Ivo Sasek ist einer der radikalsten Sektenführer der Schweiz. Er gründete die christlich-fundamentalistische Gemeinschaft Organische Christus Generation (OCG), sieht sich als Prophet und insgeheim als Nachfolger von Jesus.
Gefährlich ist er vor allem auch, weil er sich zu einer zentralen Figur der Verschwörungstheoretiker im deutschsprachigen Raum emporgeschwungen hat und mit seinem rechtsradikalen Internetsender Klagemauer-TV (kla-tv) Hunderttausende Klicks erzielt.
Nach aussen spielt er in unzähligen Videos mit seinen elf Kindern der Öffentlichkeit eine heile Welt vor, nach innen beschwört er den Krieg gegen das vom Satan beherrschte Establishment. Also gegen die angeblich korrupten Politiker, die Finanzelite, die manipulierten Behörden und die Lügenmedien.
Seit dem vergangenen Mittwoch bröckelt aber die Sektenfassade tüchtig. Die zweiteilige Dokumentation von Eveline Falk vom Schweizer Fernsehen bringt das Lügengebäude von Sasek zum Einsturz. Sie dokumentiert in ihrem eindrücklichen Film den Zerfall der «heiligen Familie», denn inzwischen sind drei der elf Kinder aus dem Sektengefängnis geflüchtet.
Ein Supergau für ihre Eltern, die die Schmach mit dem Argument schönreden, ihre abtrünnigen Kinder seien dem Satan anheimgefallen.
Nur: Satanisch wirkt der porträtierte Sohn Simon Sasek beileibe nicht. Der designierte Nachfolger seines Vaters schildert seine dramatische Geschichte und den jahrelang geplanten Ausstieg sehr besonnen.
Nach seinem Ausstieg schrieb ihm sein Vater Ivo: «Die OCG darf mit keinem Haar mehr in Berührung mit Simon stehen, weil mit jeder Berührung der Sauerteig des Todes, der Lüge und der Vernichtung sein Unwesen zu treiben beginnt.»
Unter die Haut gehen auch Simons Schilderungen über die regelmässigen körperlichen Züchtigungen mit dem Bambusstock, die er schon als Kleinkind abbekommen hat. Diese martialische Erziehungsmethode beschrieb sein Vater in einem Buch und verwies dabei auf die Bibel, in der es heisst, wer seine Kinder liebe, züchtige sie mit der Rute.
Doch Ivo Sasek streitet ab, diese Strafe anzuwenden. Vielmehr betet er das Mantra von seiner bedingungslosen Vaterliebe herunter.
Ebenso eindrücklich sind die Schilderungen von Hanna, deren Eltern sich Sasek und der OCG verschrieben hatten. Da sie als Kind rebellisch war, ging sie durch die Hölle. Wegen Kleinigkeiten bekam sie die Rute auf der nackten Haut zu spüren.
Mit 16 Jahren floh Hanna und schlief teilweise in öffentlichen Toiletten. Wie alle Abtrünnigen wurde sie ausgestossen. Die Eltern mussten den Kontakt zu Hanna radikal abbrechen, die der Satan angeblich in seine Gewalt bekommen hatte.
Ivo Sasek wird vermutlich nach bekanntem Muster behaupten, das seien Lügengeschichten, die die bösen Medien verbreiten würden, um ihm zu schaden. Dabei wolle er ja nur das Heil in die Welt bringen.
Doch diesmal kommt er mit seinen Beschwichtigungen und Gegenangriffen nicht weit. Denn die Mutter von Hanna bestätigt unter Tränen den Sachverhalt ihrer Tochter. Sie verliess später selbst die Sasek-Sekte und bereut heute bitter, was sie ihren Kindern angetan hat.
Ihre vier Töchter sind inzwischen ebenfalls ausgestiegen, die beiden Söhne und ihr Ex-Mann gehören aber nach wie vor zu den treuen OCG-Anhängern. Die Mutter würde die Zeit am liebsten zurückdrehen und die dramatische Geschichte ungeschehen machen. Denn wie bei Simon Sasek führte ihr Ausstieg zum radikalen Kontaktabbruch mit ihren beiden Söhnen.
Ivo Sasek dürfte schlaflose Nächte haben. Der eindrückliche Film von Eveline Falk beschädigt das Image der OCG und des Sektengründers nachhaltig. Denn die Dokumentarfilmerin untermalt die Porträts der Aussteiger mit kitschigen Videobeiträgen aus dem Inneren der Sekte. Speziell von Ivo Sasek, der mit schwülstigen Formulierungen seine heilige Familie in den Himmel lobt.
Der Kontrast ist augenfällig und dokumentiert die scheinheilige Sektenfassade, hinter der sich ein totalitäres Verhalten der Sektenführer Ivo und Anni Sasek versteckt. Das klingt dann aus dem Mund des Sektengründers so: «Die Tragik wächst ungemein, der Krieg tobt, aber wo ist die Armee? OCG-Verbindlichkeit bedeutet darum teilhaben an einem Kriegsdienst. (…) Wir wurden zu einem Kriegsdienst ausgehoben. Wenn er nicht fachgerecht geführt wird, ist diese Menschheit tot. Sie wird geschändet, aufs Jämmerlichste ausgerottet, gequält, vernichtet.»
Der zweite Teil der Dokumentation wird am kommenden Mittwoch auf SRF 1 ausgestrahlt.