Die Entscheidung ist gefallen: Die Bundesregierung gibt dem Wunsch der Türkei statt, ein gesondertes Strafverfahren gegen den Satiriker Jan Böhmermann wegen Beleidigung des türkischen Staatschefs Recep Tayyip Erdogan anzuordnen. Das teilte Kanzlerin Angela Merkel am Mittag in einer Erklärung mit.
Grundlage für die Entscheidung ist Paragraf 103 des Strafgesetzbuchs (StGB). Wer einen ausländischen Staatschef beleidigt, muss demnach mit bis zu drei Jahren Haft oder einer Geldstrafe rechnen. Ist Verleumdung im Spiel, drohen sogar bis zu fünf Jahre Freiheitsentzug.
Merkel teilte jedoch auch mit, dass dieser Paragraf bis 2018 abgeschafft wird.
§ 103 Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten
(1) Wer ein ausländisches Staatsoberhaupt oder wer mit Beziehung auf ihre Stellung ein Mitglied einer ausländischen Regierung, das sich in amtlicher Eigenschaft im Inland aufhält, oder einen im Bundesgebiet beglaubigten Leiter einer ausländischen diplomatischen Vertretung beleidigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe, im Falle der verleumderischen Beleidigung mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. (2) Ist die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen, so ist § 200 anzuwenden. Den Antrag auf Bekanntgabe der Verurteilung kann auch der Staatsanwalt stellen.
Merkel: «Ermächtigung keine Vorverurteilung»
«Im Rechtsstaat ist es nicht Sache der Regierung, sondern von Staatsanwaltschaften und Gerichten, das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und andere Belange gegen die Presse- und Kunstfreiheit abzuwägen», sagte Merkel. In Deutschland solle nicht die Regierung, sondern die Justiz «das letzte Wort» haben. Die Ermächtigung stelle keine Vorverurteilung des Böhmermann dar.
Forderte eine Strafuntersuchung gegen Satiriker Jan Böhmermann: Recep Tayyip Erdogan. Bild: AP/Pool Anadolu Agency
Grundlage für die Entscheidung ist Paragraf 103 des Strafgesetzbuchs (StGB). Wer einen ausländischen Staatschef beleidigt, muss demnach mit bis zu drei Jahren Haft oder einer Geldstrafe rechnen. Ist Verleumdung im Spiel, drohen sogar bis zu fünf Jahre Freiheitsentzug. Merkel teilte jedoch auch mit, dass dieser Paragraf bis 2018 abgeschafft wird. Er sei «für die Zukunft entbehrlich».
«Ich halte die Entscheidung für falsch.»
Thomas Oppermann, SPD-Fraktionschef
Uneinigkeit in der Koalition
Merkel bestätigte, dass es vor der Entscheidung in der Koalition Uneinigkeit gegeben habe. Das hatte zuvor auch bereits der SPIEGEL berichtet: Insbesondere das Kanzleramt und das Auswärtige Amt hätten sich in den vergangenen Tagen nicht auf eine gemeinsame Linie zu dem Begehren der türkischen Regierung einigen können. Es habe «unterschiedliche Auffassungen zwischen Union und SPD» zu dem Verlangen der türkischen Regierung gegeben, sagte Merkel.
Unmittelbar nach Merkels Erklärung kritisierte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann die Entscheidung. «Ich halte die Entscheidung für falsch», teilte er über den Kurzmitteilungsdienst Twitter mit. «Strafverfolgung von Satire wegen ‹Majestätsbeleidigung› passt nicht in moderne Demokratie.»
Ich halte die Entscheidung für falsch. Strafverfolgung von Satire wg "Majestätsbeleidigung" passt nicht in moderne Demokratie.@janboehm
Merkel pochte in ihrer Erklärung auf das Grundrecht der Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit und forderte dies auch von der Türkei ein. «Im Rechtsstaat ist die Justiz unabhängig. ... In ihm gilt die Unschuldsvermutung.»