Die Fakten sind klar: Manche homöopathische Mittel sind so stark verdünnt, dass sie keine Wirksubstanz mehr enthalten. Das bestreiten auch Vertreter der umstrittenen Methode nicht.
Sie behaupten unter anderem, die Informationen oder Energien der Ursubstanz gingen auf die Trägerflüssigkeit über. Ausserdem potenziere sich die Wirkung durch die Verdünnung.
Das sind abenteuerliche Interpretationen, die jeder wissenschaftlichen Erkenntnis und allen Naturgesetzen widersprechen. Das ist etwa so, als würde ich behaupten, mein Rausch falle umso stärker aus, je mehr ich den Whisky verdünne. Die Absurdität dieser Argumentation lässt sich im Selbsttest leicht prüfen.
Trotzdem schwört ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung – mit Sicherheit weit mehr als eine Million Schweizerinnen und Schweizer – auf Globuli. Die meisten haben vermutlich keine Ahnung, dass homöopathische Mittel keine Wirksubstanz enthalten oder unter anderem aus Walkot, gestampften Ameisen, hochgiftigen schwarzen Tollkirschen oder aus dem Gift Atropin hergestellt werden.
Bei homöopathischen Mitteln mit geringer Verdünnung sind diese Gifte aber noch in den Globuli mit dem schönen Namen Belladonna enthalten. Sie können bei Kleinkindern bedrohliche körperliche Schäden hervorrufen, wie amerikanische Studien zeigen.
Das hindert aber Ärzte und Apotheker nicht, den Patienten diese wirkungslosen oder gar giftigen «Medikamente» zu verschreiben oder zu verkaufen. Das ist eigentlich ein Skandal. Schliesslich verpflichten sich Ärzte, stets das Wohl der Patienten ins Zentrum ihrer Arbeit zu stellen.
In der Genfer Deklaration des Weltärztebundes heisst es beispielsweise: «Ich werde meinen Beruf nach bestem Wissen und Gewissen, mit Würde und im Einklang mit guter medizinischer Praxis ausüben. (…) Die Gesundheit und das Wohlergehen meiner Patientin oder meines Patienten werden mein oberstes Anliegen sein.»
Kurz: Die Verbesserung der Gesundheit und die Wahrung des Lebensschutzes sind ethische Standards von Ärzten. Aber auch von Apothekern, die Patienten Medikamente empfehlen und verkaufen. Wer aber homöopathische «Medikamente» verschreibt oder empfiehlt, verstösst gegen diese Standards.
Homöopathen wenden in der Regel ein, empirische Studien und ihre persönlichen Erfahrungen würden belegen, dass Globuli sehr wohl den Genesungsprozess ihrer Patienten positiv beeinflussen würden. Das mag bei leichten Krankheiten zutreffen, doch diese heilen meist auch ohne Behandlung. Schliesslich ist unser Körper mit seinem Abwehrsystem immer noch der beste Arzt.
Und dann ist da noch der Placeboeffekt, der sich günstig auf den Krankheitsverlauf auswirkt. Deshalb wäre es ehrlicher, billige Placebo-Medikamente zu verschreiben statt teure Globuli. Es gibt mehrere klinische Studien, die klar belegen, dass homöopathische Mittel wirkungslos sind. Ich frage mich deshalb, wie Ärzte und Apotheker es mit ihrem Gewissen und beruflichen Ethos vereinbaren können, Globuli zu verschreiben und zu verkaufen.
Doch langsam regt sich in diesen Berufsständen ein leichter Widerstand. Der emeritierte Professor Edzard Ernst, einst ein glühender Verfechter der Alternativmedizin und der Homöopathie, hat nach jahrelangen Forschungen und der Auswertung unzähliger Studien das Lager gewechselt.
Heute warnt er vor diesen Disziplinen. Sie würden die Patienten nicht nur in die Irre führen, sondern ihnen oft auch schaden, schreibt er heute in seinen Büchern.
Einen ähnlichen Erkenntnisprozess hat auch die Ärztin und ehemalige Homöopathin Nathalie Grams durchlaufen. Nachdem sie den Irrtum erkannt und sich kritisch mit der Methode auseinandergesetzt hatte, schrieb sie das Buch «Homöopathie neu gedacht».
In einem Interview sagte sie dazu: «Ich habe alles zu wenig hinterfragt – bei der Homöopathie lebt es sich wie in einer Seifenblase.» Und: «Ich konnte doch meine Patienten nicht betrügen.»
Einen ähnlichen Schritt vollzog kürzlich die Apothekerin Iris Hundertmark von der Bahnhof-Apotheke im bayerischen Weilheim. Sie hat alle homöopathischen Mittel aus den Regalen geräumt, weil sie nicht mehr an ihre Wirksamkeit glaubt.
Im Interview mit watson sagte sie diese Woche, sie habe diesen Schritt aus Gewissensgründen getan. Wörtlich: «Ich möchte absolut ehrlich zu meinen Kunden sein.»
Als Pharmazeutin habe sie die Aufgabe, die Bevölkerung nach dem Stand der Wissenschaft zu informieren. «Über homöopathische Mittel kann ich meine Kunden aber nicht umfassend beraten, weil ich keine Beweise habe, dass sie überhaupt wirken.» Deshalb nimmt sie auch Umsatzeinbussen in Kauf.
Diese Ehrlichkeit ist offensichtlich bei vielen Schweizer Ärzten und bei allen Schweizer Apothekern noch nicht angekommen.