Adventszeiten und Weihnachten sind Feste der Lichter und der Liebe. Wenn es kalt ist und früh dunkel wird, rücken wir näher zusammen und zünden Kerzen an. Trost bringt in der Winterzeit auch die Sonnenwende. Die Tage werden länger, die Temperaturen steigen bald wieder an.
Doch weshalb feiern wir Weihnachten am 25. Dezember? Eine Interpretation geht so: Im Mittelalter war der 25. Dezember der Tag der Sonnenwende, deshalb wurde der römische Sonnengott an diesem Tag gefeiert. Durch eine Reform des Kalendersystems im 16. Jahrhundert ergab sich eine Zeitverschiebung, weshalb nun die Sonnenwende auf den 21. Dezember fiel. Aus religiöser Sicht blieb aber der 25. Dezember der Feiertag. Gefeiert wurde in christlichen Gesellschaften nicht mehr der Sonnengott, sondern die Geburt von Jesus, erklären manche Historiker und Theologen.
Jesus löste quasi den Sonnengott ab. Vielleicht kein Zufall, denn auch Jesus bezeichnete sich als König. Oder als «König der Könige». Laut Bibel sagte er vor Pilatus: «Ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege.» (Mt 25,31–40). Und weiter: «Mein Königtum ist nicht von dieser Welt» (Joh 18,36–37).
Dass dieser König wie ein Sohn von Bettlern in einem Stall auf die Welt kam, wird heute als Symbol der Bescheidenheit und Demut gewertet. Für die Menschen von damals war das wohl kaum verständlich, denn sie sahen in Kaisern und Königen gottähnliche Wesen mit uneingeschränkter Autorität.
Hätte Jesus einen königlichen Eintritt ins irdische Leben zelebriert, wäre er als Religionsgründer erfolgreicher gewesen. Für das «gemeine Volk» vor 2000 Jahren war die Vorstellung undenkbar, dass ein König in einer Krippe zur Welt kommt. Deshalb war das PR-Konzept mit der Geburt im Stall suboptimal.
Weiter lehrt uns die Bibel, dass Jesus weder wie ein König lebte noch zu seiner Zeit wie ein König empfangen wurde. Seine Anhängerschaft blieb denn auch eher bescheiden. Als Wanderprediger blieb seine Reichweite gezwungenermassen beschränkt. Erstens war der Nahe Osten dünn besiedelt, zweitens waren die Transportmittel beschränkt und langsam.
Es bestehen deshalb erhebliche Zweifel, ob sich Jesus tatsächlich als König bezeichnete oder empfand. Viel wahrscheinlicher ist, dass ihm die Gläubigen in späteren Jahrzehnten oder Jahrhunderten den Titel «König» zudachten. Denn sie machten vermutlich bei ihren Missionsfeldzügen die schmerzliche Erfahrung, dass mit einem Wanderprediger kein Staat zu machen ist. Als «König der Könige» konnten sie hingegen die Aufmerksamkeit der Zuhörer eher gewinnen.
Wie auch immer: Die Vorstellung vom rebellischen Wanderprediger ist wesentlich sympathischer als vom «König der Könige». Doch wie lässt sich Spagat vom Prediger zum König in der Bibel erklären? Vielleicht so: Nicht nur das Alte, sondern auch das Neue Testament wurde aus vielen Schriften zusammengestückelt. Und zwar lang nach dem Tod von Jesus.
Doch die Unsicherheit über die Quellenlage ist kein Grund, das Fest der Lichter und der Liebe nicht zu feiern. Man darf sich aber fragen, wie viel Göttliches tatsächlich in der Bibel steckt. Und wie viel Menschliches, ja Allzumenschliches. Antworten von Gott dürfen wir nicht erwarten. Auch in der Adventszeit nicht.