Die Corona-Pandemie hat in vielen Bereichen die Welt verändert. Sie hinterliess in der Politik, Wirtschaft, in den sozialen Gefügen und den digitalen Medien tiefe Spuren. Vor allem aber im Bewusstsein zahlreicher Menschen. Das Virus ist aus den meisten Lungen verschwunden, steckt aber immer noch in vielen Köpfen.
Urheber der sozialen und politischen Verwerfungen waren die Corona-Skeptiker und Impfgegner. Mit ihren Demonstrationen und Kampagnen schürten sie bei ängstlichen Personen, Wutbürgern und Staatsverdrossenen Ängste und Aversionen.
In ihrem Windschatten verspürten rechtsradikale Gruppen Morgenluft und befeuerten wilde Erzählungen von den bösen geheimen Mächten, der Pharmalobby und der Politikerkaste, die sich bereichern, die Menschheit reduzieren und die Gesellschaften destabilisieren würden.
Die Verschwörungstheorien breiteten sich pandemisch aus und erfassten Leute, die den Begriff vorher nicht gekannt hatten. In der unseligen Zeit schossen Internet-Sender und digitale Plattformen aus dem Boden. Sie überschwemmten die sozialen Medien mit absurden Verschwörungsfantasien.
Zwar hat Corona als Thema ausgedient, die meist rechtsradikalen Aktivisten sind aber geblieben. Sie pflegen weiterhin ihre Wut auf den Staat. Fühlten sie sich früher durch die Corona-Massnahmen in ihrer Freiheit eingeschränkt, sehen sie sich heute durch die etablierten Politiker und Behörden unterdrückt.
In ihrem Furor verehren sie Wladimir Putin, der seine Landsleute einkerkern lässt, wenn sie sich in der Öffentlichkeit kritisch zu seiner Politik und den Krieg gegen die Ukraine äussern. Es reicht nur schon, wenn sie den Begriff Krieg in den Mund nehmen.
Heute nennt man die Aufwiegler nicht mehr Corona-Skeptiker oder -Leugner, sondern Staatsverweigerer. Sie sind überzeugt, dass die Mächtigen unser Land in eine Firma umgebaut haben und das Volk manipulieren. Sie sprechen den demokratisch gewählten Vertretern die politische Legitimität ab.
Die Staatsverweigerer wollen eine Parallelgesellschaft aufbauen mit eigenen politischen Strukturen, eigenem Geld, eigener Gerichtsbarkeit, eigenen Schulen und eigenem Gesundheitswesen. Die radikalsten Gruppen sind die Identitäre Bewegung und die Reichsbürger, die vor allem in Deutschland und Österreich aktiv sind, aber auch Anhänger in der Schweiz haben.
Sie müssen als rechtsextrem, antidemokratisch und teilweise antisemitisch eingestuft werden. Führende Mitglieder leugnen den Holocaust. Es gab auch schon bewaffnete Auseinandersetzungen mit der Polizei in Deutschland, wie ich in früheren Impulstexten aufgezeigt habe. Der Staatsschutz beobachtet sie.
Diese Gruppen haben auch enge Kontakte zu Gleichgesinnten in der Schweiz, wie der Fall von Martin Sellner zeigt, der kürzlich einen Vortrag hielt und von der Aargauer Polizei weggewiesen wurde. Der Österreicher gehört zu den Identitären und vertritt rechtsradikale, rassistische und antisemitische Positionen.
Brisant dabei: Sarah Regez, Strategiechefin der Jungen SVP, nahm vor einem Jahr an einem geheimen Treffen mit Sellner teil. Mit am Tisch waren auch Mitglieder der Jungen Tat, eine rechtsextreme Gruppe aus der Schweiz.
Staatskritisch, aber weniger radikal, sind die neuen Schweizer Bewegungen Urig und Graswurzle. Sie bilden ein Sammelbecken für die Corona-Skeptiker und Staatsverweigerer und haben schon unzählige Sektionen gegründet. Die Mitglieder träumen ebenfalls von einer Parallelgesellschaft, die sich vom Staat entkoppeln möchte.
Für viele Behörden sind die Staatsverweigerer ein Graus. Besonders betroffen sind die Gemeindebehörden und Steuerämter. Die Anhänger sind obstruktiv und renitent. Sie belästigen die Angestellten und weigern sich, ihre Bürgerpflichten zu erfüllen.
Dabei sprechen sie auch mal Drohungen aus. Manche Gemeinden sahen sich gezwungen, Schutzmassnahmen zu ergreifen. Nun ist die Polizei und die Schweizerische Kriminalprävention (SKP), eine interkantonale Fachstelle der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD), aktiv geworden.
Sie hat die Situation mit den Staatsverweigerern analysiert und empfiehlt den Staatsangestellten Verhaltensmassnahmen. In ihrer 11-seitigen Dokumentation schreibt die SKP, die Staatsverweigerer und Selbstverwalter seien keine homogene Bewegung, sondern in sich geschlossene Gemeinschaften mit teilweise sektenhaften Zügen.
Ihre Ideologien und das Verhalten würden durch Verschwörungsnarrative legitimiert. Gewisse Formen der Staatsverweigerer würden dem monothematischen Extremismus zugeordnet. Dieser lehne freiheitlich-demokratische und rechtsstaatliche Grundlagen ab, schreibt die SKP weiter.
Es handle sich um eine Ideologie mit totalitärem Gültigkeitsanspruch. Sie sei nicht offenkundig gewalttätig, doch verwandte Gruppen und Einzelpersonen würden Gewalt als Mittel zur Selbstverteidigung rechtfertigen. Diese könnten gegenüber Amtsträgern gewalttätig und aggressiv sein.
Weiter würden die Staatsverweigerer die Haltung vertreten, dass staatliche Organe heimlich und illegal in private Firmen übergeführt worden seien, um im Auftrag einer ‚Weltelite‘ die Massen zu unterdrücken. Deshalb würden sie sich verweigern und staatliche Anordnungen bekämpfen. Dabei torpedierten sie Amtshandlungen mit der Absicht, einen rechtsfreien Raum zu schaffen. Ämter würden mit einer Vielzahl von Schreiben und Anzeigen eingedeckt und die Angestellten in wirre Streitgespräche verwickelt.
Die SPK rät den Betroffenen, den Staatsverweigerern nicht aus Furcht eine Sonderbehandlung angedeihen zu lassen. Sie sollten sachlich bleiben und sich auf keine Diskussionen über Ideologien einlassen und sich nicht rechtfertigen. Weiter rät die SKP, rechtzeitig die Polizei zu orientieren und beizuziehen.
In ihrer ideologischen Verblendung realisieren die Staatsverweigerer nicht, dass sie die Rechte bis zur Schmerzgrenze strapazieren. Die Rechte eines Rechtsstaates, den sie eigentlich bekämpfen.