Ich musste staunen, als ich kürzlich eines Abends an dem hier vorbeispazierte:
Bild: obi/watson
An der Forchstrasse in Zürich stand da nonchalant ein mir völlig unbekanntes Auto parkiert. Vom Styling und von der Ausstattung her tippte ich auf späte Fünfzigerjahre bis Mitte Sechzigerjahre. Aufgrund der Heckmotor-Auslegung tippte ich zudem auf VW-Chassis und/oder Porsche-Technik. Okay. Doch die Marke?
Bild: obi/watson
Enzmann? Nie gehört. Ein paar Gehminuten und eine Wikipedia-Recherche später stellten sich einige meiner Vermutungen als richtig heraus: Von 1956 bis 1968 gebaut, Monoblock-Karosserie aus glasfaserverstärktem Kunststoff auf einem VW-Chassis verschraubt. Herkunftsland: Schweiz.
Doch, doch: Die Schweiz hatte – und hat – eine Automobilindustrie. Zumindest wenn wir mal eine sehr lose Definition von ‹Industrie› zulassen. Klar, etliche Schweizer Automarken bauten, ähnlich wie Enzmann, ihre Chassis und Motoren nicht selbst, sondern verbauten Bestehendes von grösseren Herstellern. Doch seit mehr als 120 Jahren entsteht hierzulande automobile Innovation.
120 Jahre. Oh ja. Denkt manch' einer beim Thema «Schweizer Automarken» vielleicht gerne an sowas hier ...
Denn in den Kinderjahren des Automobils Ende des 19. Jahrhunderts bis Mitte der Zwanzigerjahre gaben die Schweizer Hersteller so richtig Gas (öh ... obwohl der oben gezeigte Tribelhorn aus Feldbach ZH aus dem Jahr 1918 bereits ein Elektroauto war). Popp, Henriod, Excelsior, Pic-Pic – etliche Marken entstanden zwischen Genf und St.Gallen. Rennen wurden gefahren, Rekorde gebrochen, Taxiflotten beliefert. Lassen wir also 19 Schweizer Automarken, von 1896 bis heute, Revue passieren!
Dies ist eine willkürliche Auswahl mit keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Wikipedia etwa listet 71 ehemalige und bestehende Schweizer Automarken auf.
Autos wurden wirklich nur in den Anfangsjahren des Unternehmens hergestellt (im Bild ein Modell aus 1902), weshalb obige Jahreszahlen etwas irreführend sind. Als Lastwagen- und Bushersteller blieb der Name bis Ende des 20. Jahrhunderts im Schweizer Alltag präsent.
Die Brüder Charles und Frédéric Dufaux begannen 1904 in Genf mit der Produktion von Automobilen. Der hier gezeigte Rennwagen hatte einen 12,7-Liter-Achtzylinder-Reihenmotor und stellte im Herbst 1904 mit 115 km/h einen Rekord über einen Kilometer mit fliegendem Start auf.
Von der Geburt des Automobils an mit dabei! Nebst oben gezeigtem Dreirad konstruierte die Zürcher Manufaktur auch einige Exemplare eines vierrädrigen Automobils, deren Motor im Heck montiert war.
Vom Landarzt und Hobby-Konstrukteur Dr. Emil Enzmann entworfene Sportwagen auf Basis von VW-Chassis und -Motoren.
Felber
Bild: shutterstock
Morges VD
1974-1991
Anfänglich noch mit Eigenkonstruktionen beschäftigt, spezialisierte sich Willi Felber bald auf Luxus-Aufwertungen bestehender Automodelle – etwa obiger Felber Excellence, das ein Pontiac Firebird war, der technisch unverändert belassen wurde, aber eine neu gestylte Frontpartie bekam.
Historisch gesehen die wohl erfolgreichste Schweizer Automarke, die während den 37 Jahren ihres Bestehens ziemlich alles von schicken Limousinen über Rennautos bis hin zu Omnibussen für den ÖV herstellte.
Einflussreiche Boutique-Manufaktur luxuriöser GT-Automobile mit Chrysler-V8-Motoren und italienischem Styling von Fissore. In den Siebzigerjahren hatte die Marke Erfolg mit Luxusversionen des SUVs International Scout, die als Sahara und Safari verkauft wurden. Auch stellte Monteverdi für Range Rover in Lizenz eine viertürige Version her – ein Design, das nachher vom britischen Hersteller übernommen wurde.
Das Supercar-Geschäft ist hart. Der Orca C 113, der knapp 850 Kilo wog und dank Audi-Power auf 360km/h kam, war einen kurzen Moment lang «nachweislich das viertschnellste Auto der Welt» (Wikipedia). Sieben Fahrzeuge wurden hergestellt.
Der 2019 vorgestellte Mark Zero Concept ist ein Grand-Tourer mit Jaguar-Retro-Optik, der dank modularer Bauweise nach Belieben mit EV-, Fuel-Cell-, Hybrid- oder gar Verbrennungsmotor-Antrieb gebaut werden kann und ebenfalls als GT, Viertürer oder SUV verfügbar ist. Sagen sie. Namensgeber ist Anton Piëch, Sohn des langjährigen VW-CEOs Ferdinand Piëch und damit Ur-Enkel von Ferdinand Porsche. Firmensitz ist in Zürich – noch ist wenig bekannt darüber, wo die Produktion zukünftig vonstatten gehen soll.
Bereits 1935 wurde der GM-Ableger General Motors Suisse gegründet. Bis 1975 wurden in der Fertigungsstätte in Biel insgesamt 329'864 Fahrzeuge gefertigt, allesamt Modelle aus der GM-Markenpalette von Opel, Chevrolet und anderen. Dazu kam die Eigenmarke Ranger, die auf dem Opel Rekord C und D, später später auf dem Opel Commodore A beruhte.
Visionärer Hersteller mitunter exzentrischer Prototypen wie dem hier gezeigten Unterwasser-Auto sQuba aus dem Jahr 2008, das auf dem Lotus Elise basiert.
Vom italienischen Designer Franco Sbarro gegründetes Unternehmen mit Namen A.C.A. (Atelier d’Etude de constructions automobiles), das Fahrzeugentwürfe herstellt, von denen die meisten Einzelstücke bleiben. Nur wenige Studien wurden in Kleinserie produziert.
Die Automobilfabrik Turicum AG hatte zu seiner Blütezeit im Jahr 1913 etwa 140 Mitarbeiter. Die Fahrzeuge wurden weltweit exportiert, mit Lizenzproduktionen in Frankreich und Böhmen. Trotzdem war nach etwa 1000 gebauten Fahrzeugen im Jahr 1914 Schluss. Und heute warten wir nur darauf, bis jemand das Logo für Hipster-T-Shirts benutzt.
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Die beliebtesten Kommentare
Zeit_Genosse
06.09.2020 10:50registriert Februar 2014
Interessant, dass das Konzept des selbstragenden Chassis wie vom Käfer, sich nicht als innovative Entwicklungsplattform in die Neuzeit hat retten können. Auf einer so genormten und zertifizierten Plattform mit Akku und E-Motoren liessen dich viele Designs in Kleinserien herstellen. Ob Albar, Rinspeed, usw. in der CH hätten wir ein Ingenieursklima und auch Designschulen, sowie Tüftler. Der gesetzliche Rahmen dürfte einfach ein nicht zu enges Korsett bilden dürfen. Es geht nicht um Weltmärkte, sondern inspirierendes Klima, spielerisch Mobilität und Technik anders aussehen zu lassen.
1998 bin ich mit meinem FIAT X1/9 Bertone in Schüpfheim/LU liegen geblieben. Erhielt den Tipp, die Garage inmitten von Schüpfheim anzusteuern. Was für ein Bild für Götter: Neben FIAT und Citroen, war die Werkstatt gefühlt mit alten Autos, sogar im Garten und im Keller standen Oldtimers, teilweise Einzelstücke. Die absoluten Highlights standen aber im Nebengebäude, ein altes, geschlossenes Kino: Im Parterre des Kino reihten sich wunderschön gepfleget Autos, darunter einige Enzmann. Später hab ich erfahren, dies gehörte der Familie Enzmann. Schade das es diese Werkstatt nicht mehr gibt :(
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