Es war die absolute Traumsaison, die Granit Xhaka mit Leverkusen spielte. Das lange als Vizekusen belächelte Team pflügte durch die Bundesliga, verlor keine einzige Partie und wurde erstmals in der Vereinsgeschichte Meister. Dazu kam auch noch der Gewinn des DFB-Pokals. Diese Euphorie konnte selbst die deutliche Final-Niederlage in der Europa League gegen Atalanta Bergamo nicht dämpfen.
Xhaka war bei diesem Triumphzug in erster Reihe dabei. Als Taktgeber im Mittelfeld, als Dreh- und Angelpunkt im Passspiel und dank seiner Erfahrung und Mentalität auch als Anführer. Der 31-Jährige war im Team von Xabi Alonso eine der wichtigsten Figuren. Jetzt gilt es aber, diese Saison zu bestätigen. Für Granit Xhaka und für Leverkusen.
Einfach wird dies nicht. Das ist auch dem Schweizer Nati-Captain bewusst: «Wir wissen, dass die Erwartungen viel höher sein werden als letzte Saison.» Die Erfolgsserie mit 51 Spielen ohne Niederlage bedeutet nun nichts mehr, wie Xhaka weiss: «Wir hatten eine tolle letzte Saison. Aber das ist vorbei.» Ein erster Erfolg ist den Leverkusenern aber schon gelungen – und damit ist nicht der Sieg nach Penaltyschiessen im sportlich bedeutungslosen Supercup gegen Stuttgart gemeint.
Die Verantwortlichen um Sport-Geschäftsführer Simon Rolfes konnten nämlich alle Leistungsträger und auch Trainer Alonso trotz grossen Interesses von internationalen Topklubs halten. So galt der 42-jährige Baske bei Bayern München und in Liverpool als Wunschkandidat. Er entschied sich jedoch, mindestens ein weiteres Jahr bei der Werkself zu bleiben. «Trotz der Angebote ist er bei uns geblieben und glaubt daran, dass dieses Team den nächsten Schritt machen kann», sagt Xhaka über den Verbleib von Xabi Alonso. Auch der heiss begehrte Jungstar Florian Wirtz entschied sich gegen einen Weggang.
Leverkusen hat also alle Voraussetzungen geschaffen, um den Titel zu verteidigen und dieses Mal auch in der Champions League anzugreifen. Mit Offensivspieler Martin Terrier von Rennes und Gironas Aleix Garcia fürs zentrale Mittelfeld konnte für zusätzliche Breite gesorgt und der Konkurrenzkampf weiter angeheizt werden. Xhaka muss sich trotz der Neuverpflichtungen aber wohl kaum Sorgen um seinen Stammplatz machen.
Vielmehr darf der Sechser in der am heutigen Freitagabend mit dem Spiel in Mönchengladbach (20.30 Uhr) beginnenden Saison noch mehr Verantwortung übernehmen. So werde Xhaka die Rolle des Spielers, der nach der «Captain only»-Regel mit dem Schiedsrichter diskutieren darf, übernehmen. Er vertritt damit Captain und Goalie Lukas Hradecky.
In einer neuen Rolle befindet sich nach elf Jahren der FC Bayern München. Der deutsche Rekordmeister ist nämlich erstmals seit der Saison 2012/13 Herausforderer. Selbstverständlich wurde nach dem titellosen Jahr auf dem Transfermarkt ordentlich geklotzt. Für je knapp über 50 Millionen Euro kamen Flügelspieler Michael Olise und Sechser João Palhinha – der einstige Wunschspieler von Ex-Trainer Thomas Tuchel. Ausserdem wurde Innenverteidiger Hiroki Ito für knapp 25 Millionen Euro von Konkurrent Stuttgart losgeeist, der Japaner wird die ersten Monate der Saison aufgrund eines Mittelfussbruchs aber fehlen.
Nichtsdestotrotz haben die Münchner auch nach dem Abgang von Matthijs de Ligt ein hervorragendes Kader. Und in Vincent Kompany einen neuen Trainer. Obwohl der 38-jährige Belgier nach Namen wie Xabi Alonso, Julian Nagelsmann, Ralf Rangnick oder Oliver Glasner nicht erste Wahl war, verspricht sich die sportliche Führung um Max Eberl und Christoph Freund einiges von dem erfolgreichen Profi mit einer noch jungen Trainerkarriere.
Eine der wichtigsten Aufgaben für Kompany wird es nun sein, die schwächelnde Defensive zu festigen. Zu dieser wird nach der Verletzung von Rechtsverteidiger Josip Stanisic neben Min-jae Kim und Dayot Upamecano möglicherweise auch Joshua Kimmich wieder gehören. Der 29-jährige deutsche Nationalspieler hätte ursprünglich ins Mittelfeld zurückkehren sollen. Nur mit einem stabilen Abwehrverbund kann auch der Rest des Teams mit Stars wie Jamal Musiala, Leroy Sané und Harry Kane sein gesamtes Potenzial entfalten. Erstarken die Bayern unter Kompany wieder, können sich Bundesliga-Fans auf ein spannendes Titelrennen gefasst machen.
Aussenseiterchancen rechnet sich auch Borussia Dortmund um den Schweizer Goalie Gregor Kobel aus. Beim BVB fand ein noch grösserer Umbruch statt als in München. So verabschiedeten sich nach dem verlorenen Champions-League-Final nicht nur die Legenden Marco Reus und Mats Hummels aus Dortmund, sondern trat auch Trainer Edin Terzic ab. An der Seitenlinie steht nun Ex-Profi Nuri Sahin, der den Verein schon aus Aktivzeiten in- und auswendig kennt. Auf dem Platz kann der 35-Jährige neben den bewährten Kräften wie Nico Schlotterbeck oder Marcel Sabitzer auch auf viele Neuzugänge zählen.
So wurden unter anderem drei deutsche Nationalspieler verpflichtet: Innenverteidiger Waldemar Anton von Stuttgart, Mittelfeldspieler Pascal Gross aus Brighton und Stürmer Maximilian Beier von Hoffenheim. Letzterer kam als Reaktion auf den Abgang von Niclas Füllkrug. Der fühlte seinen Status als Stammspieler wiederum von einem anderen Transfer bedroht, von Serhou Guirassy. Der Guineer erzielte für Stuttgart im letzten Jahr 28 Tore in 28 Bundesliga-Spielen. Zu Beginn fällt der 28-Jährige aber noch aus. Mit Aussenverteidiger Yan Couto von Manchester City wurde ein weiterer interessanter Spieler – vorerst nur leihweise – verpflichtet.
Beim BVB ist also vieles neu. Jedoch hoffen die Dortmunder auch in diesem Jahr, dass Gregor Kobel wieder der beste Goalie der Bundesliga sein wird. Will Dortmund tatsächlich um Titel spielen, kommt der künftigen Nummer 1 im Schweizer Tor eine wichtige Rolle zu. Trotz der grossen Ambitionen von Sahin, Kobel und Co. ist aber auch die Qualifikation für die Champions League kein Selbstläufer.
Denn mit Leipzig und Stuttgart wollen zwei starke Teams ihre Plätze unter den Top 4 verteidigen. Anders als Bayern und Dortmund setzen die Sachsen auf Beständigkeit. Trainer Marco Rose soll seine erfolgreiche Arbeit in Leipzig fortsetzen, Shootingstar Xavi Simons, 10 Tore und 15 Assists in der Vorsaison, konnte für ein weiteres Jahr von PSG ausgeliehen werden, und auch Topskorer Loïs Openda (28 Tore, 7 Assists) geht weiterhin für die Ostdeutschen auf Torjagd. Einzig Europameister Dani Olmo konnte nicht gehalten werden, den Abgang des Spaniers soll das norwegische Toptalent Antonio Nusa von Brügge vergessen machen.
Stuttgart musste gezwungenermassen einen kleineren Umbruch über die Bühne bringen. Weil sich Bayern und Dortmund einige Leistungsträger des Überraschungs-Zweiten der letzten Saison unter den Nagel rissen. Immerhin konnte nach der abgelaufenen Leihe und langem Ringen Deniz Undav für die Rekordablöse von 26,7 Millionen Euro aus Brighton geholt werden. Er war mit 19 Toren und 10 Assists eine der grossen Figuren der letzten Saison und vor allem ein absoluter Sympathieträger und Fanliebling.
Die Lücke im Sturm in Form von Serhou Guirassy soll der aus Augsburg kommende Ex-St.Galler Ermedin Demirovic schliessen. Die Abgänge von Captain Anton und Ito in der Innenverteidigung soll neben dem aus Köln geholten Jeff Chabot auch der Schweizer Leonidas Stergiou vergessen machen. Der 22-jährige Nationalspieler wurde nach einer Saison auf Leihbasis und einer vielversprechenden Rückrunde fix vom FCSG übernommen. Mit Fabian Rieder stiess ausserdem ein weiterer EM-Teilnehmer zum Team von Erfolgstrainer Sebastian Hoeness. Der 22-Jährige kommt auf Leihbasis aus Rennes und soll im Mittelfeld für zusätzliche Breite sorgen. Beide Schweizer dürften wohl vorrangig als Ersatzspieler zum Einsatz kommen.
Eine weitere Saison auf diesem Niveau zu spielen, wird für den VfB Stuttgart eine riesige Herausforderung. Jedoch scheint zumindest ein erneuter Platz im Europacup wahrscheinlich. Zumal der Abstand in der letzten Saison auf Platz 8 31 Zähler betrug. Ohnehin setzte sich die Top 5 deutlich vom Rest der Liga ab. 16 Punkte hatte Dortmund am Ende mehr auf dem Konto als der Sechstplatzierte aus Frankfurt.
Bei der Eintracht ist mit Aurèle Amenda ein Jahr nach dem Abgang von Djibril Sow wieder ein Schweizer. Der Verteidiger von YB muss sich seinen Platz in der Viererkette von Trainer Dino Toppmöller aber erst einmal erkämpfen. Spannend wird bei den Frankfurtern vor allem die Entwicklung von Hugo Ekitiké zu beobachten sein. Die Erwartungen an den Ex-PSG-Stürmer sind ebenso gross wie sein Potenzial. Der Frankreich-Kameruner könnte im wohl erneut völlig offenen Kampf um die Europacup-Plätze Frankfurts grosser Trumpf sein.
In diesem will neben Hoffenheim, das kurz vor der Verpflichtung des einstigen YB-Juniors Haris Tabakovic von Hertha BSC steht, auch Wolfsburg mitmischen. Dort darf sich Cédric Zesiger unter Trainer Ralph Hasenhüttl Hoffnungen auf einen Stammplatz in der Dreierkette machen.
Zuzutrauen ist es neben Bremen auch den Mainzern, sich zumindest in der oberen Tabellenhälfte zu platzieren. Unter Ex-FCZ-Trainer Bo Henriksen gelang dem Klub nicht nur der Klassenerhalt, seit der Ankunft des Dänen elf Runden vor Schluss sammelte Mainz in der Bundesliga nämlich die fünftmeisten Punkte. Zwar dürfte der Abgang von Jungstar Brajan Gruda schmerzen, doch könnte Mainz durchaus zum Überraschungsteam werden. Wie gross die Rolle von Captain Silvan Widmer sein wird, ist schwer zu sagen. Unter Henriksen war der 31-Jährige nicht immer gesetzt. Noch verlassen könnte Mainz Edimilson Fernandes.
Ebenfalls vor einem Wechsel steht Ruben Vargas vom FC Augsburg. Wohin es den 26-Jährigen ziehen wird, ist noch unklar. Zuletzt wurde von Panathinaikos Athen als Interessent berichtet. Bei den bayrischen Schwaben spielte Vargas in der Vorbereitung kaum noch eine Rolle. Dem Elften der Vorsaison droht auch durch den Abgang von Stürmer Demirovic der Abstiegskampf. Zwar spielten sie unter Trainer Jess Thorup lange erfolgreich, verloren die letzten fünf Spiele der Vorsaison aber alle.
Fast unmöglich vorherzusagen sind die Saisons von Heidenheim und Freiburg. Der Aufsteiger schaffte es völlig überraschend in die Conference League und muss nach den Abgängen von Leistungsträgern wie Tim Kleindienst, Jan-Niklas Beste und Eren Dinkci nun gar um den Klassenerhalt fürchten. Trainer Frank Schmidt und seinem Heidenheim steht also nicht nur aufgrund der Dreifachbelastung viel Arbeit bevor.
Beim SC Freiburg ging mit dem Rücktritt von Christian Streich eine Ära zu Ende. Der Trainer prägte den Verein zwölf Jahre lang und machte nun Platz für Julian Schuster. Ob der Ex-Profi mit dem nahezu unveränderten Kader nahtlos an die erfolgreiche Zeit unter Streich anschliessen kann, ist unklar. Mit den beiden 18-jährigen Bruno Ogbus und Johan Manzambi stiessen in diesem Sommer zwei Schweizer aus der Nachwuchsabteilung zu den Profis. Vor allem Innenverteidiger Ogbus, der am vergangenen Wochenende im DFB-Pokal in der Startformation stand, darf sich durchaus Hoffnungen auf einige Einsätze machen.
Auch beim neu von Ex-Mainz-Coach Bo Svensson trainierten Union Berlin und Borussia Mönchengladbach von Trainer Gerardo Seoane, Goalie Jonas Omlin und Verteidiger Nico Elvedi scheint zwischen einem Platz in der oberen Tabellenhälfte und dem Abstiegskampf alles möglich. Noch eine Saison wie im Vorjahr darf sich der Schweizer Coach aber kaum erlauben. Zumal mit Tim Kleindienst nun auch ein echter Torjäger im Team des Vorjahres-14. ist.
Ziemlich sicher im Abstiegskampf wird sich Noah Loosli mit dem VfL Bochum befinden. Dabei dürfte der 27-jährige Innenverteidiger nach dem Abgang von Keven Schlotterbeck häufiger zum Einsatz kommen. Für den Klub aus dem Ruhrgebiet wird es unter dem neuen vom FCSG gekommenen Trainer Peter Zeidler vor allem darum gehen, die beiden Aufsteiger St.Pauli und Kiel hinter sich zu lassen.
Die Hamburger setzen nach dem Abgang von Aufstiegstrainer Fabian Hürzeler, dessen Vater aus der Schweiz stammt, auf Alexander Blessin. Der Ex-Trainer von Royale Union Saint-Gilloise soll Hürzelers modernen und auf Offensivfussball ausgelegten Spielstil fortsetzen. In Kiel setzen sie derweil mit wenigen Ausnahmen auf die Aufstiegshelden. Besonders im Fall der Holsteiner wäre alles andere als der direkte Abstieg in der ersten Bundesliga-Saison überhaupt eine riesige Überraschung.