Religionen stellen sich gern als Hüter von Moral und Ethik dar. Die meisten erheben den Anspruch, friedensstiftend zu sein. Auf viele Glaubensgemeinschaften in zivilisierten Ländern trifft dies mehr oder weniger zu. Gleichzeitig erleben wir aber immer wieder, dass der Glaube zu blindem Fanatismus führen kann.
Besonders anfällig für solche Radikalisierungen sind Politiker und Teile der Bevölkerung in islamischen Ländern, wie aktuelle Ereignisse demonstrieren. Im Iran zum Beispiel wüten die Mullahs und unterdrücken die Frauen. Tragen diese in der Öffentlichkeit kein Kopftuch, droht ihnen eine Gefängnisstrafe.
Und in Afghanistan starteten die Taliban jetzt eine neue Offensive gegen aufmüpfige Bürgerinnen und Bürger, die sich gegen das Terrorregime auflehnen oder für Menschenrechte einstehen. Auch hier sind vorwiegend Frauen betroffen, die besonders unter der Unterdrückung leiden.
Diese Woche schliesslich eskalierte der religiöse Streit zwischen dem Irak und Schweden. Irakische Dissidenten bekamen in Stockholm die Bewilligung für eine Demonstration, bei der sie den Koran verbrennen wollten. Die religiösen irakischen Führer schäumten vor Wut, weil die schwedische Regierung die Protestaktion im Namen der Meinungsfreiheit zuliess.
Die islamistischen Diktaturen sind barbarisch und klar religiös motiviert. Ihre Führer benutzen religiöse Dogmen und Ideen, um das Volk zu knebeln und zu terrorisieren. Ihr Erfolg dabei dokumentiert, dass sich ein radikaler Glaube hervorragend eignet, die Leute zu radikalisieren. Schwingen sich Geistliche zu politischen Führern auf, potenziert sich die Gefahr.
Für viele Zeitgenossen in westlichen Ländern sind diese Entwicklungen in manchen islamischen Ländern der Beweis, dass der Koran die Gewalt legitimiert und somit ein destruktives Buch ist. Sie machen den islamischen Glauben für die politische Radikalisierung verantwortlich.
Diese Argumentation greift aber zu kurz. Zwar gibt es im Koran Gewaltverse, die es den Gläubigen erlauben, zu den Waffen zu greifen. Doch dies ist nur zur Verteidigung erlaubt und zum Schutz von Moscheen.
Der amerikanische Koranexperte Mustansir Mir von der Youngstown State Universtiy im Bundesstaat Ohio sagte es in einem Interview mit dem Deutschlandfunk so: «Erst nach der Errichtung eines unabhängigen muslimischen Stadtstaats in Medina 622 erhielten sie von Gott die Erlaubnis, sich mit Waffengewalt zu wehren.»
Das bedeutet nun erstens, die Berechtigung zum Kampf im Islam wurde grundsätzlich dazu erteilt, um sich gegen Aggressionen zu wehren. Zweitens, Muslime dürfen nur dann zurückschlagen, wenn sie als organisiertes politisches Gemeinwesen zusammenleben beziehungsweise als muslimischer Staat.
In der Gründerzeit des Islams wurden Mohammed und seine Anhänger angefeindet und verfolgt. Bei der Verteidigung mutierte der Prophet zum erfolgreichen Feldherrn. Es kam zu mehreren kriegerischen Auseinandersetzungen, die Allah laut Koran legitimiert haben soll.
Der Koran ruft ausserdem zu Gerechtigkeit und Gleichheit auf. Man kann dem Islam deshalb nicht pauschal vorwerfen, er sei eine gewalttätige Religion. Ausserdem enthält auch die Bibel viele Gewaltszenen.
Zurück in die Gegenwart. Die Ursache für die Unterdrückung der Bevölkerung – in erster Linie der Frauen – ist also nicht primär im Koran begründet, sondern muss primär bei den machthungrigen islamistischen Geistlichen gesucht werden. Sie benutzen den Glauben, um die Macht im Namen von Allah und Mohammed an sich zu reissen.
Dabei geben sie vor, die eigene Bevölkerung vor dem zerstörerischen Einfluss der dekadenten westlichen Zivilisation zu schützen. Ihr Einfluss reicht über die Moscheen bis zu den gläubigen Männern, die bei den Freitagsgebeten indoktriniert werden.
Auf diese Weise pervertieren die Mullahs den Glauben. Sie benutzen ihn hauptsächlich, um das Volk zu unterdrücken und ihre politische – also weltliche – Macht zu stärken. Es geht nicht darum, den Islam zu beschönigen. Er liefert das Fundament, auf dem die Auswüchse gründen.
Den Islam mit blinder Wut zu dämonisieren, wie dies bei uns viele tun, hilft uns nicht weiter. Deshalb schüttet die Koranverbrennung unnötig Öl ins Feuer und heizt den Konflikt weiter an.