Ich mag keine spätmorgendliche Geselligkeit am Wochenende. Die einen oder anderen von euch wissen das vielleicht bereits, denn ich habe mich in der Vergangenheit lautstark darüber ausgelassen:
Die Kurzfassung: Ich will nicht an einem freien Tag um 11 Uhr morgens sozial sein müssen. Ich hasse die ständige Unterbrechung jeglicher Gespräche («HEY CHÖNNTISCH MIR D'GONFI ÜBERREGEH?»). Ich hasse den Prosecco, der aus irgendeinem mir schleierhaften Grund stets handwarm serviert wird. Und spontan auswärts brunchen klappt sowieso nicht, da alle entsprechenden Etablissements schon Wochen im Voraus ausgebucht sind (sorry, nein, ich weiss nicht, ob ich am Sonntag in drei Wochen Lust auf Brunch habe). Zudem, nichts gegen Gipfeli, Rührei und Rauchlachs, aber soooo geil ist das auch wieder nicht.
Ich weiss aber, dass Brunch hierzulande total beliebt ist. Als Gründe dafür werden meistens «mega gmüetlich» und/oder «mega fein» genannt.
Aber: Ganz alleine mit meiner Meinung bin ich nicht. Wisst ihr, wer auch noch Brunch hasst? Köche.
Während die Gründe für meine Abneigung persönlicher Natur sind – der subjektive Geschmack eines Konsumenten, halt –, kommen aus Sicht eines Küchen-Profis reale technische, wirtschaftliche und gesundheitliche Gründe dazu. Der grosse Anthony Bourdain liess sich in seinem Buch «Kitchen Confidential» (2000), das teils Memoiren, teils Enthüllungsbericht ist, länger darüber aus.
Seiner Meinung nach ist Brunch vor allem eines: Etikettenschwindel. Brunch, so Bourdain, sei «eine grauenhafte, zynische Art, Übriggebliebenes abzuladen und dafür das Dreifache des üblichen Frühstückspreises zu verlangen».
Klar – ihr denkt nun: Bourdains Buch ist inzwischen mehr als 20 Jahre alt und die Bedingungen haben sich heute hoffentlich gebessert. Zudem, «bei uns in der Schweiz ...» ... jaja, vielleicht. Aber überleg mal – jene fancy Buttermilk Pancakes, die du bei deinem letzten Brunch bestellt hast, kosteten um die 20 Stutz. Und die bestehen hauptsächlich aus Mehl und Milch.
Dazu kommt: Die Belegschaft hasst dich.
Laut einer Umfrage von the kitchn unter Kellnern und Kellnerinnen ist Brunch die weitaus unbeliebteste Schicht für das Servicepersonal. Aufgeführt werden unter anderem, dass es meist weniger Trinkgeld gibt oder Gäste stets viel zu lange bleiben und oft verkatert sind. Und, ach ja, die schlimmste aller schlimmen Schichten im Arbeitsplan ist der Muttertags-Brunch, wo, laut Recherchen der Huffington Post, überfüllte Speisesäle, längere Wartezeiten und «eine unangenehm angespannte Familiendynamik» dazukommen.
Als zusätzliche Belastung für das Servicepersonal kommt noch hinzu, dass die Küchenbelegschaft oftmals unerfahren und unterbesetzt ist. Aus den oben genannten Gründen und da ohnehin niemand gerne am Samstag- und Sonntagmorgen früh aufsteht, sind die Brunch-Schichten in der Regel für neue oder unerfahrene Restaurantmitarbeiter reserviert.
Und, ach ja, nicht wenige Angestellte sind mega verkatert. Nicht zuletzt deshalb ist die Brunch-Schicht notorisch unterbesetzt, weil sie am ehesten von Last-Minute-Krankmeldungen betroffen ist.
Wir haben es hier also mit der ohnehin schon stressigsten Schicht eines jeden Restaurantbetriebs zu tun, die zudem von unerfahrenen, unmotivierten, unbeaufsichtigten, wenn nicht gar verkaterten Teammitgliedern (unter-) besetzt ist. Was unweigerlich zu einer langsameren und – seien wir ehrlich – vergesslicheren Bedienung führt. Die Extraportion Speck, die du vor 20 Minuten bestellt hattest? Tja, Dinge können vergessen gehen.
Immer noch der Meinung, Brunch sei mega gmüetlich?
Ach, als Abschluss vielleicht noch ein Detail: Sauce Hollandaise, irgendwer?
Mmh, fein! Gehört auf eine amtliche Eggs Benedict und passt bestens zu Spargeln, die es bei üppigeren Brunch-Buffets gerne mal im Angebot hat. Lassen wir ein letztes Mal Anthony zu Wort kommen:
Immer noch der Meinung, Brunch sei mega fein?