Miranda July ist ein Star in den USA. Die Autorin gilt als Galionsfigur einer neuen Generation von Feministinnen, als Ikone hipper junger Bildungsbürger. Und sie ist verliebt in Rihanna.
Miranda July traf die 28-jährige Sängerin letztes Jahr in einem In-Restaurant in Los Angeles, um für eine Beilage der «New York Times» ein Porträt über Rihanna zu schreiben. Sie sprach mit ihr über Vaginen, Rassismus und Instagram. Und am Ende war Miranda July noch verliebter.
Wenn die berühmteste Zeitung der Welt eine berühmte Autorin beauftragt, sich einer Berühmtheit anzunähern – dann muss Rihanna etwas Besonderes sein.
Der Schriftsteller Foster Wallace hatte für die «New York Times» einst Roger Federer als «religiöse Erfahrung» in einem Essay verewigt. Aber wie sich Miranda July letztes Jahr in der «New York Times» öffentlich verguckte, das war einzigartig.
Das mag damit zusammenhängen, dass die Welt zwar reich an Pop-Stars ist, aber arm an kompromisslosen Figuren wie Rihanna. Bei ihr trifft sich für einmal der Geschmack der Inteligenzija mit dem Geschmack der Masse. 191 Millionen verkaufte Tonträger und trotzdem geliebt vom Feuilleton.
2004 deutete wenig darauf hin, dass Rihanna einst zu einem Vorbild für Feministinnen werden würde. Mit 16 Jahren zog die auf der karibischen Insel Barbados aufgewachsene Robyn Rihanna Fenty mit ihrer Mutter nach New York.
Ziel: Star werden. Sie begann ihre Karriere mit diesem gesichtslosen, gebleichten Nuller-Jahre-R-’n’-B, gewürzt mit einer Prise karibischer Exotik und einigen gut verdaulichen Dancehall-Stücken.
Rihanna brachte schon als 16-jährige Jugendliche alles mit: tolle Stimme, aussergewöhnliches Aussehen, unbändiger Ehrgeiz. Aber wäre da nicht schon in der ersten Hit-Single «Pon de Replay» dieser unverkennbare Trotz in Rihannas Stimme hörbar gewesen, sie wäre nicht gross aufgefallen unter all den Katy Perrys, Britney Spears’ und Christina Aguileras. Sie war ein gewöhnliches Hit-Produkt.
Erstaunlich an Rihanna ist nicht, dass sie zu Beginn ihrer Karriere Erfolg hatte. Aussergewöhnlich ist, dass Rihanna immer noch Erfolg hat. Das hat damit zu tun, dass sie sich irgendwann nach ihren ersten grossen, aber braven Welthits entschied, ihre Trotzigkeit nicht mehr zu unterdrücken.
Heute gibt es global keinen Pop-Star, dem Konventionen scheissegaler sind, als Rihanna. 42,5 Millionen Menschen sehen der kiffenden, nippelgepiercten Frau auf dem sozialen Netzwerk Instagram dabei zu, wie sie nicht einmal den Ansatz eines Versuchs macht, ihr Selbstbewusstsein in Nettigkeiten zu verpacken. Im Vergleich zu Beyoncé, Lady Gaga oder Madonna spiele Rihanna keine Rolle, sagt Miranda July.
Rihanna ist keine Performance. Sie ist die junge Frau, die ihre Sexualität als Offensiv-Waffe einsetzt. Und dafür Applaus von Frauenrechtlerinnen erhält: «Für schwarze Frauen, deren Körper historisch unter Aberkennung ihrer Menschlichkeit dem gewaltsamen sexuellen Missbrauch dienten, ist eine Wiedererlangung ihrer eigenen Sexualität ein revolutionärer Akt», wird die schwarze Feministin Cate Young im «Spiegel» zitiert.
Rihanna äussert sich heute auch immer wieder kontrovers zum Thema Rassismus. Zu Miranda July sagt Rihanna einst, jeder sei einverstanden mit einer jungen, schwarzen Frau, die singe, tanze, Party mache und gut aussehe. «Aber wenn es um Business geht, dann wird eine schwarze Frau plötzlich auf Ihr Schwarzsein aufmerksam gemacht.»
Musikalisch hat sich Rihanna mit ihrem letzten Album «Anti» eigentlich aus dem Mainstream verabschiedet. Nichts erinnert mehr an die austauschbare Stangen-Musik aus der Anfangszeit. «Anti» ist eine avantgardistische Produktion, die sich kaum noch in ein Genre einordnen lässt.
Rihannas rohe Direktheit passt perfekt in die heutige Zeit. Im Videoclip zu ihrer Single «Bitch better have my money» – was sinngemäss «Schlampe, rück mein Stutz raus» heisst – entführt sie zusammen mit einer ethnisch bunt zusammengewürfelten Frauen-Bande eine sehr weisse, sehr reiche, sehr blonde Dame.
Der Clip ist ein audio-visuelles Statement – und sorgte prompt für einen Skandal. In einer Szene lässt Rihanna die entführte weisse Dame gefesselt von der Decke hängen. Frauenfeindlich!, schrien die Kritiker. Insbesondere in Kombination mit dem Titel: «Bitch better have my money».
Nur: Die Kritiker sahen den Clip wohl nie bis zum Schluss. Rihanna schliesst sich darin am Ende mit der entführten Blondine zusammen und rächt sich blutig an ihrem Mann. Oder wie Rihanna es ausdrückt. «Ich verstehe die Aufregung nicht. Die Schlampe ist der Mann.»
Rihanna tritt heute Abend ab 18 Uhr im Stadion Letzigrund in Zürich auf.