Ich ess gern Fleisch. Unser Redaktions-Foodie, der Baroni, auch. Was haben wir gejubelt! Weil der EU-Gerichtshof entschieden hat, dass Lebensmittel, die keine tierischen Produkte verwenden, auch nicht wie tierische Produkte heissen dürfen. Veganer Käse sei kein Käse, sagt der Gerichtshof. Wir finden das super. Wieso?
Weil die vegetarische, insbesondere die vegane Küche dazu neigt, eine Kultur des Ersatzes zu schaffen. Also Fleischgerichte so zu kopieren, dass sie zwar kein Fleisch oder anderes Tier enthalten, aber möglichst danach schmecken.
Wieso tun sie das? Weil sich Fleischverzichter heimlich eben doch nach Fleisch verzehren und nachts von einem in Butter ausgebackenem Wiener Schnitzel träumen? Aber nicht wollen, dass ihretwegen Tiere getötet werden, was man ja verstehen kann? Bloss: Wenn schon anders, wieso schaffen sie dann nicht etwas Eigenes?
Ist das zuviel verlangt? Oder lieben Veganer diesen tomatig-wässrigen Brei in der überteuerten Zürcher Veganbeiz, der sich «Tatar» nennt, tatsächlich? Finden sie sowas gut? Ich kann's mir beim besten Willen nicht vorstellen.
Und wieso heissen die landwirtschaftlich fragwürdigen (Weizen! Soja! Monokulturen! Gentech!) Vegi-Produkte bei den Grossverteilern alle wie Fleisch? Bei der Migros gibt es «Grillspiesse», «Gehacktes», «Bratwurst», «Cordon Bleu», «Aufschnitt», «Ribs», «Schnitzel». Fühlt sich da das Fleisch nicht um seine Würde, seinen guten Ruf gebracht? Vor allem, weil so eine Quorn-Bratwurst höchstens nach den Schweissfüssen einer echten Bratwurst schmeckt?
Hiesige Profiköche hassen die fleischlose Küche, schliesslich basieren Europas Küchen nun mal einfach auf dem Tier und nicht auf dem Quinoa-Pflänzchen. Die Berner Köchin Annemarie Wildeisen sagte mir einmal, nichts sei schwieriger, als ohne Fleisch zu kochen, weil eine toll gemachte Rande aufwändiger ist als ein Stück Rindsfilet. Und weil man sich von Grund auf neue Gerichte ausdenken müsse. Neue!!! Die richtig gut schmecken!!!! Und auch so heissen!!!!!
Leider findet man die Inspiration dafür nicht in der französischen Gourmet-Basisküche. Man muss sie schon anderswo suchen gehen. Im Mittelmeerraum, in Asien, an Orten, wo Fleisch bloss ein Teil des Gerichts, nicht seine Geschmacksgrundlage ist. Das indisch inspirierte Buffet bei Hiltl macht das vor, der wunderbare Yotam Ottolenghi beweist es oder Bangkoks Vegi-Göttin May Kaidee, deren Gerichte tatsächlich köstlich anders schmecken als die herkömmliche Thaiküche.
Kein Ersatz. Was Eigenes. Keine schwer verdauliche, gummiartige Seitanwurst, kein Allergien triggerndes Weizen-Schnitzel. Und auch keine wässrige Tomate. Essen, das Freude macht. Denn das sollte uns allen ja eigentlich gemeinsam sein.