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Neue Richtlinien zur Freitodbegleitung könnten ein Segen für Leidende werden

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Die Sterbehilfe in der Schweiz steht vor einem Quantensprung – ob Gott was dagegen hat?

Neue Standards sollen Ärzten bei der Entscheidung helfen, wie sie sterbewillige Patienten unterstützen können.
25.11.2017, 08:2223.12.2019, 08:38
Hugo Stamm
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Themenbild zur Sterbehilfe, Euthanasie. Haende einer Patientin und eine Rose im Spital Uznach, gestellte Aufnahme vom 6. Dezember 2001. (KEYSTONE/Martin Ruetschi) === MODEL RELEASED === : DIA, Mittelf ...
Freitodbegleitung soll erleichtert werden.Bild: KEYSTONE

Die Akademie der Medizinischen Wissenschaft (SAMW) will die Ethikrichtlinien für ärztliche Sterbehilfe lockern. Neue Standards sollen Ärzten bei der Entscheidung helfen, ob und wie sie sterbewillige Patienten unterstützen wollen oder sollen.

Die Richtlinien, die in die Vernehmlassung gehen, zeigen auf, in welchen Situationen die Freitodbegleitung vertretbar ist. Danach müssen Patienten urteilsfähig sein und ihr Suizidverlangen gut überdacht haben. Ausserdem dürfen sie keinem äusseren Druck ausgesetzt sein.

Eine Lockerung und liberale Haltung bringen die Richtlinien auch bei den Voraussetzungen zur Sterbehilfe. So sollen Ärzte nicht nur todkranke Patienten im letzten Stadium beim Sterben unterstützen dürfen, sondern auch Menschen mit schweren Krankheiten wie massive Depressionen oder einem chronischen neurologischen Leiden. Sogar der Altersfreitod von Patienten mit mehreren Gebrechen soll möglich werden.

Sollten diese neuen ethischen Richtlinien umgesetzt werden, wäre dies ein Quantensprung bei der Sterbehilfe.

Für Gegner der Freitodbegleitung, die sich aus christlich-moralischen Gründen dagegen wehren, sind diese Standards des Teufels. Nur Gott darf über Leben und Tod entscheiden, argumentieren sie. Sterbebegleitung ist für sie wie Abtreibung eine Todsünde. Menschen dürfen ihrer Meinung nach nicht in Gottes Handwerk pfuschen.

Die religiöse Argumentation ist scheinheilig. Sollte Gott für das Leben zuständig sein, so verantwortet er auch das unsägliche Leid, das viele Menschen erdulden müssen. Da müssen sich fromme Christen nicht wundern, dass leidende Menschen ohne Lebensqualität und Zukunftsperspektive nur noch einen Wunsch haben: So schnell wie möglich zu sterben, ohne Gott um Erlaubnis zu fragen.

**File** Ein Pfleger massiert am 25. Oktober 2007 in einem Seniorenzentrum in Stuttgart die Hand einer alten Frau. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am Freitag, 25. Juni 2010, ein Grundsatzurteil zur St ...
Würdiges Sterben durch Freitodbegleitung.Bild: keystone

Es gibt aber auch weltliche Gründe, den Sterbewunsch von leidenden Menschen zu erfüllen. Zum Beispiel die Selbstbestimmung. Diese ist das ganze Leben hindurch ein entscheidender Faktor, der geistige Autonomie und Würde garantiert. Und der wichtig ist für eine erfolgreiche Lebensgestaltung. Persönlichkeiten zeichnen sich dadurch aus, dass sie selbstbestimmt durchs Leben gehen.

Doch ausgerechnet diese Werte sollen in der letzten Lebensphase nicht mehr gelten? Die Gegner der Freitodbegleitung verweisen gern auf die Palliativmedizin, die leidenden Menschen erfolgreich die Schmerzen nehmen könne. Das stimmt nicht absolut. Es gibt aggressive Krebserkrankungen, bei denen selbst Morphinpräparate nur bedingt wirken.

Ausserdem verabreichen Palliativmediziner oft derart starke Dosen an Schmerzmitteln, dass die todkranken Patienten völlig sediert sind und apathisch vor sich hinvegetieren. Diese Medikamente beschleunigen das Ableben in vielen Fällen. Da ist der Unterschied zur Freitodbegleitung nicht mehr sehr gross. Palliativmedizin ist oft Sterbebegleitung in Raten.

Spielt es denn eine Rolle, ob ich bei guter Lebensqualität 85 Jahre werde oder noch ein paar Monate unwürdig ausharre?

Das Lebensende kann sehr entwürdigend sein. Wir zerfallen körperlich und geistig und verlieren die Kontrolle über das Leben und unseren Körper. Bei einer schweren Demenz werden manche Patienten aggressiv, das Hirn zerbröselt, sie erkennen ihre Kinder nicht mehr, scheissen in die Hosen und können nicht mehr selbständig essen.

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Dies möchte ich dem Pflegepersonal, meinen Angehörigen und mir unter allen Umständen ersparen. Was kann daran so falsch sein?

Spielt es denn eine Rolle, ob ich bei guter Lebensqualität 85 Jahre werde oder noch ein paar Monate unwürdig ausharre?

Freitodbegleitung kann dramatische Suizide verhindern

Ein weiterer Grund spricht für die Freitodbegleitung. Sie kann mithelfen, schreckliche Suizide zu verhindern. Man denke nur an den Anblick von Angehörigen, deren Kopf von einer Pistolenkugel zerfetzt ist, die sich vor den Zug geworfen haben oder die von einer Brücke gesprungen sind. Ganz abgesehen davon, dass die Betroffenen durch die Hölle gegangen sind.

Das Hauptargument der Gegner: Wenn die Hürden zur Freitodbegleitung kleiner werden, wächst der Druck auf alte und kranke Leute, aus dem Leben zu scheiden. Und irgendwann könnten auch pekuniäre Argumente eine Rolle spielen, sagen sie: Die Pflege alter, kranker Patienten sei nicht mehr finanzierbar oder fresse das Erbe der Nachkommen auf, weshalb sich alte Menschen verpflichtet fühlen könnten, freiwillig aus dem Leben zu scheiden.

Diese Argumente sind kaum stichhaltig. Die Gegner vergessen, dass es eine gehörige Portion geistige Kraft und Mut braucht, das wochenlange Prozedere der Vorbereitung durchzustehen und letztlich das tödliche Pentobarbital zu schlucken. Kraft und Mut, die kranke und geschwächt alte Menschen selten aufbringen.

Nur wenige haben am Ende des Lebens die Kraft, freiwillig aus dem Leben zu scheiden

Ich bin deshalb überzeugt, dass nur eine verschwindend kleine Prozentzahl der todkranken und lebensmüden Patienten noch über diese Courage und Energie verfügt.

Es ist schon erstaunlich, mit welcher Energie und Vehemenz die Gegner der Freitodbegleitung für ihr Anliegen kämpfen. Würden sie diesen Einsatz in armen Ländern mit Armut und einer schlechten Gesundheitsversorgung leisten, könnten sie das Leben von vielen Kindern und jungen Leuten retten, die die Zukunft noch vor sich haben.

PS: Ich bin Mitglied des Patronatskomitees der Sterbehilfeorganisation Exit. Ich habe aber schon vor der Übernahme dieses Amtes die Ansicht vertreten, dass die Sterbehilfe bei unerträglichem Leiden und unheilbaren Krankheiten, die die Lebensqualität nachhaltig beeinträchtigen, sinnvoll sein kann.

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Hugo Stamm; Religionsblogger
Hugo Stamm
Glaube, Gott oder Gesundbeter – nichts ist ihm heilig: Religions-Blogger und Sekten-Kenner Hugo Stamm befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
Mit seinem Blog bedient Hugo Stamm seit Jahren eine treue Leserschaft mit seinen kritischen Gedanken zu Religion und Seelenfängerei.

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137 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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dracului
25.11.2017 08:59registriert November 2014
Mich beschäftigt, dass es in unserer Gesellschaft Personen gibt, die aufgrund ihres Glaubens anderen vorschreiben wollen, wie sie leben, wen sie lieben und sogar wie sie sterben sollen. Ich bemühe mich ständig die Religionsfreiheit zu akzeptieren und spüre im Gegenzug keinerlei Toleranz gegenüber Andersgläubigen. Letztlich sollen auch Gläubige selber über ihr eigenes Leben entscheiden können. Aber stoppt endlich die Übergriffe auf fremdes Leben!
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bcZcity
25.11.2017 09:23registriert November 2016
Jeder Mensch bei klarem Verstand hat das Recht sein Leben zu beenden (zu lassen), wenn es sein sehnlichster Wunsch ist!

Warum macht man hier so ein TamTam, bei der Geburt fragt auch niemand, jeder darf und alle klatschen!
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Händlmair
25.11.2017 09:01registriert Oktober 2017
Warum ist die Sterbehilfe immer an ein Leiden oder eine Krankheit gekoppelt? Ich gehe noch einen Schritt weiter. Wenn ich keine Lust mehr zum Leben habe, warum soll ich dann noch „vom Staat gezwungen“ weiter leben müssen. Es ist mein Leben. Ich will, so lange ich es kann, selber über mich entscheiden können! Ich hab schon einige alte Menschen getroffen, die zu mir sagten, das Sie das Leben gesehen haben und froh wären, wenn Sie gehen könnten. Viele in den Heimen haben keine Familie oder Freunde mehr, dass macht auch ein Leben unlebbar.
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