Macht-Pyramide angereichert wird und die Zurschaustellung eines feudalen Protzes ermöglicht, was wiederum erfolgreich Neu-Mitglieder anlockt.
Sekten werden dann zum Problem, wenn sie mit kriminellen Geschäften den "gewöhnlichen" Mafia-Organisationen Konkurrenz machen und wenn sie allzu gross und politisch mehrheitsfähig werden...
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