Anfang Januar wäre gewöhnlich die Saison der Food-Trend-Ankündigungen. Marktanalysten, Mediensprecher, Blogger und Food-Influencer aller Couleur orakeln einem vor, welche Trends unser Essverhalten revolutionieren werden.
Alle Jahre wieder. Und ebenfalls alle Jahre wieder stellen wir fest, dass die Erfolgsbilanz solcher Voraussagen gehörig durchzogen ist. Ja, rückblickend erkennen wir, dass einige Ankündigungen sich tatsächlich zu Trends mauserten. Doch etliche schienen im Nachhinein ein wenig aus der Luft gegriffen und fanden dementsprechend nicht wirklich statt.
Unabhängig von der Erfolgsbilanz vergangener Vorhersagen stellt sich dieses Jahr eine andere Situation dar: kein Konsens weit und breit.
Gewiss, ein Gastro-Journalist, der in Kalifornien hockt, wird stets andere Food-Trends ausmachen als ein Marktforscher in Bangalore. Aber in früheren Jahren liessen sich dennoch einige Übereinstimmungen ausmachen, womit die Kriterien eines «Trends» gegeben wären.
Heuer? Nope. Null Übereinstimmung. Jeder Journi, jede Webseite, jede Studie erzählt etwas komplett anderes: Salzige Cocktails. Pickles bis zum Abwinken. Cannabis-Drinks. Meeresfrüchte und Fisch aus nachhaltiger Zucht. Vegane Charcuterie. You name it – irgendjemand wird sich auf dem Web finden lassen, der sowas zum Food-Trend kürt.
Nur eine einzige Sache findet mehrfache Erwähnung: der Trend zu «comfort classics» – Klassiker des Comfort Foods.
Nein, es gibt weiterhin keine passgenaue deutsche Übersetzung – weshalb Comfort Food ein im Deutschen gebräuchlicher Anglizismus bleibt. Letztendlich weiss aber jede und jeder, was gemeint ist: währschaftes, nahrhaftes Essen. Grosis Hackbraten. Älplermagronen. Ein deftiges Lamm-Curry. Gerichte, die auch nach dem Verzehr noch von innen wärmen und einem ein wohliges Gefühl geben. Und einen über allfällige Sorgen des Alltags hinwegtrösten.
Und wisst ihr, was? Ja, das leuchtet ein. Seht, rundum sind wir alle mit Unsicherheiten konfrontiert. Und aktuell, Anfang 2025, gefühlt mehr als auch schon: Unsichere Konjunkturlage, Wohnungsnot, Verkehrsmisere – selbst in der traditionell optimistischen Schweiz ist ein allgemeines Unsicherheitsgefühl ausmachbar. Weltpolitisch sieht es noch bedrohlicher aus, mit Kriegen in der Ukraine und in Palästina, politische Aufwiegler in Europa vielerorts im Aufwind, die nicht aufhaltbare Klimakrise, und nun zieht noch jener Möchtegern-Mussolini wieder ins Weisse Haus.
Seit jeher war es so, dass in Krisenzeiten der Konsum an Alkohol, Süssigkeiten, Tabak und Snacks zunimmt. Umgekehrt ist es in Zeiten von Frieden und wirtschaftlichem Aufschwung, dass Fitness-Abos gelöst werden, auf vegane Ernährung umgesattelt wird und dergleichen. In Krisenzeiten empfinden wir die Welt um uns herum als stressig genug, um keine zusätzlichen Strapazen für langfristige Ziele wie etwa die Gesundheit auf sich nehmen zu wollen. Der Mensch gönnt sich stattdessen die eine oder andere kleine Belohnung.
Deshalb: Ja – heute, im Jahr 2025, leuchtet es ein, dass man in den wenigen Bereichen des Lebens, die wir selbst beeinflussen können – Nahrung und Genuss etwa – uns vor allem Trost und Vertrautheit wünschen. In Bezug auf Essen bedeutet das: Gulasch mit Kartoffelstock, wie es Grosi servierte. Die Munz-Banane, die du dir nach der Schule am Bahnhofskiosk erstehen durftest. Die Lasagne aus dem Ofen, wie sie Mami amigs am Sonntag zubereitete.
Demnach: Endlich! Endlich ein Food-Trend, der Sinn macht. Jawohl, Comfort Food ist der einzige Food-Trend, den wir aktuell wirklich brauchen.