Was in Paris geschehen ist, macht die Menschen traurig, es macht sie wütend. Manche sind verwirrt, andere wiederum scheinen genau zu wissen, wie man korrekt auf diese Tragödie zu reagieren hat. Auf den sozialen Medien tobt eine Solidaritäts-Schlacht. Man hat die Qual der Moral. Und egal, für welche Art von Mitleidsbekundung man sich entscheidet, irgendjemand weiss sicher, wie man besser, korrekter – und vor allem ehrlicher trauert.
Jeder ist Frankreich, jeder ist Paris. Um das zu zeigen, legen viele Leute die französische Trikolore über ihr Facebook-Profilbild:
Die Alternative bietet beispielsweise Jean Julliens Peace-Eiffelturm.
Der erste Vorwurf, den Mark Zuckerberg sich anhören musste, ist dieser:
Maike Hansen vom deutschen Jugendportal Bento findet das Signal, das mit einer Nationalflagge ausgesendet wird, völlig fehl am Platze:
Und weiter:
Nur ein Tag vor den Anschlägen auf Paris, haben sich zwei Selbstmordattentäter im schiitischen Viertel von Beirut in die Luft gesprengt – 43 Menschen starben, 239 wurden verletzt. Und doch waren am 13. November alle «nur» Paris.
Die «Zeit»-Korrespondentin Andrea Böhm fragt aus Beirut:
Und sie liefert selbst die Antwort:
Die Autorin ist beschämt darüber, gleichzeitig aber ermutigt sie die Solidarität dieser Menschen, die im alltäglichen Terror und Krieg zuhause sind. Denn deren selbstverständliche Geste der Empathie erinnere daran, «dass es eine Hierarchie der Toten nicht geben kann».
Es ist kaum mehr möglich, nicht auch an die anderen tausend verwandten Fragen, Opfer, Sachbestände zu denken, die ebenfalls Aufmerksamkeit verlangen. Jan Böhmermann nervt das.
Unter dem Hashtag #PrayForParis solidarisieren sich die Menschen weltweit mit den Opfern des Terroranschlags in Paris.
Die Feinde des Betens sammeln sich unter dem Hashtag #DontPrayForParis. Die Solidarität in einen religiösen Rahmen zu stellen, sei gefährlich, denn Terrorismus sei eine Form von hasserfüllter, religiöser Ideologie.
Stop praying and nothing like this will ever happen again #dontprayforparis #dosomethinginstead
— Zoe (@zoelorenzo19) 14. November 2015
Ein bisschen weniger bedrohlich formuliert es der französische Comiczeichner Joann Sfar, der viele Jahre für die Satirezeitung «Charlie Hebdo» gezeichnet hat:
Mit deutlichen Worten haben Muslime auf der ganzen Welt auf die Gewaltnacht in Paris reagiert. Die Staatsführer von Marokko bis Bahrain übermittelten Beileidsbekundungen nach Frankreich. Und in den sozialen Netzwerken distanzieren sie sich unter dem Hashtag #NotInMyName von dem tödlichen Terror des Islamischen Staates.
Gran iniciativa de condena. #NotInMyName pic.twitter.com/wzNRnyRqm8
— Edu Madina (@EduMadina) 14. November 2015
Viele Muslime sind empört darüber, dass man – mal wieder – eine Distanzierung von ihnen fordert. So zum Beispiel die deutsche Bloggerin Hatice Ince:
Manche haben es weniger mit der Solidarität, sondern mehr mit der Verurteilung: Am Morgen nach den Terroranschlägen in Paris schrieb Roger Liebi, SVP-Präsident der Stadt Zürich, um 8 Uhr auf Twitter:
Nachdem der Beitrag dreimal retweeted wurde, löscht Liebi nicht nur den Tweet, sondern gleich seinen ganzen Twitter-Account. Zu seinen Worten stehe er aber nach wie vor, sagte er gegenüber dem Tages-Anzeiger. Aber es sei halt so, dass man «in den zwei Sätzen, die auf Twitter Platz haben, nicht differenzieren» könne. Er mache aber einen Unterschied zwischen dem Islam und den erwähnten Islamisten.
Die Berner FDP-Politikerin und gescheiterte Nationalrats-Kandidatin Christine Kohli hat ebenfalls einen sehr unbrillanten Tweet abgesetzt:
Es gibt einen riesigen Unterschied zwischen Muslimen und Terroristen. Um diesen der Welt zu verdeutlichen, gibt es den Hashtag #MuslimsAreNotTerrorists. Und Muslime, die ihr Leben dafür einsetzen, andere vor dem Terror zu retten.
Jan Böhmermann stellt Fragen. Hundert Fragen. Und seine letzte lautet:
20 Prozent des Ertrags gehen ja schliesslich ans französische Rote Kreuz ...
EASTER SALE NOW ON - UP TO 75% DISCOUNT
ONLY AT http://t.co/Fs8VdSS8lm pic.twitter.com/pKp2ozcLxB
— Pray For Paris (@PrayforParis) 18. März 2015
Manche Leute mögen den menschlichen Tragödien nicht ins Auge sehen. Also lenken sich ab. Mit Katzenvideos zum Beispiel.