Ich stehe Diät-Trends mehr als skeptisch gegenüber. Über Jahrzehnte konnte ich beobachten, wie immer mal wieder gutgläubigen Menschen vermeintliche Wunderdiäten angedreht wurden. Nein, ich habe mich nie einer Diät unterzogen. Dazu bin ich viel zu sehr kulinarisch interessiert (lies: zu sehr ein Genussmensch).
Okay, ich war nie richtig übergewichtig (eine dürre Ziege war ich aber ebensowenig), weshalb einer der Hauptbeweggründe für eine Diät wegfällt. Doch einem optimierten Allgemeinwohlbefinden bin ich durchaus nicht abgeneigt – und dies versprechen nicht wenige dieser Trend-Diäten.
«Ich kann mir nicht vorstellen, dass du damit abnimmst», urteilt meine werte Kollegin Sabina, über etwas, das sich Intermittent Fasting nennt, und offenbar der neuste Diät-Trend sein soll. «Das ist eher so eine Männer-Diät, damit sie sich mit ihren schlechten Essgewohnheiten auch besser fühlen können.»
Perfekt! Das wäre doch was! Ich habe mich in der Vergangenheit zu Recherche-Zwecken auch schon als Vegetarier, dann als Veganer und zum Schluss Straight Edge ernährt, somit könnte ich diesem «unregelmässigen Fasten», oder wie das nun heisst, durchaus eine Chance geben. Ich werde mich dabei garantiert besser fühlen als ich mich als «Straight Edge» gefühlt habe.
Intermittent Fasting – fasten mit Unterbrüchen – also. Oder, um es mit den geileren Begriff zu nehmen: Die Neandertaler-Diät.
Vergiss deine Grossmutter, die dir einredete, Frühstück sei die wichtigste Mahlzeit des Tages! Vergiss auch das neumodische Gebot, das lautet, du sollst über den ganzen Tag verteilt kleine Portionen essen! Nein, hier wird möglichst lange nichts gegessen und danach reingeschaufelt. Wenn schon, denn schon. Und nein, das ist nicht die Paleo-Diät. Hier darf man Kohlenhydrate und Co. essen.
Die Logik, die dahinter steckt: Wir sollen uns ähnlich wie unsere Keulen schwingenden Urahnen ernähren, die über längere Zeit – gezwungenermassen – fasteten und sich dann, als das Mammut gejagt und erlegt war, den Bauch vollschlugen. Dies soll die Gesundheit positiv beeinflussen, wie wissenschaftliche Studien belegt haben sollen.
Einer der offensichtlichsten Gründe dafür ist die Kalorienreduktion, die beim Intermittent Fasting automatisch eintritt. Da beim Fasten weniger Nährstoffe aufgenommen werden, greift der Körper auf seinen Energiespeicher zurück. Ernährt sich der Neo-Neanderthaler trotzdem ausgewogen, kommt es zu keinen Mangelerscheinungen. Ausserdem kann Fasten mental stärkend sein, da es die Ausschüttung von Catecholaminen (auch Glückshormone genannt) steigert.
Ich entscheide mich, ein urzeitlicher Krieger zu werden und plane, täglich erst ab 18 Uhr zu essen. Trinken darf man immer. Alkohol verbanne ich aber ebenfalls in den Abend.
Nur am Abend essen, also! Dies, weil es mir am sozialverträglichsten scheint. Was nämlich an Diäten aneckt, sind die nervigen Nachbesserungen, die am Esstisch vorgenommen werden müssen («Sorry, nein, ich esse keine Kohlenhydrate … aber hey easy, ich nehme einfach Tomatensauce ohne Pasta!»).
Mit der Warrior-Methode kann ich am Familien- oder Kumpel-Znacht teilnehmen und herzhaft zugreifen. Und ausserdem ist es mit meinem Nebenjob kompatibel, der viel Reisen beinhaltet: Auf Autobahn-Raststätten-Food kann ich getrost verzichten ebenso wie auf Fluglinienfrass.
Im Alltag erweist sich diese Praxis als erstaunlich einfach umzusetzen. Morgens und tagsüber gibt’s Kaffee – womit meine Sucht gestillt ist – und das nagende Hungergefühl, das unweigerlich eintritt, lässt sich besänftigen mit viel Wasser oder anderen zuckerfreien Getränken sowie der freudigen Erwartung auf ein gutes Nachtessen.
Ein Vorteil im Büroalltag ist, dass ich nicht wie bis anhin um 15 Uhr gegen Müdigkeit kämpfen muss (die wohl durch Verdauungsarbeit hervorgerufen wird), sondern ein sehr homogenes Energie- und Konzentrations-Level halten kann. Mit etwas Hunger im Bauch arbeitet man schneller und konzentrierter.
War dies nun jene angepriesene mentale Stärkung? Etwas schwierig zu eruieren, aber irgendwie fühlte ich mich gut dabei. Und gesund wohl auch – jedenfalls wurde ich nicht krank, und ich konnte auch keine erhöhte Müdigkeit o. Ä. feststellen.
Nachteile? Nun, obwohl ich keine Absicht hatte, abzunehmen, war ich doch etwas enttäuscht, als ich nach drei Wochen zero nada niente an Gewicht verloren hatte. Ich vermute, dass am Ende eben doch die Summe der Kalorien, die man in einem bestimmten Zeitraum zu sich nimmt, ausschlaggebend ist.
Auch ist die Krieger-Diät nicht sehr Kinder-kompatibel. Für die lieben Kleinen muss gekocht werden – und zwar auch mittags. Ehe man sich's versieht, isst man auch gleich mit. Als Neandertaler-Krieger ist man besser ein Einzelkämpfer.
Und zu Letzterem muss ich noch die grosse Enttäuschung vermelden: Niemand hat’s gemerkt! Niemand merkte, dass ich als Krieger heroisch meinen Alltag bestreite. OFFENBAR vermisste mich keiner meiner Arbeitskollegen am Mittagstisch.
Ich bin kein Krieger. Und schon gar kein Neandertaler. Man kann also per sofort wieder mit mir zum Zmittag abmachen. Allerdings nehme ich von den drei Wochen dieser Erfahrung mit, dass ich tagsüber weiterhin weniger esse. Oftmals auch gar nicht, wenn ich nicht gerade einen Mordshunger verspüre. Aber mindestens einmal täglich mit Freunden oder Familie zu einem Mahl zusammensitzen – das muss sein.