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Jasmins Reise nach Hollywood beginnt mit einem Anruf.
Jasmin Imboden ist zu dem Zeitpunkt 24 Jahre alt. Und als sie damals die unbekannte Anruferin entgegennahm, hatte sie ihren ersten Traum bereits begraben müssen. Als Kind war für sie klar, was sie später mal werden will: Profi-Fussballerin. Mit fünf beginnt sie bei den F-Junioren. Sie spielt sich von Stufe zu Stufe in höhere Ligen bis in die Frauen-Nationalmannschaft. Verbissen jagt sie ihrem Traum hinterher, wie einem in die gegnerische Richtung rollenden Fussball.
Doch in der dreiundsechzigsten Minute eines bedeutungslosen Meisterschaftsspiels endet die junge Karriere abrupt. Jasmine dribbelt Richtung Tor, als ihr der Noppenschuh einer gegnerischen Innenverteidigerin von der Seite in die Wade fährt – Kreuzband und Meniskus sind futsch, genauso wie Jasmines Träume einer grossen Fussball-Zukunft.
Völlig desillusioniert tritt sie nach ihrem Karriere-Aus einen Bürojob bei einem Brustpumpen-Händler an. «Die Verletzung raubte mir nicht nur meine Chance, als Fussballerin durchzustarten, sondern beraubte mich auch dem stärksten Gefühl, das ein Mensch nur haben kann – der Hoffnung. Mein Leben bestand nur noch aus ätzender Arbeit und aus dem Streamen von Filmen und Serien», erzählt Jasmine im Gespräch.
Das sollte allerdings ihr Glück werden.
«Als ich mir damals die Hungergames-Triologie reinzog und Jennifer Lawrence so beim Schauspielern sah, verspürte ich ein bekanntes Kribbeln in der Magengrube, das mir ins Bewusstsein schrie: ‹Hey, das kannst du auch! Das solltest du tun!›»
Zwei Monate und einen Anruf später beginnt die Reise nach Hollywood.
Denn am anderen Ende gratuliert ihr die Schulleiterin der «American Academy of Dramatic Arts» zur Aufnahme an der renommierten Schauspielschule. Es war die erste Schauspielschule, die Jasmins Suchmaschine beim Schlagwort «Acting School» ausspuckte. Völlig naiv bewarb sie sich via Online-Formular – und wurde zum Casting eingeladen.
Die international bekannte Institution hat Grössen wie Grace Kelly, Anne Hathaway oder Kirk Douglas hervorgebracht. Und nun steht da Jasmine Imboden aus der Innerschweiz mit der Schauspielerfahrung aus dem Primarschul-Theater in Obbürgen. Jasmine spielte damals als Schulkind ein Schulkind. Und ihr Publikum bestand aus 52 Nidwaldner Mamis und Papis.
Inzwischen hat sich das geändert. Jasmine wurde an der «AADA» akzeptiert und nahm im Frühling 2016 im Dolby Theater, auf der Oscar-Bühne, ihr Abschlusszeugnis entgegen. Sie ist nun eine ausgebildete Schauspielerin, zieht nach Los Angeles in eine WG-Villa mit Pool und Meerblick, jobbt als Barkeeperin, tanzt auf Promi-Partys und handelt jeden Tag auf dem heftigsten Menschenmarkt, den man sich vorstellen kann: Dem Wettbewerb der Film- und Werbecastings.
«Während der Schule durfte ich keine Aufträge annehmen. Ich hab's trotzdem getan.», erinnert sich Jasmine und lächelt verschmitzt. «Mein erster Job war eine Werbung für einen Mobilfunkanbieter aus El Salvador. Ich spielte eine Lesbe. Das kam nicht gut an.»
Doch sowas sei normal, damit müsse man zurecht kommen, wenn man in Hollywood überleben will, meint Jasmine. In der Tat gibt es Schlimmeres als winzige Screentimes. Keine Jobs zu kriegen, beispielsweise.
Als junge Schauspielerin Erfolg zu haben, ist zum grössten Teil keine Frage des Talents. Viel mehr ist das Aussehen, das Gesicht und die Figur ausschlaggebend. «Schwarze, dünne Hipster-Frauen sind zurzeit total im Trend». Während Jasmines weisse Kolleginnen zu zwei Castings pro Woche eingeladen werden, hat sie zwei Mal täglich die Chance, sich als Model oder Schauspielerin zu vermarkten.
«Das mutet vielleicht etwas rassistisch an, schlussendlich ist es aber die Realität, in der wir alle leben und leben müssen», sagt sie.
Doch vollkommen von der Schauspielerei zu leben bleibt auch für Jasmine ein Traum. Um über die Runden zu kommen, lässt sie sich von einer privaten Fussballschule anstellen. Zwischen Montag und Freitag trainiert sie verschiedene Kinderfussball-Teams. Natürlich sind das nicht irgendwelche Kinder. Es sind reiche Kinder, Promi-Kinder. Die Tochter von Mila Kunis und Ashton Kutcher schiesst zum Beispiel ihre ersten Toren unter Schweizer Führung.
Man verbiegt sich für die Öffentlichkeit in der Hoffnung irgendwen kennenzulernen, der irgendwen kennt, der dich interessant finden könnte. «Das ist anstrengend, kann aber auch lustvoll sein.» Schliesslich ist Jasmine eine Träumerin, die von der Hoffnung lebt. Und für Leute dieser Art ist Hollywood wohl so etwas wie ein Kraftort.