Das Bezirksgericht Lenzburg hat den Vierfachmörder von Rupperswil erstinstanzlich zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt und die anschliessende Verwahrung angeordnet.
Es ist die vorerst letzte Meldung vom Jahrhundertprozess aus Rupperswil, der die Berichterstatter mit einem medienethischen Dilemma konfrontierte: Wie soll man dem grossen Interesse der Öffentlichkeit an einer unfassbaren Tat gerecht werden, ohne die Würde der Opfer und der Hinterbliebenen anzutasten? Und damit die eigene aufzugeben?
Soll man die Befragung eines solchen Täters nahezu live tickern? Soll man einem pädophilen Sadisten, der unfassbares Leid verursacht hat, eine solche Plattform geben? Hat ein solcher Täter, wenn schon nicht sein Recht auf das rechtliche, dann wenigstens dasjenige auf das öffentliche Gehör verwirkt? Was macht das mit den Angehörigen, wenn der Mörder und seine Verteidigung mit unserem medialen Megaphon Erklärungen für unerklärliche Grausamkeiten verbreiten können?
Nach dem ersten Prozesstag war ich versucht, die Übung abzubrechen. Ich hatte die Kommentare mitmoderiert, die Liveberichterstattung aus dem Gerichtssaal mitredigiert und bereits die wenigen und von den Gutachtern nur knapp geschilderten Details des Tathergangs kaum ertragen.
Müssen wir das wirklich machen, damit die Öffentlichkeit die rechtsstaatlichen Grundsatzdebatten fundierter führen kann? Ist das nicht einfach eine bequeme Ausrede, um eine unfassbare Tragödie publizistisch auszuschlachten? Um die quotenträchtige Sensationsgier der Öffentlichkeit zu befriedigen?
Diese Frage habe ich nicht nur mir, sondern auch meiner Redaktion gestellt.
Wir berichteten weiter. Wir haben berichtet, wie der Täter log. Wir haben berichtet, wie die Anklage seine Brutalität im Detail schilderte. Und wir haben berichtet, wie die Verteidigung die Opfer mitverantwortlich für ihre eigene Ermordung machte.
Ja, wir haben das Interesse der Öffentlichkeit am Fall befriedigt. Und ja, wir haben auch eine Plattform geboten, um den rechtstaatlichen Umgang mit Opfern und Tätern zu diskutieren. Zwei Dinge haben wir in der Abdeckung des Prozesses aber ganz bewusst nicht gemacht, wofür wir üblicherweise bekannt sind: Wir haben nichts emotionalisiert und wir haben selber keine Position bezogen.
Stattdessen haben wir schlicht berichtet, wer in diesem Prozess warum was vorbringt, so die begrenzte Öffentlichkeit des Gerichtssaals erweitert und dieser damit geholfen, ihre im Rechtssystem vorgesehene Kontrollaufgabe wahrzunehmen. Nicht mehr und nicht weniger.
Mein Dank gilt unserem Gerichtsreporter William Stern und unserem News-Team. Sie haben während der gesamten Prozessberichterstattung von Rupperswil trotz aller emotionaler Belastung und unter grossem Druck immer bedacht und professionell gearbeitet.
Und damit die Würde der Opfer und der Hinterbliebenen gewahrt.