International
Kommentar

Kevin bleibt jetzt allein zuhaus. So schadet Spaceys Coming-out den Schwulen

Kommentar

Kevin bleibt jetzt allein zuhaus. So schadet Spaceys Coming-out den Schwulen

31.10.2017, 19:2514.11.2017, 13:28
Mehr «International»

Die mächtigen Männer, die gerade fallen, sind kaum mehr zu zählen, und es ist gut so. Hört mir bloss auf mit: «Es ist ja schon okay, dass etwas passiert, aber muss es so heftig sein? Müssen wir jetzt alle Angst haben?» Ja. Und ja. Beziehungsweise nein. Die allermeisten Männer auf diesem Planeten sind fein. Einige wenige nicht. Kevin Spacey gehört jetzt zu diesen wenigen.

Dabei standen seine Chancen, einigermassen anständig davon zu kommen, gut. Einen halben Tweet lang wenigstens. Doch dann wurde alles anders. Dann riss er sich selbst in einen Abgrund, wie ihn sich diesen ein gewisser Frank Underwood nicht tiefer und dreckiger hätte ausmalen können. Frank Underwood ist Fiktion. Der amerikanische Serien-Präsident aus Spaceys Netflix-Triumph «House of Cards». 

TV STILL -- DO NOT PURGE -- House of Cards - Season 3 Key Art, Netflix
Blumen des Bösen: Claire (Robin Wright) und Francis Underwood (Kevin Spacey).Bild: Netflix

Teil eins von Spaceys Tweet in der Nacht auf Montag enthielt eine Entschuldigung. Sie klang aufrichtig, warmherzig, von sich selbst enttäuscht. Spacey entschuldigte sich bei dem Schauspieler Anthony Rapp, auf den er sich in einer betrunkenen Nacht vor 31 Jahren gestürzt habe. Rapp war 14, Spacey 26. Soweit so saublöd, aber die Entschuldigung war einigermassen sauber.

Spaceys Tweet

Bild

Doch dann kommt der Schmutz. Spacey macht, was Underwood machen würde: ein Ablenkungsmanöver. Schreibt, dass er – welch ein Zufall – quasi gerade jetzt beschlossen habe, endlich sein Coming-out als Schwuler zu verkünden. Was wiederum eins der offensten Geheimnisse von Hollywood ist. Ein weiteres offenes Geheimnis also wie die Tatsache, dass Weinstein seine Produktionsfirma als Gratisbordell benutzte. 

Spaceys Coming-out hätte in einem andern Kontext und vor ein paar Jahren viel Gutes in der Gay Community bewirken und ein Leuchtfeuer für die Akzeptanz homosexueller Schauspielerinnen und Schauspieler in Hollywood entfachen können. Er zog es vor, das Private privat zu halten und ein paar verklemmte Witze über seine sexuelle Identität zu machen. Was sein Recht war.  

FILE - In this Sept. 19, 2017 file photo, Anthony Rapp, cast member in "Star Trek: Discovery," poses at the premiere of the new television series in Los Angeles. Spacey says he is “beyond ho ...
Anthony Rapp ist gerade in «Star Trek: Discovery» zu sehen.Bild: Chris Pizzello/Invision/AP/Invision

Jetzt hat er sich das Recht genommen, seinen Übergriff auf Rapp direkt mit seiner Homosexualität in Verbindung zu setzen. Nicht in einem Mit-, bloss in einem assoziativen Nebeneinander in seinem Tweet, zu dem ihm nur ein Medienberater aus der Hölle geraten haben kann.

Denn mit diesem Tweet schafft Spacey, exakt das wieder aufflammen zu lassen, wogegen die Schwulen seit Jahrzehnten kämpfen: die Gleichsetzung von Homosexualität und Pädophilie nämlich. Eine Gleichsetzung, die über viel zu viele Jahre in enorm vielen – auch europäischen – Ländern Gleichberechtigung erfolgreich verhinderte.

In this image released by Netflix, Robin Wright appears in a scene from "House of Cards." Wright was nominated for an Emmy Award for outstanding lead actress in a drama series for her role o ...
Wir sie jetzt «House of Cards» tragen?Bild: AP/Netflix

Kein Wunder nennt sich in Russland die homophobste aller nazistischen Gruppierungen Occupy Pedofiljaj (Occupy Pädophilie) und ruft dazu auf, Mitglieder der LGBTQ-Community im Namen der «gesunden russischen Familie» zu foltern und so umzuerziehen. Es ist schier undenkbar, dass Spacey die Message «schwul gleich pädophil veranlagt gleich widerlich» beabsichtigte. Gemacht hat er genau das.

Vor wenigen Tagen hat schon amazon seinen Studioboss Roy Price entlassen, weil gegen ihn massive Vorwürfe wegen sexueller Belästigung vorlagen. Netflix handelte nun ebenfalls sofort und stellte Spaceys Serie ein. Die sechste Staffel von «House of Cards» ist die letzte, die Arbeit daran ist vorerst unterbrochen worden.

Ein Spin-off ohne Frank Underwood ist denkbar. Jeder amerikanische Präsident muss schliesslich einmal sterben. Sorry Boys, der Winter des Patriarchats ist angebrochen. Jetzt.

Die Vorwürfe gegen Kevin Spacey

Video: srf

Diese Serien verschlingt die Netflix-Community jeweils sofort

1 / 22
Diese Serien verschlingt die Netflix-Community jeweils sofort
«Binge-Racing» heisst der neue Trend! Er bedeutet, dass eine ganze Serien-Staffel innerhalb von 24 Stunden konsumiert wird. Hier das Netflix-Ranking. Platz 20: «Arrested Development».
quelle: netflix
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Frauen-Themen, Feminismus, Sexismus, Gesellschaft

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
72 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Nelson Muntz
31.10.2017 19:30registriert Juli 2017
Jetzt gibts also schon Regeln zum schwul sein? Die Generation-Shitstorm ist echt überflüssig. Er hat was dummes gemacht, aber muss er deswegen Hetero sein?
00
Melden
Zum Kommentar
avatar
saco97
31.10.2017 19:39registriert Mai 2016
Hat Watson nicht heute morgen noch geschrieben, das laut Netflix das Ende der Serie nichts damit zu tun hat?
00
Melden
Zum Kommentar
avatar
rauchzeichen
31.10.2017 22:05registriert Dezember 2016
die einzigen die homosexualität und pädophilie auf eine ebene stellen, sind jene, die etwas darüber schreiben oder erzählen. nicht spacey, nicht der schwule vergewaltiger im knast, sondern die, die automatisch in dieser schublade denken. schlimmer noch, einen artikel drauf aufbauen. wieso?

ja spacey hat da mal vielleicht. aber wissen tun wir nichts. punkt.
00
Melden
Zum Kommentar
72
    Schweizer Touristen sind wegen US-Reisen massiv verunsichert – die Sonntagsnews
    Die Schweizer Armee warnt vor ausländischen Spionagedrohnen und die EDA-Hotline erhält dreimal so viele Anrufe von verunsicherten USA-Reisenden: Das und mehr findet sich in den Sonntagszeitungen.

    Die Schweizer Armee hat laut der «NZZ am Sonntag» vor ausländischen Spionagedrohnen gewarnt. «Es muss davon ausgegangen werden, dass ausländische Nachrichtendienste auch gegen die Schweizer Armee Spionageaktivitäten durchführen», schreibt Armee-Sprecher Stefan Hofer auf Anfrage der Zeitung. Dabei gehe es vor allem um die Aufklärung von «hochtechnologischen Rüstungsgütern» wie dem F-35-Kampfjet. Die grösste Bedrohung gehe laut Hofer von der Spionage durch russische Nachrichtendienste aus. Auch die Bedrohung durch chinesische Nachrichtendienste stufte er als hoch ein. Die Entwicklung von Minidrohnen verschärfe die Spionagegefahr zusätzlich, hiess es weiter. Zudem fehlten der Armee die rechtlichen und technischen Mittel, um die Aufklärung durch Drohnen wirksam zu unterbinden. Als besorgniserregendes Beispiel wird Meiringen im Berner Oberland genannt, wo vor kurzem unbekannte Drohnen über dem Flugplatz der Luftwaffe kreisten.

    Zur Story