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Die Geburt vom «König der Könige» lässt Zweifel an der Bibel aufkommen

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Die Geburt vom «König der Könige» in einer Krippe lässt Zweifel an der Bibel aufkommen

Jesus Christus ist in einer Krippe geboren, heisst es in der Bibel. Dass er trotzdem als König gefeiert wurde, ist für die damalige Zeit sehr unwahrscheinlich.
04.12.2021, 07:59
Hugo Stamm
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Jesus Christus
Jesus: König oder Prediger?Bild: Shutterstock

Adventszeiten und Weihnachten sind Feste der Lichter und der Liebe. Wenn es kalt ist und früh dunkel wird, rücken wir näher zusammen und zünden Kerzen an. Trost bringt in der Winterzeit auch die Sonnenwende. Die Tage werden länger, die Temperaturen steigen bald wieder an.

Doch weshalb feiern wir Weihnachten am 25. Dezember? Eine Interpretation geht so: Im Mittelalter war der 25. Dezember der Tag der Sonnenwende, deshalb wurde der römische Sonnengott an diesem Tag gefeiert. Durch eine Reform des Kalendersystems im 16. Jahrhundert ergab sich eine Zeitverschiebung, weshalb nun die Sonnenwende auf den 21. Dezember fiel. Aus religiöser Sicht blieb aber der 25. Dezember der Feiertag. Gefeiert wurde in christlichen Gesellschaften nicht mehr der Sonnengott, sondern die Geburt von Jesus, erklären manche Historiker und Theologen.

Jesus löste quasi den Sonnengott ab. Vielleicht kein Zufall, denn auch Jesus bezeichnete sich als König. Oder als «König der Könige». Laut Bibel sagte er vor Pilatus: «Ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege.» (Mt 25,31–40). Und weiter: «Mein Königtum ist nicht von dieser Welt» (Joh 18,36–37).

Dass dieser König wie ein Sohn von Bettlern in einem Stall auf die Welt kam, wird heute als Symbol der Bescheidenheit und Demut gewertet. Für die Menschen von damals war das wohl kaum verständlich, denn sie sahen in Kaisern und Königen gottähnliche Wesen mit uneingeschränkter Autorität.

Hätte Jesus einen königlichen Eintritt ins irdische Leben zelebriert, wäre er als Religionsgründer erfolgreicher gewesen. Für das «gemeine Volk» vor 2000 Jahren war die Vorstellung undenkbar, dass ein König in einer Krippe zur Welt kommt. Deshalb war das PR-Konzept mit der Geburt im Stall suboptimal.

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Weiter lehrt uns die Bibel, dass Jesus weder wie ein König lebte noch zu seiner Zeit wie ein König empfangen wurde. Seine Anhängerschaft blieb denn auch eher bescheiden. Als Wanderprediger blieb seine Reichweite gezwungenermassen beschränkt. Erstens war der Nahe Osten dünn besiedelt, zweitens waren die Transportmittel beschränkt und langsam.

Es bestehen deshalb erhebliche Zweifel, ob sich Jesus tatsächlich als König bezeichnete oder empfand. Viel wahrscheinlicher ist, dass ihm die Gläubigen in späteren Jahrzehnten oder Jahrhunderten den Titel «König» zudachten. Denn sie machten vermutlich bei ihren Missionsfeldzügen die schmerzliche Erfahrung, dass mit einem Wanderprediger kein Staat zu machen ist. Als «König der Könige» konnten sie hingegen die Aufmerksamkeit der Zuhörer eher gewinnen.

Wie auch immer: Die Vorstellung vom rebellischen Wanderprediger ist wesentlich sympathischer als vom «König der Könige». Doch wie lässt sich Spagat vom Prediger zum König in der Bibel erklären? Vielleicht so: Nicht nur das Alte, sondern auch das Neue Testament wurde aus vielen Schriften zusammengestückelt. Und zwar lang nach dem Tod von Jesus.

Doch die Unsicherheit über die Quellenlage ist kein Grund, das Fest der Lichter und der Liebe nicht zu feiern. Man darf sich aber fragen, wie viel Göttliches tatsächlich in der Bibel steckt. Und wie viel Menschliches, ja Allzumenschliches. Antworten von Gott dürfen wir nicht erwarten. Auch in der Adventszeit nicht.

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Bild: zvg
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Glaube, Gott oder Gesundbeter – nichts ist ihm heilig: Religions-Blogger und Sekten-Kenner Hugo Stamm befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
Mit seinem Blog bedient Hugo Stamm seit Jahren eine treue Leserschaft mit seinen kritischen Gedanken zu Religion und Seelenfängerei.

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986 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Phrosch
04.12.2021 09:07registriert Dezember 2015
Wo soll ich da anfangen. 🤔 Um dieses Thema zu erörtern, müsste man sich mit dem Judentum und der Bibel ziemlich detailliert befassen. So sahen Juden Könige gerade nicht als gottähnlich oder göttlich an, weil sie an den einen Gott glauben. Auch Jesus verstand sich nicht als göttlich im irdischen Sinn und sprach davon, dass sein Reich nicht von dieser Welt sei. Leider reicht der Platz hier nicht für eine detaillierte Antwort, drum lasse ich es.
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Milhouse
04.12.2021 14:56registriert Oktober 2017
"Jesus Christus ist in einer Krippe geboren, heisst es in der Bibel."
So steht das sicher nicht geschrieben. Jesus wurde in einem Stall geboren und in eine Krippe gelegt. Ich stelle mir gerade die hochschwangere Maria vor, die sich unter Wehen in eine Futterkrippe legt, um ein Kind zu gebären. Aber das nur so am Rande; hat nichts mit dem Artikel zu tun.
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Deutero Nussuf
04.12.2021 14:46registriert Januar 2016
HUgo
Stamm
Die "Interpretation" zum Datum des 25. Dezember ist ziemliches Chrüsimüsi.
Mal auseinanderklamüsern:
Zur Einführung des Jul. Kalenders war der 25. tatsächlich die Sonnenwende und später der Geburtstag des "Sol"
Weihnachten wurde dementsprechend übernommen, aber erst Jahrhunderte später (aber nicht erst im MA!), als die Sonnenwende bereits am 21. Dez war.
Ohne die gregorianische Kalenderreform wäre Weihnachten heute am 7. Januar, das Datum an dem orthodoxe Kirchen Weihnachten feiern. (Ostern ähnlich)
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Valentina statt Valentinstag
Ich hatte eigentlich ein Date ausgemacht. Aber dann kam es anders.

Es war ja Valentinstag. Nicht, dass ich mir etwas aus Valentinstagen mache. Aber, wir erinnern uns: Ich war mit dieser hübschen Yogafrau zum Baden verabredet, nicht so entspanntes Rumschwaddern im Spermabad, wir wissen alle, wo das ist, ich muss das hier nicht explizit erwähnen, aber wir wären ja (leider) eh nicht dorthin gegangen, sondern in den See. Knappe 6 Grad. Eisig kalt, aber vielleicht gerade deshalb ultra hot.

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