Welche Konsole ist besser: Playstation 5 oder Xbox Series X? Diese Frage hat in den vergangenen Monaten Millionen Spieler umgetrieben. Doch mittelfristig könnten nicht die Geräte, sondern die Strategien der beiden Konzerne ausschlaggebend dafür sein, für welches System man sich entscheidet. Und hier hat Microsoft seinen Ansatz im Vergleich zur letzten Konsolengeneration deutlich geändert, wie Jerret West, weltweiter Marketingchef von Xbox, und Florian Liewer, Leiter des Xbox-Geschäfts im deutschsprachigen Raum, im Gespräch mit wason-Medienpartner t-online erläutern. Doch kann das den grossen Vorsprung von Sony gefährden? Eine Analyse.
Eines ist klar: Microsofts Xbox-Plattform kommt nicht gerade mit Rückenwind aus dem Wettbewerb der vergangenen Konsolengenerationen. Sonys Playstation 4 liegt seit Jahren in der Gunst der Spieler vorn: Bis heute hat der Konzern laut dem Fachdienst VGChartz rund 114 Millionen Playstation-4-Konsolen verkauft, Microsoft im etwa selben Zeitraum nur 48 Millionen Xbox One. Der Konsolen-Krieg, wie der Wettbewerb zwischen den beiden Unternehmen gern auch genannt wurde, ging in der Full-HD-TV-Generation klar zugunsten von Sony aus. Und einiges spricht dafür, dass es sich auch bei den neuen Konsolen für 4K-Fernseher zunächst so entwickeln könnte.
In den ersten Monaten nach Verkaufsstart, das zeichnet sich bereits ab, dürfte Sony deutlich mehr Geräte absetzen als Microsoft. Zu Beginn kaufen vor allem echte Fans die neuen Konsolen. Davon gibt es im Falle der Playstation nicht nur deutlich mehr, laut einer Studie von BestSeoCompanies haben sie auch noch die höchste Markentreue aller Konsolenspieler. 41 Prozent der Playstation-Besitzer planen demnach, wieder eine Playstation zu kaufen – unter der ohnehin geringeren Zahl von Xbox-Nutzern liegt diese Quote nur bei 31 Prozent. Würde man das auf die Zahl der verkauften Last-Gen-Konsolen umrechnen, käme man hier auf knapp 48 Millionen potenzielle PS5 -Käufer im Gegensatz zu nur rund 15 Millionen Xbox-Series-Käufern.
Also hat Sony schon gewonnen? Mitnichten.
Doch während Sony seine Strategie weiterhin vor allem auf den Verkauf seiner Konsole und passender (Exklusiv-)Vollpreistitel fokussiert, ist die Xbox Series X|S nur ein Baustein von einem grösseren Konzept, erklärt Xbox-Marketingchef Jerret West im Gespräch mit t-online: «Unsere Strategie war immer, die Spieler in den Mittelpunkt zu stellen und die breitestmögliche Plattform zu schaffen um potenzielle Gamer dort zu treffen, wo sie sind, anstatt ihnen vorzuschreiben, wo und wie sie spielen sollen.»
Auf einer Xbox-Konsole – das ist die interessante Botschaft daran – muss das nicht zwangsläufig sein. Microsoft-Boss Satya Nadella nannte Anfang Dezember bei einer Rede an die Aktionäre dazu die avisierte Grössenordnung: «Unsere grössere Vision ist sicherzustellen, dass die drei Milliarden Gamer da draussen in der Lage sind, ihre Spiele zu spielen – wo sie wollen und [...] mit wem sie wollen.» Es ist nicht das erste Mal, dass er bewusst diese riesige Zahl von Gamern als Zielgruppe anspricht.
Three billion people look to gaming for entertainment, community, and achievement and our ambition is to empower each of them, wherever they play. Today is a step forward on that journey as we welcome the beloved studios and franchises of @Bethesda to @Xbox https://t.co/LENQCXTwBg— Satya Nadella (@satyanadella) September 21, 2020
Nicht jedem dieser «Gamer» wird Nadella eine Xbox verkaufen wollen – und das muss er auch gar nicht. Mit dem Xbox Game Pass (12 Franken pro Monat) verschiebt sich der Fokus stärker auf die Inhalte und weg von der Gaming-Hardware. Im Game Pass sind derzeit über 100 Titel gegen eine Abogebühr spielbar (sogar deutlich mehr, zählt man die gerade hinzugekommene EA-Play-Unterstützung hinzu) – und zwar nicht nur auf Xbox One oder Xbox Series X|S – im Ultimate-Pass für 15 Franken monatlich sind die Spiele ausserdem als PC-Version sowie per X-Cloud als Streaming-Version enthalten.
Aktuell befindet sich das Streaming-Angebot zwar noch in der Beta-Phase und lässt sich nur über Android-Handy oder Tablet spielen – aber in den kommenden Monaten sollen die Titel auch auf dem PC und auf iOS-Geräten über die Cloud spielbar sein. Und all das beliebig wählbar im selben Abo, zum selben Preis.
Der «Spieler im Mittelpunkt», wie es Jerret West nennt, klingt vor diesem Hintergrund tatsächlich nach einer Mission.
Doch damit dieses Konzept wirklich aufgeht und selbst Playstation-Fans überzeugen kann, braucht es entsprechend gute Inhalte. Denn auch Sony hat mit PS Now zumindest einen Streaming-Service, bei dem man Spiele gegen eine Gebühr (10.90/Monat) auf seiner Konsole oder dem PC streamen kann.
Hier liegt Microsoft aber schon heute klar vorn: Während Sony hauptsächlich ältere Spiele auffährt, beziehungsweise neuere Titel nur eine begrenzte Zeit im Katalog hat, veröffentlicht Microsoft dauerhaft auch jedes Top-Spiel der eigenen Spielestudios. Das sind mittlerweile 23 Game-Firmen, erst kürzlich hatte Microsoft mit dem Erwerb des Publishers Bethesda Softworks acht Entwicklerstudios dazu gekauft, bei denen erfolgreiche Spiele-Franchises wie «Fallout», «Elder Scrolls», «Dishonored» oder auch «Doom» entstehen.
Alle neuen Spiele aus diesen Studios werden künftig auch zeitgleich zum Launch im Game Pass veröffentlicht. Schon jetzt findet man dort Marken wie «Gears of War», die aktuellen «Forza»-Titel, «Sea of Thiefs» und den aktuellen «Flight Simulator» in der Liste der Spiele. Dazu eine ganze Reihe gut kuratierter Indie-Spiele.
«Wir haben derzeit 23 Spiele-Studios, die eine ganze Reihe von Spielen entwickeln – und das alles wird den Katalog des Game Pass nur noch grösser, stärker und umfangreicher werden lassen, je mehr Zeit vergeht», versichert Jerret West. Xbox-Chef Phil Spencer betonte Mitte März entsprechend, dass Microsoft in neue Studios, neue Spiele und neue Inhalte investieren werde, «das müssen wir absolut tun.»
Dass Microsoft hier den Nerv vieler Spier trifft, kann das Unternehmen auch mit Zahlen belegen: Vermeldete man im April dieses Jahres noch stolz, dass man nun zehn Millionen Abonnenten habe, waren es im September bereits 15 Millionen Nutzer. Die jüngsten Zahlen von PS Now stammen zwar aus dem Mai – mit damals 2.2 Millionen Abonnenten dürfte der Dienst aber auch heute noch deutlich hinter dem Game Pass zurückliegen.
Der Game Pass scheint aber nicht nur dazu angetan zu sein, Spieler zu gewinnen, offensichtlich sorgt er auch dafür, dass diese tatsächlich diverser und mehr spielen: «Wir haben festgestellt, dass Game Pass Nutzer 30 Prozent mehr unterschiedliche Genres spielen und 40 Prozent mehr Spiele», erzählt West. Gerade für die Nutzerbindung an die Plattform ist das nicht zu unterschätzen.
Der Game Pass hat mittelfristig also das Potenzial, Sonys Playstation erhebliche Marktanteile abzujagen. Der Ein- und Umstieg auf die Xbox-Plattform ist erheblich günstiger – Nutzer des Streamingdiensts X-Cloud müssen sich ja nicht einmal eine Konsole kaufen – gleichzeitig kann man im besten Fall aktuelle Vollpreis-Titel spielen, ohne je 60 oder 80 Franken für solch ein Spiel ausgeben zu müssen. Die Spiele mit den wirklich grossen Spielerzahlen – «Minecraft», «Fortnite», «Call of Duty: Warzone» und viele mehr – gibt es ohnehin fast ausnahmslos für beide Plattformen. Noch dazu wird es dank wachsender Unterstützung für Crossplay – also der Möglichkeit, dass Online-Spieler von PC, Xbox und Playstation gemeinsam auf dem selben Server miteinander Online-Spiele spielen – künftig auch immer weniger wichtig, welche Plattform im Freundes- und Bekanntenkreis am verbreitetsten ist.
Vor allem in Deutschland hatte es die Xbox in den vergangenen Jahren schwer – hier könnte der Fokus auf PC-Gaming den Ausschlag zum Wandel geben. Denn Deutschland sei nicht nur einer der grössten Gaming-Märkte weltweit, er sei vor allem einer der wichtigsten PC-Spiele-Märkte, sagt Florian Liewer, der das Xbox-Geschäft im deutschsprachigen Raum verantwortet. «PC-Spiele sind in Deutschland erheblich wichtiger als etwa in den USA oder Grossbritannien», zudem sei Deutschland ein «Simulationsland», sagt Liewer. Spiele wie der neue «Flight Simulator» oder die Neuauflagen der «Age of Empires»-Reihe, würden hierzulande eine ganz besondere Aufmerksamkeit erfahren – und auch sie sind Teil des Game Pass.
Wie der Markt tatsächlich in drei, vier Jahren aussieht, kann heute niemand mit Sicherheit sagen – aber die technischen Details der Konsolen werden das aller Voraussicht nach nicht entscheiden. Schon heute hat sich grundlegend verändert, anhand welcher Kriterien viele Gamer ihre Entscheidung für oder gegen eine der beiden Plattformen begründen sollten.
Wer für das nächste Jahr die Anschaffung einer Konsole plant und zwischen PS5 und Xbox Series schwankt, sollte vielleicht weniger auf die Hardwaredetails der Geräte und die Liste der Exklusiv-Titel schauen, sondern sich lieber fragen, wie, was und wo er oder sie in Zukunft spielen möchte. Und in dieser Hinsicht ist die Xbox für den Platzhirsch Playstation so gefährlich wie noch nie.