Längst nicht mehr alle setzen heute Games einfach mit stumpfen Ballerspielen gleich. Manche denken bei Computerspielen auch an Kunst. Dass das so ist, haben wir in der Schweiz zu einem guten Teil den hiesigen Game-Designern zu verdanken. Sie verwirklichen sich jenseits der ausgetretenen Pfade.
Zu sehen ist das diese Woche an der Gamescom in Köln, der grössten europäischen Computerspiel-Messe. Insgesamt 21 Schweizer Games lassen sich hier spielen – so viel wie noch in keinem Jahr zuvor.
Viele der Spiele basieren auf einer simplen, aber raffinierten Spielmechanik und überzeugen durch kunstvolle Grafik. In «Schlicht» von Mr. Whale's Game Service beispielsweise treten ein weisser Lichtstrahl und ein schwarzer Schatten gemeinsam an, um in einer farbenfrohen Welt zu bestehen. Dabei entstehen immer wieder fantastische Bilder, die an abstrakte Kunstwerke erinnern.
Ebenfalls beeindruckend ist das Spiel «Far», das aus der gleichen Game-Schmiede kommt. Der Spieler schlüpft in die Rolle eines Reisenden und fährt mit einem monströsen Vehikel durch eine Wüstenlandschaft, die irgendwie an «Mad Max» erinnert, aber doch ganz anders ist.
Und in «Niche», einem mittels Kickstarter-Kampagne finanzierten Titel, kreiert der Spieler eine eigene genetische Tierrasse, und passt sie so an, damit sie in einer ökologischen Nische überleben kann.
Einige der Games bewegen sich aber selber in einer Nische und dürften es schwer haben, ihr Publikum zu finden. Sei es, weil der Schwierigkeitsgrad sehr ambitioniert angesetzt wird oder weil sie sich bloss auf eine Plattform wie etwa Apples Mac-Computer beschränken.
Manche Games sind aber auch so konzipiert, dass sie den Spieler – wie das bei Kunstwerken oft der Fall ist – erst einmal vor den Kopf stossen. Es ist nicht unmittelbar klar, was es zu tun gibt und wie man das Dargestellte interpretieren soll.
Viele der Entwickler sind denn auch Studenten oder Abgänger von Kunsthochschulen. «Wir unterstützen unsere Studenten dabei, einen eigenen visuellen Stil zu entwickeln, mit dem sie auch auf dem Markt erfolgreich sein können», sagt Maike Thies von der Fachrichtung Game Design an der Zürcher Hochschule der Künste.
Diese künstlerische Eigenständigkeit soll sie dazu befähigen, sich im Wettbewerb behaupten zu können. Bisher sind die meisten Schweizer Entwickler mit ihren Spielen aber auf Festivals und in Museen erfolgreicher als auf dem Markt – eine Ausnahme ist das Zürcher Studio Giants Software, das mit seinen Simulationsspielen Welterfolge feiern konnte.
Derzeit wecken aber verschiedene Schweizer Games das Interesse von Sony und Microsoft. So wird etwa «Far» als Download-Spiel für die Xbox One veröffentlicht, und auch «Schlicht» dürfte den Sprung auf Microsofts grosse Konsole schaffen. Damit werden die Spiele einem Millionenpublikum zugänglich. Das gilt auch für das Jump-’n’-Run-Spiel «Feist», das Fliegerspiel «Airheart» und das Party-Schiessspiel «Splash Blast Panic», die alle als Download-Titel für Sonys Playstation 4 entwickelt werden.
«Um ein Spiel für die Playstation 4 zu kreieren, muss man nicht nur Sony begeistern. Die Entwicklung ist auch mit einem höheren finanziellen Aufwand verbunden», sagt Elias Farhan, der «Splash Blast Panic» mitentwickelt.
An Geld fehlt es aber den meisten Schweizer Studios. «Investoren in der Schweiz zu finden, ist schwierig», sagt Maike Thies. An der Gamescom können sich die Schweizer Spielemacher den internationalen Game-Verlagen präsentieren, die hier auf der Suche nach neuen Spielen sind.
Unterstützt werden die Game-Entwickler dabei von der Kulturstiftung Pro Helvetia. «Wir fördern Schweizer Studios und helfen ihnen dabei, ein Business-Modell zu entwickeln, sodass sie langfristig auf eigenen Beinen stehen können», sagt Michel Vust von Pro Helvetia.
Das Start-up N-Dream geht auch beim Vertrieb der Spiele einen innovativen Weg. Das Jungunternehmen hat eine eigene Videospielplattform namens AirConsole aufgebaut. Es handelt sich dabei um eine Sammlung von relativ einfachen Games, die direkt im Internet-Browser gespielt werden können. Das Smartphone dient den Spielern dabei als Gamepad.
Mittlerweile bietet N-Dream längst nicht mehr nur die eigenen Spiele auf ihrer AirConsole an, sondern auch andere Spiele aus der Schweiz und aus dem Ausland.
Eine ähnliche Strategie verfolgt das Start-up Struckd, das seinen Nutzern einfach zu bedienende Werkzeuge zur Verfügung stellt, mit denen sie selber Spiele kreieren können – ohne dass dafür Programmierkenntnisse gebraucht würden. Die Games können dann über die Online-Plattform von allen Nutzern gespielt werden.
Die neuen kommerziellen Ambitionen der hiesigen Spieleentwickler könnten dazu führen, dass in Zukunft Schweizer Games nicht nur mit Kunstprojekten gleichgesetzt werden. Sondern mit Spielen, die das Massenpublikum erobern.
(aargauerzeitung.ch)