Das Unheil begann mit dem biblischen (An-)Spruch, wir Menschen seien die Krone der Schöpfung. Die Aussage klingt banal, vergiftete aber das Bewusstsein vieler Generationen. Sie bedeutet letztlich, dass sich das Universum um unseren Bauchnabel dreht.
Denn die biblische Grundhaltung macht uns weis, dass wir Menschen das Zentrum in den unendlichen Weiten des Universums seien. Und erst noch das Ebenbild Gottes. Was für eine Anmassung von uns zerbrechlichen Bewohnern auf unserem Miniplaneten!
Die Vorstellung von uns Menschen als Mittelpunkt des Kosmos kontrastiert mit der Vergänglichkeit des Lebens. Konkret: Von der Vorstellung des Todes. Unseres Todes. Was für eine narzisstischen Kränkung. Wir, die Lieblinge des einen Gottes oder der vielen Götter, wandeln für einen kurzen Moment auf der unendlichen Zeitachse des Universums, um so unspektakulär zu verschwinden wie wir gekommen sind.
Das lässt sich die Krone der Schöpfung nicht bieten. Sie kann zwar nicht leugnen, dass sie stirbt und zu Staub zerfällt, schliesslich erlebt sie den Zerfall am eigenen Leib und am Totenbett ihrer Angehörigen.
Aber schlau, wie der Mensch ist, hat er einen Ausweg gefunden. Man könnte es auch einen Trick nennen. Das Ende des Lebens ist nicht das Ende der Existenz. Es ist vielmehr der Anfang eines neuen, wunderbaren Kapitels, das ewig dauert. Glaubt er. Und wer hat es erfunden? Nein, nicht Ricola, sondern die Religionen, die Schöpfer von Himmel und Erde.
Damit sind wir bei der zentralen Frage angelangt: Wie glaubwürdig sind die religiösen und spirituellen Konzepte vom Leben nach dem Tod?
Kehren wir zurück zum Kosmos. Dieser funktioniert ausschliesslich nach den Gesetzen der Natur. Das Grundprinzip: Alles entsteht, und alles vergeht, wie es der deutsche Philosoph Franz Josef Wetz in der Sendung Kulturplatz (SRF) sagte. So entstand auch unser Planet vor etwa 4 Milliarden Jahren, und er wird wohl in ein paar Milliarden Jahren in den Weiten des Alls untergehen.
Da kommen wir Winzlinge des Universums und glauben, Gott habe die Naturgesetze eigens für uns ausgehebelt, um uns ein Leben nach dem Tod zu ermöglichen. Zugegeben, das Bewusstsein von der Endlichkeit des Lebens und der Tod sind eine unerträgliche Zumutung.
Man müsste Gott, falls es ihn gäbe, fragen, was er sich dabei gedacht hat, als er seiner Krone der Schöpfung das Leiden auferlegte. Die einzige vernünftige Antwort lautet deshalb: Auch unser Körper unterliegt gnadenlos den Naturgesetzen. Und die besagen nun mal, dass der Körper unwiderruflich zerfällt.
Auch wenn die Esoterik und manche Religionen die Natur verklären, muss man nüchtern feststellen, dass diese oft grausam ist. Oder zumindest sein kann.
Viele werden einwenden, dass wir Menschen nicht nur aus einem Körper bestehen, sondern auch von einem Geist beseelt sind. Einverstanden, doch dieser ist keine eigenständige Instanz und schon gar kein Organ.
Dieser Geist, von Religiösen auch als Seele verstanden, ist an den Körper gebunden, oder besser ans Gehirn, das primär unser Bewusstsein prägt. Es ist deshalb nur logisch, dass der Geist den Geist aufgibt, wenn der Körper zerfällt.
Eine trostlose Perspektive? Ja. Aber vor dem Tod haben wir dank unseres komplexen Hirns und Bewusstseins die Chance, ein erfülltes Leben auf einem in vielen Belangen wunderbaren Planeten zu geniessen. Und Sinn macht allein schon das Sein an sich, das geprägt ist von Liebe.
Gläubige werden einwenden, dass Religionen mit ihren Konzepten vom Leben nach dem Tod Trost und Halt vermitteln. Sicher. Nur ist dieser Glaube an das Wunder eines himmlischen Paradieses die Flucht in eine Scheinwelt.
Es ist auch eine Frage der Redlichkeit und Ehrlichkeit: Mich selbst in einer existentiellen Frage zu belügen, widerspricht meinem geistigen Entdeckerdrang. Ich möchte wissen, wie es wirklich ist und nicht Spielball meiner Ängste und Sehnsüchte werden. Auch wenn ich weiss, dass ich wenig weiss, will ich dieses Wenige mit offenem Visier ein wenig aufdröseln.
Im Theaterstück «Endspiel» schreibt Samuel Becket verzweifelt über Gott: «Der Lump! Er existiert nicht!» Was für den berühmten Schriftsteller bedeutete, dass es kein Leben nach dem Tod geben kann.
Wer in spirituellen und religiösen Fragen leichtgläubig ist und an ein Leben nach dem Tod glaubt, läuft Gefahr, auch im Alltag an unplausible Dinge zu glauben. Was dann wohl zum Aberglauben führt. Dieser wiederum kann das Leben arg behindern. Man denke nur an die abstrusen Ideen und Verschwörungsmythen der Coronaskeptiker und Impfgegner.
Sie setzen ihr Leben aufs Spiel, weil sie lieber ans Wunder der Unverletzlichkeit glauben als an die Naturgesetze. Viele scheinen auch zu vergessen, dass die Viren stärker sind als der Glaube an Gott oder das eigene Immunsystem. Und dass nach dem Tod die Würmer oder das Feuer ganze Arbeit leisten.