Und? Wie macht ihr so Ferien? In den Flieger steigen, dicht gedrängt ans andere Ende der Welt düsen und dort dann zwei Wochen lang auf Kommando entspannen?
Oder mit Sack und Pack in die Berge hinauf und sich in die Seilbahn quetschen, um danach die Berghänge hinunterzurutschen?
Andere gehen Campen. Wiederum andere Backpacken. Hat alles durchaus seinen Reiz.
Ich, hingegen, liebe nichts so sehr wie ein spontaner Roadtrip.
Losfahren. Locker und ungestört Strecken zurücklegen. Kilometer fressen. Epische Landschaften reinziehen. Dabei eine kuratierte Playlist hören oder vielleicht einen spannenden Podcast. Oder auch nicht – stattdessen einfach die Ruhe geniessen und die Gedanken wandern lassen. Und irgendwann dann mal, zu einem Zeitpunkt, den man selbst bestimmt, an einem Ziel eigener Wahl ankommen.
In einer Zeit, in der eine möglichst rapide (Flug-)Reise an einen Ort, wo man wiederum möglichst rapide wieder dem Konsum frönen kann, die Norm ist, hat ein Roadtrip fast etwas Meditatives.
Hey, Zugreisen liebe ich aus mitunter ähnlichen Gründen wie Roadtrips: Aus dem Fenster gucken und die Landschaft geniessen und dadurch eine innere Ruhe entwickeln. Nice. Die Autofahrt bietet den psychologischen Vorteil, dass man den Horizont vor Augen hat; die Zugfahrt wiederum den praktischen Vorteil, dass man nicht selber fährt und deshalb auch mal in den Restaurantwagon tschalpen kann, um sich ein Glas Weisswein zu gönnen. Dafür ist man aber an einen konkreten Zielort gebunden und muss sich einem Fahrplan unterordnen.
Letzteres ist entscheidend, denn, wenn man's richtig macht, ist Roadtrippen ein Freiheitserlebnis, wie es nur noch wenige gibt. Kein Terminstress. Kein «bitte zwei Stunden vor Abflug eintreffen». Kein «Umsteigezeit 5 Minuten – ui schaffen wir den Anschluss? Auf welchem Perron steht der?» Kein Kofferschleppen.
Ich empfehle nämlich folgende Vorgehensweise: Meist wird nur minim geplant; oftmals gar nicht. Grobes Ziel ist es, in X Tagen in Stadt Y angekommen zu sein. Der Weg dorthin ist die Variable. Vielleicht habe ich ein paar Freunde, die in Stadt Z wohnen, die ich unterwegs besuchen könnte. Vielleicht liegt die eine oder andere Sehenswürdigkeit auf dem Weg. Oder eben nicht gleich am Weg, denn die Detour ist Teil des Erlebnisses. Und so stehe ich am Morgen auf, überlege mir kurz, wie lange ich fahren möchte/kann und organisiere mir auf der App die Übernachtung am entsprechenden Wegpunkt (übrigens: wenn man derart kurzfristig bucht, gibt es öfters als nicht grossartige Deals).
Okay, ja: Gewisse Länder eignen sich besser als andere für Roadtrips, keine Frage. Frankreich, etwa. Oder Spanien. Oder die USA. Länder, die eine gewisse Grösse und Weite haben; Gegenden, in der genug Platz ist, um die Landschaften geniessen zu können. Ein kleines Mass an Monotonie ist notwendig, um richtig zu entspannen. Die Schweiz eignet sich eher als Startpunkt, da das Land in einem halben Tag bereits durchquert ist.
Die lange Fahrt auf der Strasse zwingt einem, ein Land mit anderen Augen zu sehen. An eine Feriendestination fliegen und dort die vorsondierten Sehenswürdigkeiten abklappern mag unterhaltsam sein, aber an einer Tankstelle mitten im Nirgendwo oder in einer kleinem Resti, wo hauptsächlich Lastwagen-Chauffeure einkehren, lernt man, wie die Menschen ticken. Ausserdem führt die Strasse nicht ausschliesslich an Insta-Panoramen vorbei (okay, in Frankreich eigentlich schon fast immer), sondern auch an weniger bekannte Orte, die aber den Kitt eines Landes ausmachen.
Ja, der Zeitpunkt ist auch nicht unwichtig. Wer beschliesst, am Karfreitag einen Roadtrip durch den Gotthard zu machen, wird weder Road noch Trip bekommen. Ohnehin ist es von Vorteil, möglichst von Terminen unabhängig zu sein. Macht man einen Roadtrip mit mehreren Leuten, ist es wichtig, dass niemand dabei ist, der hetzt. Und am schönsten sind Roadtrips ohnehin zu zweit mit dem Schätzli.
Viel wird heutzutage von grassierender Hektik und Stress gesprochen. Davon, dass man «ausklinken» soll, oder «die Langsamkeit entdecken». Man bucht Yoga-Kurse und Meditations-Seminare. Mindfulness und so. Etwas für die Seele tun. Und für die Kassen der Wellness-Industrie.
Was auch ginge: Ein paar Tage frei machen und einen Roadtrip unternehmen. Einfach losfahren.