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Europa rettet die USA: Michael Moores «Where to Invade Next»

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Bild: AP/Dog Eat Dog Films

«Where to Invade Next»: Michael Moore ist wieder da – und diesmal hat er es auf Europa abgesehen

Bezahlte Ferien? Legaler Drogenkonsum? Kuschelgefängnisse? Findet Michael Moore alles in Europa. Sein Dokfilm «Where to Invade Next» ist total idealistisch, ein bisschen naiv und äusserst vergnüglich.
23.02.2016, 12:3024.02.2016, 11:29
Simone Meier
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Michael Moore ist wieder da. Nach einer Pause von sechs Jahren. Wieso dauerte das so lange? War er krank? Gesund sieht er jedenfalls nicht aus, aber das hat er ja noch nie, das ist wahrscheinlich die Folge einer typisch amerikanischen Fehlernährung. Die Achtjährigen in einer französischen Schulkantine schauen ihn jedenfalls erst ziemlich entsetzt an. Bevor sie noch entsetzter auf die Bilder von amerikanischem Kantinenessen starren, die das Kind einer Mitarbeiterin von Moore nach Frankreich simst.

In Frankreich gibts für die Kinder – und zwar die ganz normalen, nicht die reichen – leckere Viergänger in echtem Geschirr. Coquilles Saint Jacques im Curry-Sud zur Vorspeise, einen feinen Camembert zum Nachtisch. Dazu Wasser, keine Cola. Michael Moore will diese Errungenschaft nach Amerika mitnehmen. Schliesslich ist Amerika schlecht und muss gerettet werden.

Trailer zu «Where to Invade Next»

Aus Italien will er die bezahlten, zwei Monate langen Ferien, den bezahlten Mutterschaftsurlaub und die zweistündige Mittagspause importieren. Aus Portugal die Tatsache, dass Drogenkonsumenten nicht mehr verhaftet werden und die Drogenkriminalität so deutlich zurück ging. Aus Finnland das Bildungssystem: Nur vier Stunden Schule täglich, keine Hausaufgaben, die Schüler gelten trotzdem als die besten der Welt. Aus Norwegen die Gefängnisse, die – abgesehen vom Entzug der Freiheit –, einen ganz normalen, angenehmen Alltag bieten. Mit Wärtern, die «We Are the World» singen.

Viele von Moores Fairtrade-Europäern haben ihre besten Ideen aus Amerika.

Die Menschen, die Moore auf seiner Europa-Expedition trifft, sind dermassen gut, dass es nicht zu glauben ist. Der Norweger, dessen Sohn 2011 vom rechtsextremen Terroristen Anders Breivik ermordet wurde, findet den Gedanken an die Todesstrafe absurd. Die portugiesischen Polizisten sagen: «Die menschliche Würde ist das Rückgrat unserer Gesellschaft. Solange ihr Amerikaner die Todesstrafe habt, tut ihr nichts für die Würde.» Und Moore steht daneben mit Tränen der Rührung in den Augen.

Moore bei den französischen Früh-Gourmets ...
Moore bei den französischen Früh-Gourmets ...
bild: dog eat dog films

Der italienische Fabrikboss sagt, dass nur sehr, sehr glückliche Arbeiter gute Arbeiter sind. Deutsche Lehrer machen mit ihren Schülern total sensible Holocaust-Reenactments. «Und wieso verstecken wir uns vor unseren Sünden?», fragt Moore, der gute Amerikaner. Erst 2015 wurde das erste Sklaverei-Museum der USA eröffnet. 

«Where to Invade Next» heisst Moores neuer Dokumentarfilm, er hat mit Krieg gar nichts zu tun, im Gegenteil, es geht um eine Suche nach dem Glück. Nach Gerechtigkeit, nach sozialstaatlichen Errungenschaften, Menschlichkeit. Und so anhaltend gut gelaunt ist Moores idealistische Invasion, dass er den Film ursprünglich «Mike's Happy Movie» nennen wollte.

So wirbt das norwegische Halden Gefängnis, das Moore besuchte

Denn nichts, was er in Europa findet, ist böse. Weil er auch gar nicht erst danach sucht. Alles Schlechte gibts ja schon in Amerika. Arbeitslosigkeit, Rassismus, Korruption, Flüchtlingskrise muss er jetzt nicht haben. Er will Kontraste. Utopien. Fallende Mauern. Die kriegt er. Das ist einerseits brutal naiv, andererseits aber natürlich das Rezept, nach dem Michael Moore seine Filme schon immer angerichtet hat. Sehr gut gegen sehr böse. Die Waffenlobby («Bowling for Columbine»), General Motors («Roger & Me»), das Gesundheitssystem («Sicko»), der Kapitalismus («Capitalism: A Love Story»), Amerika an sich (alle Filme): sehr, sehr böse.

Der Clou seines neuen Films? Viele von Moores Fairtrade-Europäern versichern ihm, dass ihre guten Ideen aus Amerika importiert und bloss halbwegs intelligent umgesetzt worden seien. Er hätte also gar nicht so weit zu reisen brauchen. Aber wahrscheinlich wusste er dies schon von Anfang an ganz genau. Denn am Ende ist Michael Moore, der auszog, um sein heiss geliebtes Amerika zu retten, der vorbildlichste aller Patrioten. 

«Where to Invade Next» (120 Minuten) läuft ab 25. Februar im Kino.

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22 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Amboss
23.02.2016 13:26registriert April 2014
Tönt intressant - vor allem um zu vergleichen, was für ein Bild Moore von Europa zeigt und wie es in Wirklichkeit ist - vor dem Hintergrund von im Lastwagen eingeschlossenen Flüchtlingen, die brennenden Asylantenheimen, Parallengesellschaften, rumänischen Billigarbeitern in Landwirtschaft oder Prostitution oder auch der Durchsetzungsinitivative....
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Micha Moser
23.02.2016 15:24registriert März 2014
Habe alle seine Filme und Bücher zuhause. Und nein, ich stimme ihm nicht überall einfach zu nur weil ich ihn toll finde. Er macht seine sache gut. Freu mich auf den Film!
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