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Das Gesicht von Thomas N. ging nach seiner Festnahme durch die Medien. Alle kennen ihn, auch seine Mithäftlinge. Wie reagieren diese auf einen solchen Straftäter?
Andreas Naegeli: Über den konkreten Fall kann ich nicht sprechen. Aus meiner täglichen Arbeit weiss ich allerdings: Schreckliche Straftaten bewegen auch die Insassen unserer Gefängnisse. Für die meisten ist eine solche Tat kaum fassbar und sie reagieren mit Betroffenheit, Mitgefühl, aber auch Wut auf den Täter.
Wie schützen Sie einen Häftling wie Thomas N. vor dieser Wut?
Wenn wir damit rechnen müssen, dass ein Gefangener Übergriffen ausgesetzt werden könnte, platzieren wir ihn in einer Gruppe des Spezialvollzugs. In diesen Gruppen kennen wir die Konstellationen gut, uns steht mehr Personal zur Verfügung und wir können Veränderungen rasch erkennen. Muss ein solcher Gefangener zum Beispiel zum Arzt, wird er immer von jemandem begleitet. Allerdings wäre es falsch zu glauben, dass mit massgeschneiderten Formen Sicherheit erlangt wird. Im Gegenteil. Eine Spezialbehandlung würde Reize auslösen und den Betroffenen allenfalls stigmatisieren. Deshalb behandeln wir auch sogenannte prominente Fälle so normal wie möglich und treffen nur dort spezielle Vorkehrungen, wo dies zwingend nötig ist.
Solche Insassen kommen also nicht in Einzelhaft?
Nicht unbedingt. Die Einzelhaft ist eine sehr einschneidende Massnahme und muss äusserst gut begründet sein. Sie darf nur angeordnet werden, wenn sie den Betroffenen oder Dritte schützen muss. Die Wahrung der Verhältnismässigkeit ist dabei das Wichtigste. Anders gesagt bedeutet das, dass sich die Einzelhaft nur rechtfertigen lässt, wenn der Insasse nicht anders geschützt werden kann. Dies, weil die Isolation von Menschen über längere Zeit psychisch unverträglich ist.
Wie viele Einzelhaft-Plätze gibt es in der Justizvollzugsanstalt Pöschwies?
Wir haben sechs solcher Plätze. Insgesamt haben wir aber Platz für 400 Gefangene.
Thomas N. soll sich an einem Minderjährigen vergangen haben. Stimmt es, dass solche Gefangenen in der Hackordnung ganz unten stehen oder gibt es das nur im Film?
Wir dulden keine Hierarchien. Das heisst aber nicht, dass es sie nicht gibt. Sobald sich eine Tendenz zur Hierarchisierung abzeichnet, greifen wir ein – indem wir beispielsweise Gefangene versetzen. Mit dem Gruppenvollzug haben wir überschaubare Grössen. Diese Gruppen sind gut durchmischt bezüglich Alter, Delikt, Nationalität oder Religion, was dazu führt, dass wir keine starken Gruppen von Gleichgesinnten haben. Unsere Mitarbeiter erkennen Abweichungen rasch und können sofort eingreifen.
Worauf müssen die Aufseher im Umgang mit solchen Häftlingen besonders achten?
Die Mitarbeiter im Justizvollzug haben eine anspruchsvolle Aufgabe. Und auch sie haben Gefühle. Es ist wichtig, dass sie diese Gefühle einordnen können und die Gefangenen möglichst unvoreingenommen und gleich behandeln. Ein kameradschaftlicher Umgang im Team, eine gute Führung und Supervisionsangebote unterstützen sie dabei. Neben dem Umgang mit den Gefühlen ist bei dieser Arbeit wichtig, dass Abläufe und Vorgaben eingehalten werden und Unregelmässigkeiten entdeckt und gemeldet werden.
Wie viele solche «prominente» Täter wie Thomas N. sitzen in Schweizer Gefängnissen?
Das kann ich nicht sagen. Es gibt keine genauen Kriterien für Einteilung von Tätern dieser Art. Zahlreiche Fälle, die in den Medien sehr präsent waren, werden nach einigen Jahren mehr oder weniger vergessen.
Das Interview mit Andreas Naegeli wurde schriftlich geführt.