Wenn sich das Jahr zu Ende neigt, kommt die Zeit der guten Wünsche. Wir hoffen oft, dass der neue Kalender-Jahrgang besser wird, weil der vergangene uns übel mitgespielt hat. Deshalb konsultieren viele Zeitgenossen Astrologinnen, die sinnbildlich in den Himmel schauen und die Sterne befragen, um ein Horoskop zu erstellen.
Da es den Sternguckern angesichts der Millionen von Himmelskörpern in der Milchstrasse schwindlig wird, extrapolieren sie ein paar wenige Gestirne, die besonders hell leuchten und optisch irgendwie zusammenpassen. Diese wahllos konstruierten Gebilde nennen sie dann Sternzeichen, die ihnen helfen sollen, in die Zukunft zu schauen.
Grossartig. Da wünscht man sich doch glatt, auch ein Stern zu sein und im Konzert mit den Nachbargestirnen den lieben Menschlein auf der weit entfernten Erde zukünftige Ereignisse vorherzusagen.
Als neugieriger Beobachter fragt man sich, wie denn die Gestirne mit den Astrologen kommunizieren. Oder die Astrologinnen mit den Sternen. Ein Megaphon reicht da wohl nicht aus. Und mit Morsezeichen kommen die optischen Signale trotz Lichtgeschwindigkeit etwas gar spät auf der Erde an.
Die Lösung haben unsere Urahnen im Fernen Osten schon vor rund 3000 Jahren gefunden. Sie definierten Tierkreiszeichen und schauten, wie Sonne, Mond und Planeten an ihnen vorbeiwanderten. Dann massen sie den Konstellationen Bedeutungen zu.
Wie sie dabei genau vorgegangen sind, entzieht sich unserer Erkenntnis, denn Originalschriften sind nicht bekannt. Die Geheimsprache der Sterne wurde mündlich überliefert.
Doch solche Ungereimtheiten kümmern die heutigen Astrologinnen wenig. Und ihre Kundinnen erst recht nicht. Für sie ist die Astrologie ein ähnlich schwer erfassbares Mysterium wie das schwarze Loch.
Aber das spielt für sie keine Rolle, Hauptsache, sie bekommen schwarz auf weiss prognostiziert, dass sie im Januar einen Lottogewinn machen, im Februar einen neuen Job bekommen, im März ihrem Traummann begegnen, im April beim Zürcher Marathon eine neue Bestzeit aufstellen, im Mai auf eine Weltreise gehen, im Juni eine grössere und günstige Wohnung im trendigen Kreis 5 in Zürich finden, und, und, und.
Das ist doch wunderbar. Der ganze Kosmos schaut auf uns und verrät uns die Zukunft. Schliesslich sind wir Menschen die Krone der Schöpfung. Was natürlich alle Himmelskörper wissen und respektvoll akzeptieren.
Und falls die Sterne doch nicht lügen und die chinesischen Astrologen in grauer Vorzeit ihre Konstellationen richtig interpretierten? Dann liegen unsere modernen Sterndeuter trotzdem falsch. Dies können Astronomen mit wissenschaftlichen Mitteln beweisen.
Zum Beispiel: Die Erdachse torkelte in den letzten 3000 Jahren ordentlich umher, und die Gestirne verschoben sich erheblich. So stand die Sonne vor 4000 Jahren im Sternbild Stier, vor 2000 Jahren im Widder und heute in den Fischen. Doch die Grundlagen der Astrologie wurden nicht an die veränderten Positionen der Sternzeichen und Planeten angepasst.
Deshalb stimmen die Horoskope nicht, selbst wenn die Himmelskörper tatsächlich einen Einfluss auf die Erde und uns Menschen hätten. Weiter muss man wissen, dass die astronomischen Erkenntnisse der Astrologen vor 3000 Jahren sehr rudimentär waren. Sie kannten weder Uranus noch Neptun oder Pluto. Diese Planeten wurden erst 4800 und mehr Jahre später entdeckt.
Es gibt aber auch praktische Überlegungen, die die Horoskope ins Reich der Märchen bugsieren. So nehmen wir die Sternbilder zweidimensional wahr und glauben, sie stünden irgendwie in einer Verbindung zueinander. In Wirklichkeit liegen sie in der Tiefe teilweise sehr weit auseinander und ergeben rein zufällig für uns aus der Froschperspektive ein Bild, das wir als Sternzeichen interpretieren.
Man kann aber auch psychologische Aspekte heranziehen, um aufzuzeigen, dass Horoskope höchstens zum geistlosen Smalltalk dienen. Gene, Milieueinflüsse, Elternhaus, Bildung, Freunde, Chefs, Lebenserfahrung, Schicksalsschläge usw. haben einen wesentlich grösseren Einfluss auf uns als ein paar Gestirne am Himmel, denen es völlig egal ist, ob wir lieber ein neues Cabriolet oder einen attraktiven Boyfriend möchten.
Fazit: Es gibt nichts Schöneres als den Aberglauben. Er lässt uns in eine wohlige Scheinwelt abdriften, in der Einhörner weiden, Feen im Wald tanzen und Sterne sprechen.
PS: Der französische Psychologe Michel Gauquelin führte eine nette Untersuchung durch. Er erstellte das Horoskop für 150 Personen. 94 Prozent von ihnen bestätigten hinterher, dass es auf sie zutreffe. In Wirklichkeit gab der Psychologe allen das gleiche Horoskop: das Horoskop eines Massenmörders.