Einige Jahre sind es her, als ich mit meiner damals vierjährigen Tochter den Tower of London und die dortige permanente Ausstellung der Kronjuwelen besuchte. Bevor der Museumsbesucher die diversen Kronen, Zepter und Co. zu Gesicht bekommt, wird ihm Geschichte und Symbolik der Artefakte erklärt. Unter anderem läuft auf Grossleinwand eine Filmschlaufe der Krönung der Queen 1953. Meine kleine Tochter studierte diesen Film ganz genau und verkündete darauf:
«Ich will das auch.»
Ja, was denn?
«Weisch, auch so eine Goldkrone und einen goldenen Umhang bekommen und eine goldene Kutsche. Das will ich auch einmal machen.»
Hmm, leider geht das nicht. Sorry.
«Wieso?»
Weeeeegen der inhärenten Ungerechtigkeit des Konzepts einer Erbmonarchie.
(Und dann habe ich es auch noch in Worte gefasst, die für ein vierjähriges Kind verständlicher sind.)
«Das ist aber nicht fair.»
Korrekt, liebe Tochter. Das ist in der Tat in keinerlei Hinsicht fair.
Ich bin fest überzeugt, dass meine Grundhaltung zur Monarchie von einem Grossteil der britischen Bevölkerung geteilt wird: Von der Gesinnung her sind wir Republikaner (nein, damit ist nicht die US-Partei gemeint, sondern die Staatstheorie). Dies, weil es schlicht keinen ethisch nachvollziehbaren Grund gibt, eine Erbmonarchie zu unterhalten. Die Queen, aber, die mochten wir.
Alle mochten die Queen. Weil sie unser alle Grossmami war. Sie war immer da.
Dies heisst aber nicht, dass wir das Konzept einer Erbmonarchie gutheissen.
Dies, obwohl ich gewisse Vorteile einer konstitutionellen Monarchie durchaus erkenne. Dass man da ein königliches Staatsoberhaupt hinstellt, das Kontinuität darstellen soll und ab und an etwas unterhaltende pomp and circumstance bietet, ist per se nicht komplett schlecht. Es mindert zumindest bei einem Grossteil einer Bevölkerung den Wunsch nach einem «starken Führer», wie es in etlichen Republiken dieser Welt zyklisch immer wieder vorkommt.
Und die Tatsache, dass Premier Boris einmal die Woche pünktlich im Palast zu erscheinen hatte und den Bückling machen musste, ist politisch und psychologisch gesund (gerade bei einer arroganten Hohlbirne wie Boris). Umgekehrt wird dem Vertreter des Monarchen bei der Eröffnung des Parlaments die Türe vor der Nase zugeknallt. Dreimal muss der Black Rod (so heisst der Gesandte des Königs) anklopfen, bis er eintreten darf. Diese Tradition symbolisiert die Unabhängigkeit des Unterhauses gegenüber dem Monarchen.
Diese feine Balance, dieses sowas-von-britische Agreement, finde ich hochgradig attraktiv. Niemand hat das alleinige Sagen. Der britische Monarch mag als Staatsoberhaupt mitnichten eine Marionette sein – er besitzt reale politische Macht: Nur der Monarch darf Krieg erklären. Nur er darf das Parlament auflösen. Nur er ernennt den Premierminister. Doch der Monarch achtet dabei tunlichst darauf, dies stets und ausschliesslich im Namen des Volkes (in Form der gewählten Members of Parliament des Unterhauses) zu tun. In der Vergangenheit hat das Parlament bekanntlich den einen oder anderen Monarchen gestürzt. Einen sogar hinrichten lassen. So be careful, Charles! You work for us.
Aaaaaaber ... dies alles ändert nichts an der Tatsache, dass ein nicht gewähltes Staatsoberhaupt eine zutiefst undemokratische Situation darstellt. Zumal der einzige Grund, weshalb besagtes Staatsoberhaupt dieses Recht für sich beanspruchen kann, darin besteht, zufällig Mitglied einer random Familie zu sein. Dazu kommt, dass der Reichtum dieser Familie auf dem jahrhundertelangen Kolonialismus und den damit verbundenen erpresserischen Geschäften beruht. Und ja, dazu gehören auch massive Gewinne aus dem Sklavenhandel.
Weshalb ich zu der eingangs erwähnten Grundhaltung komme: Läuft alles rund mit den chinless German inbreds – Pardon! – den Windsors, erscheinen sie schön brav und pünktlich zu Supermarktneubaueröffnungen und Gartenpartys für 100-Jährige, dann tolerieren wir die Royals. Meistens mit gelassener Indifferenz; und bisweilen genehmigt man ihnen gar eine Art milde Zuneigung als Kuriosum, das zum bunten Geflecht der britischen Nationalidentität beiträgt.
Läuft es aber etwas aus dem Ruder, verzapft etwa einer von ihnen einen Schwachsinn, oder wird Prince fucking Andrew überführt, weil er sich an Minderjährige rangemacht hat, dann wird man schmerzlich daran erinnert, dass wir hier einer kleinen Kaste anspruchsberechtigter Trottel den Unterhalt zahlen.
Und aktuell läuft es wieder mal etwas aus dem Ruder. Hey, ich habe persönlich absolut nichts gegen Princess Kate. Ich weiss schlicht zu wenig über sie und ihren Gemahl, um mir eine Meinung bilden zu können. Auch dass sie als Menschen fehlerbehaftet sind (wie wir alle), geht in Ordnung. Etwa: Grundsätzlich habe ich Sympathie mit Harry und Meghan; schade, dass sie glaub ein wenig dumm sind. Whatever. Es interessiert mich schlicht zu wenig.
Doch das Tamtam um die Royals – um Harrys Buch, um Kates Photoshop-Versuche – ist für einen Briten eine ganz andere Erfahrung als für jemanden einer anderen Nation. Denn während die Welt dies alles als höchst unterhaltsame Seifenoper wahrnimmt – und sichtbar geniesst (die Klickzahlen auf Newsportalen weltweit sprechen für sich, auch hier bei Watson) –, werden wir Briten daran erinnert, dass diese Trottel unsere Regentschaft darstellen. Und daran, dass wir ziemlich machtlos sind, etwas dagegen zu unternehmen.
Die Queen, unser aller Grosi, ist tot. Charles ist und war niemals so beliebt wie sie. Trotzdem denke ich, dass die britische Monarchie noch lange bestehen wird. Leider. Doch wenn wir, die britische Bevölkerung, den Windsors dieses Privileg gönnen, dann sollen sie sich gefälligst auch benehmen.
Etwas Demut, bitte, Charles! Und William: Wenn da irgendwelche Probleme sind, dann steh dazu! Und falls da nichts ist, dann zeig' dich mit Kate einfach mal richtig vor den TV-Kameras, nur husch, damit dieser Blödsinn ein Ende hat.
Und Andrew – du gehörst ohnehin in den Knast.