4. Juli! Unabhängigkeitstag in den USA! Feuerwerke, BBQ und Bier und so. Nun bekunden aber die meisten meiner amerikanischen Freunde seit ein paar Jahren Mühe damit, ihr Land zu feiern. Aus Gründen. Aus verständlichen Gründen. Deshalb übernehme ich, Ausländer, diese Aufgabe! Zumindest die, die kulinarische Brillanz Amerikas zu feiern.
Denn: Neulich unternahm ich in den USA da so eine Art Reise – und ich schrieb ja ein Stück dazu oh stop showing off, Baroni:
Und ja – für Rock'n'Roll braucht es ordentlich Treibstoff. Nein, nicht das, was ihr jetzt denkt 🙄, sondern Nahrung. Kalorien, um den ausgeschwitzten, ermüdeten Körper wieder zu stärken, Leute. Und wisst ihr was? Mühelos konnten wir drei Wochen lang sämtliche Fastfood-Ketten vermeiden und stattdessen ausschliesslich grossartiges Essen finden. Und nirgends ein Hamburger oder Hotdog in Sicht.
Meine Favoriten:
Womit wir gleich beim wichtigsten Punkt wären: Wie ziemlich überall auf der Welt, ist die US-Küche von Immigranten jeglicher Couleur geprägt. Zum Glück! Beweisstück 1: Ich weiss nicht einmal wo genau das war, denn es war während einer der längeren Fahrstrecken. Jedenfalls waren es immer wieder die kleinen mexikanischen Streetfood-Stände, die das frischeste, schmackhafteste Essen servierten. Hier gab es Tacos – con carne asada (Rindfleisch) und carnitas (Schweinefleisch), mit superfrischem Salat, pico de gallo und Avocadostücken – und Jarritos, selbstredend!
Und das waren die besten Tacos der Welt. Okay, wohl nicht zuletzt wegen der Tatsache, dass ich das Nachtessen ausgelassen hatte und folglich nach getaner Arbeit unter einem Hungerrast litt. Dennoch bin ich bin überzeugt: Selbst ohne rosa Brille sind diese Tacos ($1.50 das Stück, übrigens) schlicht unglaublich. ¡El sabor, amigos, el sabor! Ich musste es nachträglich recherchieren, hab's aber gefunden: El Paraiso, hiess dieser Food Truck, gleich neben dem Dante's Club in Portland. Auschecken!
Tja. Portland Oregon. Hipster Central. Wo es vegane Supermarkets am Laufmeter gibt. Wo sich Millennials vor der «Keep Portland Weird»-Wand instagrammen. Wo es etwas namens «Voodoo Donuts» gibt. Wo man Kassenzetteli wie die hier bekommt:
Hipsterhochburg hin oder her – vielleicht eben deshalb ist das Essen dort wunderbar. Und etwas vom Besten war das hier:
Hier trifft Bibimbap, jenes koreanische Urgestein, das mit Reis oder Nudeln und verschiedenen Gemüsesorten zubereitet wird, auf bestes Smokehouse-Fleisch und -Fisch amerikanischer Tradition. Man kann auswählen zwischen Galbi Beef Short Rib, Oregon Salmon, Oyster Mushroom, Pork Gochujang, Honey Gochujang Chicken, Spare Ribs Gochujang oder Galbi Tofu, dazu kommt bei Bedarf noch ein Spiegelei. Dazu ein Bloody Mary und du bist glücklich, nur noch glücklich.
Deli, Bäckerei und Restaurant in einem, Canter's on Fairfax ist eine Institution in Los Angeles seit 1931. Zahllose Film- und Rock-Grössen zählten und zählen zur Kundschaft – wohl nicht zuletzt weil es ein 24-Stunden-Betrieb ist (auch wieder ein sehr angenehmer Aspekt der USA, jene 24-Stunden-Service-Kultur). Nun mag es etwas schräg sein, dass ich, Europäer, in einem jüdischen Restaurant ausgerechnet einen mexikanischen Frühstücksklassiker bestellte (etwas, das auch der Kellner mit einem Lachen anmerkte), doch es lohnte sich. Von den gefühlt 50 huevos rancheros, die ich in den USA essen durfte, waren die von Canter's die besten.
Als wir zufällig in Seattle ein indisches Restaurant entdeckten, setzte sich das britische Kontingent der Tourgruppe durch: Ein Curry musste her. Letzterer war (wie leider oft in den USA) an sich ganz okay, aber letztlich etwas runtergeschraubt, um den amerikanischen Gaumen nicht arg zu überstrapazieren. Aber: Der Zufall wollte es, dass sich unser Hotel gleich neben einem weiteren indischen Restaurant befand. Chili Paneer zum Frühstück? Weshalb nicht? Es lohnte sich! Start your day with a kick!
The Cracked Crab hiess das Etablissement im malerischen Pismo Beach, das sich auf Fisch und anderes Meeresgetier spezialisiert hatte. Bei meiner Wahl musste aber nichts ge-cracked werden, handelt es sich ja beim soft shell crab – Butterkrebs – um Tiere, die sich erst kürzlich gehäutet haben und deren kutikuläre Aussenskelett in dieser Phase noch sehr dünn ist. Paniert und frittiert und mit einer feinen Sauce lässt es sich wunderbar in einem Sandwich geniessen.
Ein Südstaaten-Klassiker, aber im Westen gegessen: Falls es euch mal in die Gambling-Stadt Reno verschlägt, geht mal ins Homegrown Gastropub (bevor ihr alles Geld verspielt habt). Southern fried chicken – fein! Waffles with maple syrup – fein! Beides zusammen? Ungewöhnliche Kombo, funktioniert aber!
Apropos Südstaaten:
Da sitzt man also im im legendären Robert's Western World am Broadway in Nashville, trinkt Bier, hört Countrymusik, ... als man «frittierte Essiggurken-Spähne» auf der Barkarte entdeckt. Keine Frage: Muss ich probieren!
Auf Empfehlung eines Ortsansässigen suchte ich die Panxa Cochina auf, die sich der Küche Neumexikos und Arizonas verschrieben hat. Angeblich soll man in dieser Kochtradition einen nordafrikanischen Einfluss erkennen können, der auf französische-algerische Kolonialtruppen zurückgehen soll, die in der Gegend sesshaft wurden. Naja, anhand der Menukarte lässt sich diese These nicht zwingend erhärten, doch diese herzhafte Suppe mit Kichererbsen und langsam geschmortem Rindfleisch war schlicht unglaublich.
Sieht nicht besonders aus, stimmt. Lasst euch davon aber nicht abschrecken. Wenn man schon in den Südstaaten ist, muss man Grits essen. Und zum Frühstück im traditionsreichen Elliston Place Soda Shop in Nashville erst recht. Wie bitte? Grits kennt ihr nicht? Okay, abgekürzt erklärt, ist es ziemlich das Gleiche wie die italienische polenta bianca (die aus weissem Mais). Man tut noch etwas Butter und scharfe Sauce dazu und fragt sich danach, weshalb man nicht öfters sowas kocht.
Es hat seinen Grund, weshalb in dieser Auflistung überdurchschnittlich viele Frühstücksgerichte auftauchen: Breakfast in America ist in der Regel grossartig. Und diese testosteronansprechende Kreation aus Eiern, Speck, Wurst, Bratkartoffeln und Käse war eines vom Besten.
The Attic in Long Beach zählt zu meinen absoluten Lieblingsrestaurants. Ein Obligatorium, wenn ich in der Gegend bin. Die dortige Hausspezialität: Das Ding hier. Ja, das ist Mac'n'Cheese mit zerbrösmelten Flamin' Hot Cheetos (scharfes Snack-Knabberzeugs). Nach gängigen Regeln sollte der Italiener in mir angewidert die Flucht ergreifen, ... und doch muss ich feststellen: Dieses Gericht funktioniert. Irrsinnig gut, sogar. Leute, ich werde dies demnächst nach zu kochen versuchen!
Wünschen wir also allen netten Menschen der USA – ganz besonders den Einwandern, denen die USA ihre vielfältige, grossartige Küche verdanken –, einen frohen Unabhängigkeitstag. Und eine baldige Genesung von jenem, orangen Furunkel, der ihren schönen Körper verunstaltet! Happy Birthday, USA!