Johannes Paul I. war ein glückloser Papst. Kurz nach seinem Amtsantritt am 28. September 1978 verstarb er im Alter von 65 Jahren auf unerklärliche Weise. Sein Pontifikat dauerte gerade mal 33 Tage. Kein Wunder, schossen die Spekulationen um seinen Tod ins Kraut, denn die Todesursache wurde nie geklärt. Der Grund: Sowohl die Kurie als auch seine Familie lehnten eine Obduktion ab.
Sein überraschendes Ableben bleibt also ein Rätsel. Viele Beobachter wollten nicht glauben, dass Johannes Paul I. eines natürlichen Todes gestorben war, weshalb bald Verschwörungstheorien kursierten. Vor allem auch, weil der «Neue» ein unbequemer Oberhirte war, der den Personenkult und die Huldigungsrituale nicht mochte und im Vatikan für Aufruhr gesorgt hatte.
Mysteriöse Todesumstände hin oder her: Der ehemalige Papst wurde am vergangenen Sonntag seliggesprochen. Und der Himmel schickte prompt ein Zeichen. Als am Petersdom sein Porträt enthüllt wurde, ging ein Gewitter über dem Vatikan nieder.
Die Prozedur der Selig- und Heiligsprechung in der katholischen Kirche mutet eigenartig an. Den Geehrten nützt es im religiösen Sinn wenig. Wenn sie so «rein» sind, wie dies die zuständigen Entscheidungsgremien dokumentiert haben, sitzen sie eh schon «zur Rechten Gottes». Und ob ihnen die zusätzliche Aufmerksamkeit und Verehrung durch die Gläubigen posthum viel bringt, ist fraglich.
Von den feierlichen Zeremonien profitiert aber die katholische Kirche als Veranstalterin selbst. Sie sind eine effiziente PR-Aktion und ein einträgliches Geschäft. Die Gesuchsteller müssen im Durchschnitt rund 250'000 Euro für die Bewilligungen, Prüfungen und Gutachten aufbringen.
Es stellen sich auch grundsätzliche Fragen. Was bringt eine Kirche dazu, Verstorbene als heilig oder selig zu verehren? Ist das nicht eine religiöse Anmassung von den Kirchenführern?
Die Seligsprechung ist nicht in der DNA der katholischen Kirche verankert. In der Bibel steht nichts davon. Es gab damals auch keine Päpste.
Speziell ist auch das Prozedere. Es geht bei der Heiligsprechung unter anderem um die «seligmachende Gottesschau». Danach dürfen die «Heiligen» von den Gläubigen offiziell verehrt werden. Das erinnert an die Hunderte von Göttern im Hinduismus, die in den Tempeln angebetet werden. Die Geheiligten dienen vielen Katholiken als Identifikationsfiguren und fördern die Bindung an die Kirche.
Kurios ist besonders eine Bedingung. Wer selig gesprochen werden möchte, muss ein Märtyrer sein oder ein anerkanntes Wunder vollbracht haben. Es ist halbwegs nachvollziehbar, dass das Märtyrertum bei der Einführung der Seligsprechung vor rund 1000 Jahren ein Kriterium war, doch heute schaffen es hochrangige Geistliche kaum mehr in den Status eines Märtyrers. Somit bleibt für die Kandidaten nur noch der Nachweis eines Wunders.
Auch da wird's schwierig. Päpste sind schliesslich keine Wunder- oder Geistheiler. Also braucht es für die Prüfgremien viel Fantasie, um ein medizinisches Wunder in der Biografie der Kandidaten ausfindig zu machen, das dem Anspruch der wissenschaftlichen Überprüfung genügt.
Bei Papst Johannes Paul I. mussten die Gesuchsteller tief in die Trickkiste greifen, um das Wunder zu beschaffen. Sie fanden ein zehnjähriges Mädchen, das angeblich unheilbar krank war. Nachdem ein Priester zum verstorbenen Papst gebetet hatte, soll das Kind gesund geworden sein. Das «Wunder» ereignete sich also nicht zu Lebzeiten von Johannes Paul I. Papst Franziskus akzeptierte es vor einem Jahr und ebnete den Weg für den früh verstorbenen Kollegen.
Ob alle geehrten Gläubigen tatsächlich selig oder heilig waren, kann bezweifelt werden. So findet sich unter ihnen etwa Mutter Teresa, die umstrittene Ikone der katholischen Kirche und Urmutter aller Seligen und Heiligen.
In Wirklichkeit war sie eine herrschsüchtige, unbarmherzige Nonne, die die alten Leute in ihren Armen- und Krankenhäusern in Erinnerung an Jesus leiden liess. Statt die Millionenspenden für sie einzusetzen, hortete sie den Geldsegen. Die Kurie wusste es, doch sie benutzte Mutter Teresa als Vorzeige-Heilige und extrem wirksames PR-Instrument.
Da ist weiter der heiliggesprochene Josemaria Escriva, der Gründer der umstrittenen Personalprälatur Opus Dei, der den spanischen Diktator Franco bewunderte und den Sturz des chilenischen Präsidenten Allende durch Pinochet begrüsste.
Die katholische Kirche kümmert es nicht. Sie hält wie bei anderen fragwürdigen Dogmen stur am Anachronismus fest. Es soll weiterhin so sein, wie es immer war – wenn es nach dem Willen der alten Garde im Vatikan geht.