Sie gehört zu diesen Dingen, die uns immer mal wieder im Alltag begegnen, von denen wir aber eigentlich keine Ahnung haben, wozu sie gut sind: Die Delle im Boden von Weinflaschen. Wir nehmen sie einfach so hin – und fragen uns auch nicht, warum manche Flaschen sie haben, andere dagegen nicht.
Geht man im Internet auf die Suche nach einer Erklärung, stösst man auf die wildesten Theorien. Skeptiker vermuten, dass es sich bei der Delle um eine Mogelpackung handelt. Sprich: Durch die Innen-Wölbung passt weniger Flüssigkeit in die Flasche, als es von aussen den Anschein hat.
Diese Theorie ist allerdings totaler Schwachsinn: Wenn auf der Flasche 75cl steht, sind auch 75cl drin. Andere vermuten, dass der Boden nach innen gewölbt ist, damit der Keller seinen Daumen in die Mulde stecken und so besonders elegant Wein, oder wie auf dem folgenden Bild Champagner, einschenken kann.
Sieht zwar super aus, ist aber auch Mumpitz.
In Wirklichkeit geht die Delle – die im Fachjargon übrigens «culot de bouteille» heisst – mit hoher Wahrscheinlichkeit auf jene Zeit zurück, als Weinflaschen noch nicht industriell, sondern in mühsamer Handarbeit hergestellt wurden.
Eine solche mit dem Mund geblasene Flasche hatte jeweils einen Boden, der nicht schön flach, sondern nach aussen gewölbt war. Weil das fertige Glasgefäss so aber nicht gut stehen konnte, drückte man den Boden ganz einfach nach innen. Schon war das Problem gelöst.
Ursprünglich diente die Delle also schlicht der Standfestigkeit der Flasche. Heute ist man natürlich längst in der Lage, Flaschen mit flachen Böden herzustellen – die Delle kommt aber noch immer mit grosser Häufigkeit vor. Warum ist das so?
Aus mehreren Gründen: Bei Champagner und anderen Schaumweinsorten spielt der Druck die entscheidende Rolle. Hier wird der Korken in den Flaschenhals gedrückt und anschliessend mit einem Draht befestigt. Wäre der Flaschenboden flach, würde der Druck – der in Sekt- oder Champagnerflaschen auf bis zu acht Bar steigen kann – vor allem auf diese kleine runde Fläche wirken. Dadurch bestünde die Gefahr, dass der Boden irgendwann einfach herausbricht. Durch die Wölbung wird der Druck auf die Flaschenwände übertragen – und somit besser verteilt.
Aber auch die Bordeauxflasche – und damit jene, die am häufigsten bei trockenen Rotweinen zum Einsatz kommt – hat eine Delle im Boden. In diesem Fall spielt die besondere Form nicht nur bei der Aufbewahrung eine Rolle, sondern auch beim Geschmack des Weines: Wenn es zu Ablagerungen kommt, sammeln sich diese ganz unten in der Rille. Die Wölbung in der Flasche sorgt sodann dafür, dass diese Ablagerungen beim Einschenken nicht aufgewühlt werden.
Darum ist es wichtig, dass man Rotwein, der lange Zeit liegend gelagert wurde, rechtzeitig aufstellt, bevor der Wein getrunken werden soll. So bleibt genügend Zeit, damit die Ablagerungen auf den Boden – beziehungsweise in die Rille – sinken.
In diesem Sinne: cheers! 🍷 (viw)