Hol dir jetzt die beste News-App der Schweiz!
- watson: 4,5 von 5 Sternchen im App-Store ☺
- Tages-Anzeiger: 3,5 von 5 Sternchen
- Blick: 3 von 5 Sternchen
- 20 Minuten: 3 von 5 Sternchen
Du willst nur das Beste? Voilà:
Claudio Ranieris Leistungsausweis als Trainer ist umfangreich. Seine Karriere an der Seitenlinie startete er schon 1986, direkt nach dem Ende seiner Spielerlaufbahn. Erst tingelte er durch Italien, ehe er auch Fuss nach Spanien und England setzte und zuletzt in Griechenland (kurz) erste Erfahrungen als Nationaltrainer sammelte.
Trotz dem nahenden 30-Jahr-Jubiläum als Trainer kann Ranieri nur die zwei Cupsiege mit Fiorentina (1996) und Valencia (1999) als namhafteste Erfolge vorweisen. Bei den fünf Stationen vor Leicester wurde er jedes Mal wegen Erfolgslosigkeit entlassen und bei Chelsea musste er 2004 gehen, weil er «kein Gewinnertyp» sei. Ranieris Gewinnrate gibt dem Recht: Sie steht aktuell nur bei gut 46 Prozent (zum Vergleich: Über 72 Prozent bei Pep Guardiola).
Claudio Ranieri? Really?
— Gary Lineker (@GaryLineker) 13. Juli 2015
Can't believe Leicester appointed Ranieri ... Great club, great fanbase but I'm afraid MK rather than Old Trafford season after next.
— Didi Hamann (@DietmarHamann) 13. Juli 2015
Man will es den englischen Experten also nicht verübeln, sind sie letzten Sommer nicht in Begeisterungsstürme verfallen, als Ranieri bei Leicester City als Nachfolger von Nigel Pearson vorgestellt wurde, der mit Müh und Not den Ligaerhalt sichergestellt hatte.
Selbst Leicester-Edelfan Gary Lineker war vom Entscheid der Klubleitung nicht angetan. «Claudio Ranieri? Wirklich?», äusserte der ehemalige englische Internationale seine Skepsis auf Twitter. Noch deutlicher wurde der frühere Liverpool-Spieler Dietmar Hamann, der es nicht glauben konnte, dass Ranieri bei Leicester eingestellt wurde. «Grossartiger Klub, grossartige Fanbasis, aber ich befürchte, in der übernächsten Saison heisst es eher Milton Keynes (2. englische Liga, Anm.d.Red.) als Old Trafford», führte der Deutsche damals weiter aus, was er heute wahrscheinlich bereuen wird.
Claudio Ranieri becomes the eighth manager - and the third Italian - to win the Premier League. #SSNHQ pic.twitter.com/EnNgOLkwjx
— Sky Sports News HQ (@SkySportsNewsHQ) 3. Mai 2016
Entgegen vieler negativer Initialreaktionen war Ranieri aber genau der richtige Mann für Leicester. Im Guardian erzählt Mittelfeldspieler Jeffrey Schlupp, dass es zwischen Trainer und Team bereits von Anfang an gefunkt habe. «Wir waren alle versammelt in einem Raum, als er hereinkam, und wir so: ‹Wow, es ist Ranieri, ein grosser Name!›», schildert der 23-jährige Ghanaer mit deutschen Wurzeln den Erstkontakt.
Ranieri stellte das Vertrauensverhältnis zur Mannschaft sicher, indem er ihr glaubhaft versprechen konnte, sie besser zu machen. Und das mit kleinen Änderungen, die zu einer «Transformation» führen sollten. Was damals sehr abstrakt getönt haben muss, ist tatsächlich so eingetreten und seit gestern als das grösste Märchen in den Annalen des Fussballs verbrieft.
Ranieri hat es fertiggebracht die vielen Puzzleteile in Leicester zu einem perfekten Werk zusammenzufügen. Mit Inspiration, die er sich beispielsweise von Jürgen Klopp im Winter 2014 geholt hat, brachte er den «Foxes» eine moderne Art von «Kick-and-Rush»-Fussball bei, die alle Schwergewichte im englischen Fussball (Arsenal ausgenommen, das zweimal gegen Leicester gewinnen konnte) vor unlösbare Probleme stellte.
Wahrscheinlich ebenso wichtig wie die taktische Komponente ist, was der 64-Jährige auf mentaler Ebene vollbracht hat. Das Team von Leicester ist – das hat man gestern auch den fantastischen Jubelbildern angesehen – stets als solidarische Einheit aufgetreten. Wenn der 32-jährige Captain Wes Morgan sagt, er habe so einen Teamspirit in seiner ganzen Karriere noch nie erlebt, dann spricht das Bände. Mit geschickt gewählten Zwischenzielen hielt Ranieri die Mannschaft zudem davon ab, je die Bodenhaftung zu verlieren. Erst sollten es 30 Punkte sein, die in der Regel zum Klassenerhalt reichen, dann die europäischen Plätze, dann die Champions League und erst dann der Meistertitel.
Und weil das Gefüge während der ganzen Saison so gut funktionierte, ist Ranieri auch seinen Ruf als «Tinkerman», als Trainer, der sehr viel rotiert, losgeworden. Leicester hat in der laufenden Saison von allen Premier-League-Teams nämlich am wenigsten Spieler eingesetzt.
The Tinkerman?
— BBC Sport (@BBCSport) 3. Mai 2016
Claudio Ranieri is going to need a new nickname! https://t.co/StZS0LKULJ #LCFC pic.twitter.com/PKjTVMACe9
Trotz des Erfolgs blieb Ranieri stets sich selbst: ein sympathischer, authentischer Italiener. «Ich habe das nie erwartet, als ich hier angekommen bin. Ich bin ein pragmatischer Mensch, ich wollte nur einen Match nach dem anderen gewinnen und meinen Spielern helfen, sich Woche für Woche zu verbessern. Ich dachte nie zu viel darüber nach, wo uns das hinführen würde», sagte der frischgebackene Meistertrainer.
Passend auch, wie und wo er den Titelgewinn miterlebte: im Flugzeug. Nein, nicht weil er jetzt plötzlich abgehoben wäre – im Gegenteil. Er werde als Letzter vom Meistertitel erfahren, sagte Ranieri nach dem Match am Sonntag gegen Manchester United (1:1). Denn er hat sich am Montag in Italien zum Mittagessen verabredet, mit seiner 96-jährigen Mutter. Das sei von langer Hand so geplant gewesen und werde darum nicht verschoben.
Gerade wegen seinem liebenswerten Charakter mag man Ranieri den Erfolg von Herzen gönnen. Und wenn sie ihm in Leicester tatsächlich eine Statue bauen, wäre das auch nicht verkehrt. Der Italiener wird den East Midlands vermutlich noch ein Weilchen erhalten bleiben. Auf die Frage, ob an den Gerüchten um einen Sieben-Jahres-Vertrag etwas dran sei, erwiderte er im Schalk nur: «Sieben Jahre? Ach was, acht!»