Bei der jüngsten Grossoffensive der Türkei gegen die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) sind innerhalb weniger Tage mehr als 100 Menschen getötet worden. Wie es am Sonntag aus Kreisen der Sicherheitskräfte hiess, starben seit Mittwoch 102 PKK-Kämpfer.
Ausserdem wurden demnach mindestens zwei Soldaten und fünf Zivilisten getötet. An dem Einsatz sind rund 10'000 Mitglieder des Militärs sowie Spezialkräfte der Polizei beteiligt.
Der Militäreinsatz, bei dem auch Panzer eingesetzt werden, konzentriert sich auf die Städte Cizre und Silopi in der Provinz Şırnak im Grenzgebiet zu Syrien und dem Irak. Er zielt darauf ab, militante Kurden aus den Städten zu vertreiben. In der Kurdenregion gelten derzeit Ausgangssperren, in manchen Gegenden herrschen kriegsähnliche Zustände.
Armeechef Hulusi Akar stattete den Truppen in der Region am Samstag einen Besuch ab. Der Einsatz vor Ort werde «mit Entschlossenheit fortgesetzt, bis die öffentliche Ordnung wieder hergestellt ist», erklärte das Militär. Wie es weiter hiess, starteten zudem am Freitag von der Basis Diyarbakır aus Kampfjets, um PKK-Lager im Norden des Iraks anzugreifen. Auch in Diyarbakır selbst wurde gekämpft.
Die Verlagerung der Auseinandersetzungen von ländlichen in städtische Gebiete trieb rund 200'000 Menschen in die Flucht. Vielerorts in der südöstlichen Region erinnern Ortschaften wegen zerstörter Schulen und Spitälern an die Lage im benachbarten Bürgerkriegsland Syrien.
Der Konflikt der Regierung in Ankara mit der PKK war eskaliert, nachdem die türkische Luftwaffe Ende Juli erstmals die Terrormiliz «Islamischer Staat» («IS») in Syrien angegriffen, gleichzeitig aber auch Lager der PKK im Irak ins Visier genommen hatte. Die PKK reagierte mit Angriffen auf die türkischen Sicherheitskräfte. Der vor drei Jahren eingeleitete Friedensprozess kam damit zum Erliegen.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan zeigte sich immer wieder entschlossen, die PKK zu «vernichten». Regierungschef Ahmet Davutoğlu äusserte sich am Wochenende ähnlich und warnte vor einem Bürgerkrieg in der Region. Der Militäreinsatz werde so lange dauern, bis die betroffenen Städte «gesäubert» seien, erklärte Davutoğlu.
Der Einsatz wird von Teilen der türkischen Opposition und der Zivilgesellschaft kritisiert. Die Menschenrechtsorganisation IHD kritisierte die Offensive sowie die «systematische Anwendung von Ausgangssperren» als eine «inakzeptable Kollektivstrafe».
Kurdische Aufständische hatten im Jahr 1984 im Südosten der Türkei einen Kampf um grössere Autonomierechte begonnen. In dem Konflikt wurden in den vergangenen 30 Jahren etwa 45'000 Menschen getötet. (wst/sda/afp)