Sie spricht über Quantenphysik, Neuropsychologie, Herztransplantation und über das höhere Bewusstsein und füllt grosse Säle von Bern über Zürich bis Wien: Die 16-jährige Christina von Dreien elektrisiert die Esoterikszene und räumt gross ab.
Sie schmückt sich dabei mit spirituellen Fähigkeiten und Attributen, die sich gewaschen haben und die spirituelle Sucher staunen lässt. Am kommenden Freitag tritt sie im blauen Saal des Zürcher Volkshauses auf, die 200 Plätze sind längst ausverkauft.
Doch schön der Reihe nach.
Die Karriere des zierlichen Mädchens mit dem markanten Gesicht und dem leicht unsicheren Blick wirkt gut geplant. Sie nennt sich Christina von Dreien. Auch ihre Mutter Bernadette, die eigentlich Meier heisst, schmückt sich mit diesem aristokratisch klingenden Künstlernamen. Entlehnt haben sie ihn vom Weiler Dreien bei Mosnang, in dem sie wohnen.
Die Mutter hat die Karriere ihrer Tochter mit dem Buch «Christina – Zwillinge als Licht geboren», Band I. lanciert. (Der Untertitel enthält keinen Schreibfehler, er heisst tatsächlich so.) Christinas Zwillingsschwester Elena ist als Baby gestorben und begleitet nun ihre Schwester als Lichtwesen auf ihrer übersinnlichen Mission, den Menschen die Liebe und das göttliche Licht zu bringen.
Doch Christina kann nicht nur mit ihrer verstorbenen Schwester kommunizieren, sie erhält auch Botschaften von gewöhnlichen Toten. Das wäre dann die Gabe, Jenseitskontakte herzustellen.
Dazu kommen noch andere Begabungen wie Telepathie und Hellsichtigkeit. Christina charakterisiert ihre übersinnlichen Fähigkeiten so: Sie sei mit «einer multidimensionalen Wahrnehmung und mit anderen paranormalen Begabungen gesegnet». Weiter gehöre sie zu einer «neuen Generation junger, geistig hochbegabter, evolutionärer Denker, die unser Dasein als eine Komplexität von Quantenphysik, Neuropsychologie und Spiritualität wahrnehmen, beschreiben und leben».
Allein mit ihrer Präsenz und ihren Worten sende sie im wahrsten Sinne des Wortes Licht aus. Sie lebe auf ganz natürliche Weise vor, was Authentizität, Lebensfreude, Eigenverantwortung, Demut, Liebe, Weisheit und Frieden bedeute, schreibt ihre Mutter. Ausserdem sei sie seit jeher wie selbstverständlich vertraut mit höheren kosmischen Gesetzmässigkeiten und könne Einblick in andere Sphären und Daseinsebenen gewähren.
Selbst die schwierigsten wissenschaftlichen und weltpolitischen Themen sehe sie aus einem multidimensionalen Blickwinkel heraus und überrasche immer wieder mit originellen Analysen und Gleichnissen.
Christina hat die spirituellen Konzepte und das esoterische Vokabular mit der Muttermilch eingesaugt. Ihre Mutter ist Naturheilpraktikerin und bietet in ihrer Praxis eine breite Palette an alternativen Untersuchungs- und Therapiemethoden von der Irisdiagnostik, Zungendiagnostik bis zum Schröpfen und der Homöopathie an.
Nach esoterischer Lesart gehört Christina zur Generation der spirituellen Kindergenies. Diese sollen bereits von der übersinnlichen Transformation profitiert haben, die die göttlichen Geistwesen oder Avatare eingeleitet haben. Manche Weltenlehrer und angeblich medial begabte Meister behaupten sogar, diese Wesen hätten ein Metallgitter um die Erde gebaut, um die Energiefrequenzen zu steigern und das höhere Bewusstsein der Menschheit zu fördern. Esoteriker nennen diese angeblich hochentwickelten Kinder Indigo- oder Kristallkinder.
Deshalb fühlt sich Christina aufgerufen und berufen, ihre spirituelle Begabung weiterzugeben. Wörtlich sagt sie, sie sei «gewillt und bereit, ihr Dasein in den Dienst eines globalen Wandels hin zum Positiven und Konstruktiven zu stellen».
Ihr Schlüsselbegriff ist die Liebe: «Wenn wir alle in uns die Energie der Liebe entfesseln, dann hat die Menschheit ein zweites Mal in ihrer Geschichte das Feuer entdeckt.»
Das esoterische Weltbild von Christina macht auch vor grobstofflichen Phänomenen nicht halt. So warnt sie vor der Organtransplantation.
Im Originalton klingt das so: «Wird einem Menschen nun beispielsweise das Herz entnommen, dann hinterlässt diese Entnahme nicht nur im physischen Körper eine Lücke, sondern parallel dazu auch im ätherischen Körper. Es wird dort die Information abgespeichert: ‹kein Herz vorhanden›. Nach dem Tod des Menschen bleibt diese Information im Ätherkörper gespeichert, und so reist die Seele mit der Information ‹kein Herz vorhanden› in ihre nächste Inkarnation.»
Die Konsequenz ist laut Christina verheerend: Der Körper entwickelt kein Herz. «Dies ist einer der möglichen Gründe dafür, warum Kinder manchmal ohne ein bestimmtes Organ zur Welt kommen», lehrt uns der Teenager.
Nun, ohne Herz kommt kein Kind zur Welt, auch nicht in der «anderen Realität» der Esoterik.
Sterben ist für die 16-jährige Christina kein besonderes Problem, denn man kommt ja bald wieder auf die Erde zurück – schöner und reifer denn je und ausgestattet mit einem höheren Bewusstsein! Dazu schreibt sie: «Im Universum ist nichts kompliziert. Es sind die Menschen, die es kompliziert machen. Die Erde ist die Schule, das Universum die Hochschule.»
Christina trifft keine Schuld. Diese trägt die Mutter, die ihre Tochter in die Rolle der Heilsbringerin drängt und ihr die Jugend stiehlt.