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Thomas N. schuldig und ordentlich verwahrt ++ Staatsanwältin: «Wir sind zufrieden»

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Thomas N. schuldig und ordentlich verwahrt ++ Staatsanwältin: «Wir sind zufrieden»

16.03.2018, 07:4216.03.2018, 13:53
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epa06599945 A general view on the police building of the cantonal police of Aargau where the Rupperswil's quadruple murder trial of the Lenzburg District Court takes place, in Schafisheim, Switze ...
Bild: EPA/KEYSTONE
  • Das Bezirksgericht Lenzburg hat das Urteil gesprochen: Thomas N. wird wegen mehrfachen Mordes, mehrfacher und teilweise versuchter räuberischer Erpressung, mehrfacher Freiheitsberaubung, mehrfacher Geiselnahme, sexuellen Handlungen mit einem Kind, sexueller Nötigung, Brandstiftung, Pornografie, mehrfacher Urkundenfälschung und mehrfacher strafbarer Vorbereitungshandlungen für schuldig erklärt.
  • Das Strafmass: Lebenslange Freiheitsstrafe + vollzugsbegleitende ambulanten therapeutischen Massnahme + ordentliche Verwahrung
  • Urteilsbegründung: Thomas N. hat laut Gericht äusserst empathiefrei, grausam und kalt gehandelt. Er habe die Taten geplant und gewollt. Opfer seien «regelrecht geschlachtet» worden. Strafmildernde Faktoren seien «nicht ins Gewicht gefallen».
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Staatsanwältin Loppacher zum Urteil von Rupperswil
11:08
Anwältin von Thomas N. nimmt Stellung
Das sagt Renate Senn, Anwältin von Thomas N. zum Urteil:
Carla S.' Lebenspartner Georg M. zum Urteil im Fall Rupperswil
Opferanwalt Luc Humbel zum Urteil gegen Thomas N.
Verhandlung geschlossen
Vier Hammerschläge. Die Verhandlung ist geschlossen.
Warum keine lebenslängliche Verwahrung?
Aeschbach erläutert nun, warum keine lebenslängliche Verwahrung in Frage komme: Die Sachverständigen müssen den Täter für dauerhaft untherapierbar halten. Diese Voraussetzung sei vorliegend nicht erfüllt. Es geben gewisse Ausführungen der Gutachter, die man für widersprüchlich werten könne. So zum Beispiel, dass die Tötungen nicht auf eine psychische Störung zurückzuführen sei. Aber das zeige eben genau die Schwierigkeit.

«Es handelt sich bei beiden Gutachtern um anerkannte Grössen, es sind nicht einfach zwei spontan auftretende Szene-Nobodys», sagt Aeschbach. Es brauche eine Gesamtbetrachtung, das Bundesgericht erlaube in dieser Frage keine Missverständnisse, sondern Klarheit. Es könne auf den jüngsten Entscheid des Bundesgericht hingewiesen werden.

«Beide Gutachter äusserten sich in dieser Hinsicht klar und verneinen eine dauerhafte Untherapierbarkeit. Sie betonen den Gesamtzusammenhang der verschiedenen Tateinheiten. Es kann festgehalten werden, dass der Beschuldigte ohne die Kernpädophilie und die weiteren Störungen die Tat am 21. Dezember 2015 nicht verübt hätte. Das Bezirksgericht Lenzburg hat einstimmig befunden, dass die Argumentation der Staatsanwaltschaft zweifellos interessant sei.» Aber eine Mehrheit des Gerichts habe es unstatthaft gefunden, Rosinen herauszupicken und die Gesamtbetrachtung zu verlassen.

«Eine Minderheit des Gerichts folgte dagegen der Argumentation der Staatsanwaltschaft und sieht bei dem Vierfachmord keine psychische Störung zugrundeliegend. Ergo, wo keine Störung, da braucht es keine Behandlung und somit ist das Erfordernis der dauerhaften Untherapierbarkeit erfüllt.» Die Minderheit hätte aufgrund dessen die lebenslängliche Verwahrung angefordert.
Alle Voraussetzung zur ordentlichen Verwahrung gegeben
Zur Strafzumessung: ««Für das Bezirksgerichts Lenzburg kommt nur die lebenslängliche Freiheitsstrafe in Betracht, so Aeschbach. Die strafmindernden Faktoren wie Kooperation, Geständnis und mediale Vorverurteilung fallen in der Gesamtbetrachtung nicht ins Gewicht.» Ebenso das Verhalten des Beschuldigten im vorzeitigen Strafvollzug, auch wenn dieses tadellos sei. Das Bezirksgericht Lenzburg spricht somit die höchste Strafe im Schweizerischen Strafgesetz aus, nur eine lebenslängliche Freiheitsstrafe sei angemessen.

Zur ambulanten therapeutischen Massnahme: diese soll vollzugsbegleitend zur Behandlung der psychischen Störung des Beschuldigten angeordnet werden. Der Beschuldigte leide insbesondere aber nicht nur an einer Kernpädophilie. Diese sollen therapeutisch aufgearbeitet werden, die Voraussetzungen nach Art. 63 Strafgesetzbuch seien erfüllt.

Zur Verwahrung: Die vier Voraussetzungen seien alle gegeben, eine ordentliche Verwahrung sei deshalb anzuordnen.
Schuldig der mehrfachen strafbaren Vorbereitungshandlung
Gerichtspräsident Aeschbach kommt zum zweiten Sachverhalt, der mehrfachen strafbaren Vorbereitungshandlung. Bald nach dem 21. Dezember habe es beim Beschuldigten wieder «gerattert». Auch wenn es der Beschuldigte anders dargestellt habe: «Thomas N. versuchte kurz nach der Tat in Rupperswil zu optimieren». Er habe im Kanton Solothurn das gleiche wieder machen wollen, «die Gutachter erkennen Anzeichen der Serientäterschaft». Es sei eine «identische Vorgehensweise wie beim 21. Dezember 2015» mit Ausnahme der effektiven Tatausführung.

Der zweite Sachverhalt im Kanton sei zwar weniger komplex als in Solothurn, aber dennoch strafbar. Auch da haben Gutachter Anzeichen einer Serientäterschaft erkannt, so Gerichtspräsident Aeschbach.
«Highway des Grauens»
Gerichtspräsident Aeschbach beginnt die Urteilsbegründung mit einem Bild: Der Beschuldigte habe den Autopilot eingeschaltet, sei auf den «Highway des Grauens und hat dort langsam von Null auf 1000 beschleunigt.»

Der Beschuldigte sei dabei äuserst empathiefrei vorgegangen, er sei besonders grausam sei gewesen, und habe «regelrecht geschlachtet».

Die Vorbereitung, aber auch das Verhalten nach der Tat seien von besonderer Kälte geprägt gewesen.

Der Vorsatz, so Gerichtspräsident Aeschbach sei vorhanden gewesen: Thomas N. habe mehrfach skrupellos gehandelt, er habe darum gewusst und er habe es gewollt.

Ansonsten teile Gericht die übereinstimmenden Beurteilungen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung.
Lebenslängliche Freiheitsstrafe und ordentliche Verwahrung für Thomas N.
Vier Hammerschläge eröffnen die Urteilsverkündigung. Gerichtspräsident Daniel Aeschbach eröffnet das Urteilsdispositiv: Thomas N. ist schuldig des mehrfachen Mordes, des sexuellen Missbrauchs, und auch der mehrfachen strafbaren Vorbereitungshandlung und wird zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt. Zudem wird Thomas N. nach Art 64 Abs. 1 zu einer ordentlichen Verwahrung verurteilt.

Thomas N. nimmt das Urteil regungslos zur Kenntnis.
In Kürze beginnt die Urteilsverkündigung
Der Angeklagte Thomas N. betritt den Gerichtssaal und nimmt neben seiner Anwältin Platz. Er trägt einen grauen Kashmir-Pullover über dem Hemd und wirkt äusserst konzentriert. In Kürze beginnt die Urteilsverkündigung. Es herrscht Stille im Saal.
Das sagt der Opferanwalt Leimbacher vor der Urteilsverkündung im Fall Rupperswil
Thomas N. noch nicht da
Staatsanwältin Barbara Loppacher ist im Saal eingetroffen, der Gerichtsschreiber ebenso. Gerichtspräsident Daniel Aebschbach, der das Urteil verkündigen wird und die übrigen vier Richter fehlen noch. Ebenso der Beschuldigte Thomas N. und dessen Pflichtverteidigerin Renate Senn.
Lebenslängliche Verwahrung oder ambulante Therapie?
Staatsanwältin Barbara Loppacher beantragte eine lebenslängliche Freiheitsstrafe mit anschliessender lebenslänglicher Verwahrung. Eine lebenslängliche Freiheitsstrafe allein genüge nicht, sagte die Anklägerin am Mittwoch. Die Wahrscheinlichkeit sei gross, dass der Mann nach 15 Jahren bedingt entlassen würde.

Verteidigerin Renate Senn forderte eine Freiheitsstrafe von 18 Jahren und eine ambulante Therapie für den Mann. Weder eine lebenslängliche noch eine ordentliche Verwahrung seien gerechtfertigt.

Getötet habe der Mann, um seine Taten zu vertuschen, nicht aus Lust am Töten. Gehandelt habe er aus drei Gründen: zur sexuellen Befriedigung, aus Scham und aus finanziellen Gründen. Der 34-Jährige, der zur Zeit des Gewaltverbrechens bei seiner Mutter in der Nähe des Tatortes wohnte, ist pädophil. (sda)
Um 10 Uhr erfolgt die Urteilsverkündigung
Vor dem Eingang der mobilen Polizei Schafisheim, wo die Verhandlung zum Vierfachmord Rupperswil stattfand, herrscht schon ziemlich viel Betrieb. Dutzende Medienschaffende warten auf den Beginn der Urteilsverkündigung. Diese ist auf 10 Uhr angesetzt. Die Urteilsfindung fand gestern hinter verschlossenen Türen statt. Wie bei einer Urteilsberatung vorgegangen wird, findest du hier zusammengestellt.
Bild
So spielte sich die Tat ab
Thomas N. hatte am 21. Dezember 2015 eines der schwersten Verbrechen der Schweizer Kriminalgeschichte verübt. Unter Drohung mit einem Messer brachte er einen 13-jährigen Buben, dessen 48-jährige Mutter, den noch schlafenden 19-jährigen Sohn und dessen 21-jährige Freundin in seine Gewalt, fesselte sie und verklebte ihnen die Münder.
Er zwang die Mutter, Geld von zwei Banken zu holen und fesselte sie wieder, nachdem sie mit rund 11'000 Franken zurückkam. Dann verging er sich aufs Übelste am 13-Jährigen. Anschliessend tötete er alle vier Personen, zündete das Haus an und ging weg.
Kurz danach suchte er im Internet erneut Knaben, die ihm gefielen, spähte ihre Familien aus, bereitete wieder seinen Rucksack vor und fuhr an die Wohnorte der Kinder. Bevor er erneut zuschlagen konnte, wurde er am 12. Mai 2016 in Aarau gefasst. (sda)
QUALITY REPEAT - Thomas N. left, and Renate Senn, right, public defender in the trial for the quadruple murder of Rupperswil, on Tuesday, March 13, 2018 in Schafisheim, Switzerland. Thomas N. is accus ...
Bild: KEYSTONE
Thomas N. und seine Verteidigerin Renate Senn.

Der Fall Rupperswil

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51 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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LU90
16.03.2018 10:15registriert März 2016
Gut so. So kommt er - nach bisheriger Umsetzung der ordentlichen Verwahrung - nur noch zum Sterben raus (aufgrund Alter oder Krankheit). Und ebenfalls wurde die Rechtsstaatlichkeit gewahrt (wenn man Kommentare in gewisser Zeitungen liest, sollte man denken wir leben nicht mehr in einem Rechtsstaat.. Auch wenn die Tat etwas vom Abscheulichsten ist, dass ein Mensch anrichten kann)
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Olifant
16.03.2018 10:20registriert Juni 2017
Danke. Ich bin erleichtert über das Urteil.
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Madison Pierce
16.03.2018 11:45registriert September 2015
Sicher ein korrektes, im Rahmen des Gesetzes sogar hartes Urteil.

Es entspricht allerdings meinem Gerechtigkeitsempfinden, dass ein solcher Täter die Chance auf eine Freilassung erhält. "Lebenslänglich" sollte "lebenslänglich" sein.
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