Zugegeben: Ein Junge, der von lesbischen Steinen aus dem Weltall grossgezogen wird – das tönt ein bisschen wie ein verstörender Soft-Porno. Nun, eigentlich handelt es sich dabei aber um eine der erfolgreichsten Kindersendungen unserer Zeit – «Steven Universe».
«Aber werden unsere Kinder davon nicht gay?», haben sich schon besorgte Eltern gefragt.
Hmm. Vielleicht schon. Vielleicht aber auch nicht. Wer kann das schon sagen? Nichtsdestotrotz kommen hier sieben Eigenschaften der Kinderserie «Steven Universe», die deine (zukünftigen) Kinder halt eventuell gay, garantiert aber zu einem besseren Menschen machen werden. Und dich auch.
Steven ist der wohl untypischste Superheld seit es Zeichnungen gibt. Er ist klein, dick und super naiv. So naiv, dass es beim Zuschauen manchmal weh tut. Wenn er sich etwa in seinen viel zu engen T-Shirts zehn Donuts in den Mund schiebt, bevor er zu einer Mission los sollte. Dann rutscht auch mal sein verwaschenes rotes Leibchen hoch und man sieht seinen glitzernden Bauchnabel. Der ist magisch.
Steven ist nämlich nur zur Hälfte ein Mensch, zur anderen Hälfte ist er ein intergalaktischer Kristall. Genauso wie seine drei Ersatzmütter, die ihn grossziehen. Seine richtige Mutter, die auch ein Stein war, starb bei seiner Geburt. Also sie starb nicht wirklich, denn natürlich können Steine nicht sterben. Stevens Mutter hat sich auf irgendeine Weise in seinen Bauchnabel verwandelt.
Ouweia. Das klingt wirklich seltsam. Aber es ist supersüss. Habt Vertrauen!
Auf jeden Fall wohnt Steven mit diesen drei Kristallfrauen in einem Strandhaus auf Hawaii und rettet mit ihnen die Welt. Wobei die Welt retten bei Steven und seiner ausserirdischen LGBT-Patchwork-Familie nicht nur die Bekämpfung von menschenfressenden Kreaturen beinhaltet. Der kleine Steven und seine lesbischen Alien-Mütter retten die Welt vor einer viel grösseren Bedrohung: vor der menschlichen Verkorkstheit.
Und das ist doch schon mal eine grosse Sache. Wenn ein uncooler Junge mit seinen drei «komischen» Müttern der Menschheit ein paar Lebenslektionen erteilt, ist das doch eine offene und notwendige Kritik an all den langweilig-korrekten «Bob der Baumeister»-Idolen, die bisher das Kinderfernsehen dominiert haben.
«Steven Universe» ist die erste Kinderserie, die vollumfänglich von einer Frau erfunden wurde. Das merkt man. Denn anders als im üblichen Kids-TV sind sowohl auf Seiten der Feindinnen, wie auch auf Seiten der Heldinnen – die Endung sagt's schon – mehr Frauen als Männer zu sehen.
Nun, es gab schon oft den Versuch die Macho-Männlichkeit aus dem Kinderfernsehen zu verbannen. Was jeweils dazu führte, dass zierliche Mädchen mit bedenklich kurzen Röckchen in die «Sexy Superheldinnen»-Rolle schlüpften. Nicht so bei «Steven Universe».
Stevens «Ersatzmütter» charakterisieren alle drei eine andere Art von Weiblichkeit. Amethyst ist schrill, wild, frech und flegelhaft. Garnet verkörpert eine super-coole, burschikose Beschützerin, die eine kurvige Silhouette und eine afromässige Frisur trägt; wohingegen Pearl sich dünn, zierlich geschickt und würdevoll gibt.
Aber Diversität macht bei dieser Sendung nicht schon beim Geschlecht und der Familienkonstellation halt. Kein anderes Kinderprogramm zeigt so viele Charaktere unterschiedlicher Körpergrössen und Hautfarben wie es die Sendung von Rebecca Sugar tut.
Eine Folge «Steven Universe» dauert bloss 11 Minuten. Da gibt's nicht immer Action. Da steht die Welt nicht immer kurz vor dem Aussterben. Manchmal sind es ganz kleine Probleme, die dem kleinen Steven begegnen. Gefühle, zum Beispiel.
Die meisten Kinder-Charaktere sind eindimensionale Figuren, die entweder komplett perfekt sind oder eine einzige überspitzte Macke haben, über die man sich dann auch noch lustig macht. Die eifersüchtige Elfe oder der dumme Sportler sind etwa zwei Beispiel dafür.
Im Universum von Steven sind Probleme und Ängste viel einschneidender. Der kleine naive Held missachtet jegliche sozial antrainierte Schamgrenze, wenn er sieht, dass es seinen Freunden nicht gut geht. Er pocht unverfroren darauf, Gefühle auszusprechen und sie zu akzeptieren. Er zwingt seine Freunde zu der Selbstakzeptanz, die sie während ihrer menschlichen Erziehung verloren haben.
Scheut man sich im Kinder-TV-Programm oft vor grossen inhaltlichen Themen, geht «Steven Universe» mit einer leidenschaftlichen Unverblümtheit bis ans Fundament menschlicher Dilemmas. Und zwar so, dass es Kinder immer noch verstehen!
Etwa dann, wenn ein fremder Planet von bösen Kristallen die Erde kolonisieren will. Kein Kind weiss, was Rassismus oder Kolonialismus ist. Aber hier bekommt es einen Einblick, was das heissen kann. Ein anderes, viel privateres Beispiel, ist die Beziehung zweier Kristalle, die mit der Zeit abhängig voneinander werden. Sie begreifen, dass sie einander nicht guttun und beenden ihre Beziehung. Ohne Standard-Happy-Together-End. Aber mit einem Lachen.
Auch hier: Kein Kind weiss, dass Beziehungen toxische Züge haben können. Doch in dieser Sendung werden sie sanft darauf vorbereitet.
Die grösste Waffe von «Steven Universe» heisst: Sorge. Steven und seine Mütter sind nicht Helden, weil sie die Retter der Welt spielen wollen. Sie sorgen sich. Sie sind so eine Art intergalaktische Hippies. Ohne die Drogen und die Pilgerreisen. Aber mit ganz viel Gitarrenspiel und «schönen» Worten.
Und wenn eine Action-Serie mit mehr als nur mit Fäusten, Blitzen und Speeren kämpft, sondern eben mit emotionaler Sorge, dann ist ein Problem auch nicht innerhalb einer Episode gelöst. «Steven Universe» bereitet Kinder darauf vor, dass das Menschsein ein stetiger innerer Kampf ist, denn man nur verliert, wenn man ihn nicht führt.
Das tönt jetzt alles so, als sei die ganze Sendung eine einzige Moralpredigt einer intellektuellen, bisexuellen Comic-Zeichnerin. Irgendwie stimmt das auch. Doch die Moralpredigt, die Rebecca Sugar in «Steven Universe» vornimmt, ist so wohlwollend, dass sich kein paar Kinderaugen fremdbestimmt vorkommen kann.
Viel mehr ist alles, was in Stevens Universum geschieht, ein Vorschlag. Eine alternative, wie die Welt der Menschen aussehen kann, wenn ein paar magische Steine den Weg auf die Erde finde. Zum Planeten, auf dem man nicht immer lieben kann, wen man will, auf dem Gefühle weniger Wert als Leistung haben und auf dem alle gleich sein wollen, obschon sie doch auch ihr Anderssein zelebrieren könnten.