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Kein Sex für Geistliche – ein unsinniges Dogma

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Papst Franziskus belangt nun auch übergriffige Bischöfe und Kardinäle.
06.08.2018, 15:49
Hugo Stamm
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Der Zölibat ist eine der dümmsten Erfindungen, die religiöse Führer ersonnen haben. Einerseits fällt es sehr schwer, irgend einen Nutzen der Ehelosigkeit für irgend jemanden zu erkennen, andererseits hat dieses sinnlose Dogma unendlich viel Leid in die Welt gebracht.

Zwar versuchen Verfechter des Zölibats halbwegs plausible Argumente anzuführen – Pfarrer ohne Familie hätten beispielsweise mehr Zeit für die Nachfolge Jesu und für die Seelsorge –, doch überzeugend wirken sie angesichts der sexuellen Übergriffe nicht.

Der Zölibat war Jahrhunderte lang unbestritten und wurde nicht hinterfragt. Die Kirchen hatten die Macht und die Deutungshoheit. Sie konnten die sexuellen Missbräuche vertuschen und unter dem Deckel halten. Dank der Säkularisierung können die Kirchen die Kritik nicht mehr als Ketzerei anprangern und unterbinden. Seither wächst der Widerstand. (Zur Erinnerung: Im Mittelalter endeten Skeptiker und Kritiker oft auf dem Scheiterhaufen.)

Die meisten Sex-Skandale brachen in den letzten Jahren in der katholischen Kirche auf. Papst Franziksus versucht nun – gegen vielfältige Widerstände einflussreicher Bischöfe und Kardinäle – eine Nulltoleranz-Politik umzusetzen. Die Anzeichen mehren sich, dass er allmählich Erfolg damit hat.

Unterstützt wird er von Kardinal Sean O’Malley, Vorsitzender der päpstlichen Kinderschutzkommission. Dieser fordert nun, dass nicht nur Pfarrer zur Rechenschaft gezogen werden, sondern auch fehlbare Kardinäle und Bischöfe.

Boston Roman Catholic Archdiocese Cardinal Sean O'Malley speaks to the media, Wednesday, Dec. 20, 2017, in Braintree, Mass., on the death of Cardinal Bernard Law. The disgraced former Boston arch ...
Sean O'Malley, Kinderschutzbeauftragter.Bild: AP/AP

Diese Woche hat der Papst den Würdenträger Philip Wilson, Erzbischof von Adelaidede, in die Wüste geschickt. Wilson wurde verurteilt, weil er Missbräuche vertuscht hatte. In Chile sind Ende Mai ausserdem mehrere Bischöfe zurückgetreten, weil sie den Priester und Kinderschänder Fernando Karadima gedeckt hatten.

Jüngstes «Opfer» der verschärften Politik ist Kardinal Theodore McCarrick. Auch sein hohes Alter – er ist 88 Jahre alt – schützte ihn nicht vor Saktionen. Franziskus bugsierte ihn auf dem erlauchten Kreis der Kardinäle.

epa06915550 (FILE) - US Cardinal Theodore McCarrick of the Archdiocese of Washington speaks during a news conference at the Vatican press center, Vatican City, 24 April 2002 (reissued 28 July 2018). A ...
Theodore McCarrick, 88, wurde aus dem Kreis der Kardinäle ausgeschlossen.Bild: EPA/ANSA

Erwischt hat es auch den Finanzchef des Vatikans, Kardinal George Pell. Gegen ihn läuft ein Strafverfahren, er wartet auf seinen Prozess. Ihm werden sexuelle Übergriffe auf Knaben vorgeworfen. Ausserdem soll er ebenfalls übergriffige Priester gedeckt haben.

Das Dogma des Zölibats geht auf Jesus zurück. Laut Matthäus 19,12 sprach er von der Ehelosigkeit «um des Himmelsreiches willen». Um Himmelswillen, ist man da geneigt auszurufen. Geknüpft ist das Himmelreich auch an die ungeteilte oder bedingungslose Nachfolge.

Daraus wurde der Codex für Priester abgeleitet: «Die Kleriker sind gehalten, vollkommene und immerwährende Enthaltsamkeit um des Himmelreiches willen zu wahren.»

Was Jesus und die katholische Kirche von Priestern verlangt, ist wider die Natur. Das Fleisch ist bekanntlich stärker als der Geist, wie sogar die Bibel weiss. Obwohl heute jedem Kleriker klar sein müsste, dass Enthaltsamkeit zu Neurosen und Zwangsverhalten führt, wird am Dogma festgehalten.

Dabei wissen wir ja nicht einmal, ob Jesus selbst zölibatär gelebt hat. Die Bibel verrät uns nicht, ob er allein war oder enthaltsam gelebt hat. Seine innige Beziehung zu Maria Magdalena lässt zumindest die Vermutung zu, dass er nicht nur eine platonische Liebe zu ihr unterhielt.

Überhaupt ist es äusserst fragwürdig, wenn nicht befremdend, dass das Zölibat mit dem Glauben verknüpft wird. Deshalb kommt der Verdacht auf, dass da eine Portion Eifersucht im Spiel ist: Es ist für Kirchenführer eine Kränkung, dass die Sexualität stärker als der Glaube ist.

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152 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Mutzli
04.08.2018 08:46registriert Dezember 2016
Werde ehrlich gesagt nie ganz den verbreiten Reflex verstehen, die PR von Papst Franziskus für bare Münze zu nehmen. Das soll nicht seine guten Impulse untergraben, aber bei früheren Päpsten war man da IMO einiges kritischer.

Z.B. die Behauptung, dass dieser eine Nulltoleranzpolitik vertritt. So hat er in diesem Jahr Opfer des schlimmsten Triebtäters in Chile mal pauschal als Verleumder verurteilt, weil Sie es wagten einen Bischof zu kritisieren, der Franziskus mochte.
Ist dann zwar zurückgekrebst, aber sensibel und einsichtig ist was anderes.
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Oxymora
04.08.2018 12:02registriert August 2016
“Dabei wissen wir ja nicht einmal, ob Jesus selbst zölibatär gelebt hat.“

Bei anderen Romanfiguren wissen wir das.

Von Mickey Maus können wir mit Gewissheit sagen, dass er eine Freundin hat.

Mickey und Minnie hatten aber noch nie Sex, sie sind ja noch nicht verheiratet.

Mickey könnte also noch immer Priester werden.

Doch wahrscheinlich bleibt er lieber bei Minnie und kümmert sich um seine Neffen Mack und Muck.
Kein Sex für Geistliche – ein unsinniges Dogma
“Dabei wissen wir ja nicht einmal, ob Jesus selbst zölibatär gelebt hat.“

Bei anderen Romanfiguren wissen wir das.

Von Mickey Maus können ...
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Linus Luchs
04.08.2018 10:27registriert Juli 2014
Nebst der Förderung psychischer Störungen bei den Geistlichen bedeutet das Zölibat ja auch eine Herabsetzung der Frau. Es impliziert, wer dem Himmelreich nahe sein will, lässt sich nicht auf eine Frau ein. Dazu passt der Ausschluss von Frauen aus pastoralen Funktionen. Das Zölibat und die Diskriminierung der Frau gehören zusammen.
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