Darf man aus dem Leid der Angehörigen ein Geschäft machen? Daniel Dunkel, Chefredaktor der Zeitschrift «Schweizer Familie», ist hin- und hergerissen. In der aktuellen Ausgabe denkt er in einem Artikel darüber nach, ob es richtig sei, einen exklusiven Vorabdruck aus dem Buch von Georg Metger (50) zu publizieren. Dieser war der Partner von Carla Schauer, die 2015 in Rupperswil AG mit ihren beiden Söhnen und der Freundin des Älteren ermordet worden war.
Das Buch erscheint morgen Donnerstag und wird vom Zürcher Wörterseh-Verlag herausgebracht, der mit der Tamedia-Zeitschrift eine Medienpartnerschaft eingegangen ist. Der Chefredaktor berichtet von seinen Zweifeln: «Der Gedanke, dass sich die ‚Schweizer Familie‘ auf Kosten der Opferfamilien journalistisch profiliert, war mir zuwider.»
Dennoch entschied er sich dafür, da er Metger stellvertretend für alle Opferfamilien eine Stimme geben wolle. Was Dunkel nicht weiss: Seine Verlagsabteilung nutzt den exklusiven Vorabdruck für eine Marketingaktion, um Probeabos zum Spezialpreis zu verkaufen.
Metger hadert ebenfalls mit seiner Rolle, wie er im Buchauszug schreibt. Es beginnt mit der Einvernahme auf dem Polizeiposten. Er glaubt, als Angehöriger befragt zu werden. Als die Polizisten seine Hände und Nägel auf Russspuren untersuchen, hätten sie gesagt, es handle sich um eine Routineuntersuchung. Metger: «Erst als ich meinen Tagesablauf akribisch schildern und viele seltsame Fragen beantworten muss, beginne ich zu ahnen, dass man mich als Verdächtigen qualifiziert.» Zu diesem Zeitpunkt habe er am liebsten tot sein wollen.
Zuerst gerät Metger in den Fokus der Polizei, dann in jenen der Medien. Der «Blick» spekuliert nach der Tat: «Drehte der Ex-Mann durch?» Metger berichtet, dass er nach diesem Artikel von «obskuren Theoretikern», religiöse Gemeinschaften und Hellsehern kontaktiert worden sei. «Aber auch Frauen, die mich auf der Stelle heiraten möchten, gelangten an mich.» Zudem habe er Schreiben wie dieses erhalten: «Hey, sorry für die Störung. Weisst du, wer der Täter ist?» Metger: «Ich blicke auf den Bildschirm meines Handys. Ich kenne den unhöflichen Fragesteller nicht, der mich duzt und diese absurde Frage stellt.»
Metger fühlt sich allein gelassen: «Wir Angehörigen haben viel Unterstützung erfahren durch unser Umfeld, aber von Staates wegen wurde wenig unternommen, dass wir nicht in ein schwarzes Loch fielen.» Im Umgang mit Medienvertretern hätte er sich eine staatliche Stelle gewünscht, die ihn beraten und geschützt hätte. Die Polizei hätte aus seiner Sicht verhindern sollen, dass ein Fotograf die Erinnerungsbilder der Familie nach dem Trauergottesdienst aufnehmen konnte. Metger kritisiert, dass die «Schweizer Illustrierte» die Bilder auf der Titelseite zeigte.
Inzwischen hat Metger seine Geschichte selber in die Hand genommen und publiziert sie freiwillig in einer Illustrierten. Damit die in Ich-Form geschriebenen Sätze gut klingen, holte er sich Unterstützung der Autorin Franziska Müller. Selber wolle er, der als Filialleiter einer Bank arbeitet, kein Geld daran verdienen. Er kündigt an, die Tantiemen für wohltätige Zwecke zu spenden.