Die Dekarbonisierung der Gesellschaft ist die wohl bedeutendste Aufgabe in diesem Jahrhundert. Das hat sich mittlerweile auch in Kreisen der Wirtschaft herumgesprochen. Folgerichtig hat der wirtschaftsnahe Thinktank Avenir Suisse zusammen mit der Eidgenössischen Materialprüfungsanstalt Empa ein Studie erarbeitet, die Auskunft darüber gibt, wie der CO2-Ausstoss des Verkehrs mit nachhaltigen Antriebskonzepten auf Null reduziert werden kann.
Der Schweizer Energiemix ist derzeit noch ausgesprochen öl- und gaslastig. Rund 64 Prozent unseres Energieverbrauchs stammt aus fossilen Energieträgern, rund 8 Prozent aus Kernkraft. Weil die Atomkraftwerke abgeschaltet werden und weil wir spätesten 2050 kein CO2 mehr in die Luft blasen dürfen, bedeutet dies nach Adam Riese, «dass wir für 72 Prozent der heutigen Energieversorgung neue Lösungen finden müssen», wie es Peter Richner von der Empa vorrechnet.
Die Aufgabe ist anspruchsvoll, aber machbar. Richner verweist auf die Periode zwischen 1945 und 1975. Damals mussten gleichzeitig ein um 600 Prozent gestiegener Energieverbrauch und eine Ablösung von Kohle und Holz bewältigt werden.
Elektrischer Strom lautet die Lösung. Doch damit dies auch klappt, müssen verschiedene Bedingungen erfüllt sein: Der Strom muss aus nachhaltigen Quellen (Sonne, Wind) stammen; das Stromnetz muss intelligent genug sein, um die damit verbundenen Unregelmässigkeiten auszugleichen – und der Strom muss gespeichert werden können.
Punkto Solar- und Windstrom steht die Schweiz derzeit noch lausig da. Während in Deutschland bereits 33 Prozent des Stroms aus diesen Quellen stammt, sind es bei uns gerade mal 3,2 Prozent. Der Ausbau vor allem der Photovoltaik – für Windenergie ist unser Land weniger geeignet – ist daher dringend notwendig. Denn wie Richner erklärt:
Angenommen wir haben dereinst genügend Strom aus nachhaltigen Quellen: Wie soll er nun im Verkehr eingesetzt werden? Für Elektroautos oder für Wasserstoff oder für synthetische Treibstoffe? Darüber tobt ein eigentlicher Glaubenskrieg. Ein sinnloser, wie Christian Bach von der Empa findet, denn:
Konkret bedeutet dies etwa: Wenn im Sommer ein massiver Überschuss an Solarstrom vorhanden ist, macht es Sinn, damit Wasserstoff zu produzieren, obwohl die Energiebilanz von Wasserstoff suboptimal ist.
Das trifft teilweise auch auf die synthetischen Treibstoffe zu, die auch Syn-Fuels genannt werden. Dazu gehört beispielsweise Methanol, für dessen Herstellung ebenfalls viel Strom benötigt wird.
Die Syn-Fuels können den fossilen Treibstoffen beigemischt werden. Sie sind daher ideal geeignet für einen sanften Übergang. Ihr Nachteil: Ein Liter kostet heute noch zwischen 7 und 8 Franken. Und nachhaltig sind Syn-Fuels nur, wenn sie nicht – wie bisher – grösstenteils aus Erdgas hergestellt werden, sondern aus CO2, das aus der Luft wiedergewonnen wird.
Was bedeutet dies nun für die Autos der Zukunft? Im Personenverkehr werden sich wohl die Elektroautos durchsetzen. Morten Hannesbo, CEO des Autoimporteurs Amag (VW, Audi, etc.), rechnet mit einem Durchbruch des Elektroautos in «drei bis vier Jahren»:
Die Zukunft bei den Lastwagen dürfte hingegen den mit Wasserstoff betriebenen Brennstoffzellenfahrzeugen gehören. Anders als die Personenwagen brauchen sie kein dicht gewobenes Tankstellennetz.
Die Syn-Fuels schliesslich brauchen ein bisschen staatliche Unterstützung. Nur so können sie ihren Preisnachteil wettmachen. Bach schlägt daher vor, «auf fossilen Treibstoffen eine Umlage zu erheben. Konkret würden damit fossile Treibstoffe verteuert, um synthetische Treibstoffe zu verbilligen.»
Grundsätzlich haben alle drei Technologien ihre Berechtigung. Deshalb macht es keinen Sinn, sie mit geradezu sektiererischem Eifer gegeneinander auszuspielen.