Man will ja nicht das Rad neu erfinden, heisst es so schön. Doch genau dies versuchten Designer, Konstrukteure und Ingenieure während der langen Geschichte des Automobils wiederholt: Das Lenkrad – ein scheinbar eindeutiges Konzept, sollte man meinen – war Gegenstand einer ganzen Reihe von oft skurrilen und unerschrockenen Neukonzipierungen. Hier kommt eine Auswahl der besten und sonderbarsten Lenkräder der Automobilgeschichte!
Der Autonews-Website Jalopnik ist es zu verdanken, dass wir diese Innovation aus dem Jahr 1940 wiederentdecken durften:
Damals, als die Lenkräder noch aus Chrom, Holz und Bakelit bestanden und es ihnen an jeglichen Sicherheitsfeatures mangelte, bot Chevrolet ein optionales Upgrade an: ein Rad innerhalb eines Rades, um präziseres Handling zu ermöglichen.
Im Gegensatz zu jenen klobigen Knöpfen, die man an Traktorlenkrädern findet, ist das «Spinner Wheel», so der Terminus Technicus, eine technische Raffinesse. Im Inneren dieses zweiten Rades befindet sich ein frei drehendes Griffstück, das sich auf Kugellagern dreht. Dies, um zu ermöglichen, das Auto besser mit einer Hand zu steuern (und heutigen Fahrprüfungsexperten das Gruseln zu lehren).
Mitte der Sechzigerjahre experimentierte Ford gleich damit, das Lenkrad komplett abzuschaffen. Das «Wrist Twist» genannte Lenksystem verfügte über zwei Rädchen auf beiden Seiten einer zweispeichigen Lenksäule. Die Säule konnte so weit abgesenkt werden, dass die beiden kleinen Räder – die sich im Tandem drehten – mit beiden Armen auf den Armlehnen bedient werden konnten. Relaaaaaax!
Wir schreiben das Jahr 1958 und diverse US-Autohersteller bieten Druckknopfschaltung für automatisches Getriebe an. Edsel nennt sein System «Teletouch» und platziert die Drucktasten in der Mitte des Lenkrads.
Cybertruck-Fahrer lieben ihren «steering yoke» (Lenk-Bügel) –, wohl weil es futuristisch aussieht. Dabei gab es das schon im Jahr 1963. Und erst noch viel stylisher, was dem eleganten Design von Giorgetto Giugiaro zu verdanken ist.
Okay, nun zu einem absoluten Klassiker:
Der Citroën DS war bei seiner Lancierung anno 1955 so innovativ wie kaum ein anderes Gefährt auf der Strasse. Nebst mit zukunftsweisender Technik glänzte er – pardon! – glänzte sie (sie ist ja schliesslich «la déesse», die Göttin) auch mit ihrem Design. Dazu gehörte auch das ikonische einspeichige Lenkrad. Guckt mal, wie cool:
Das Konzept des Einspeichenlenkrads wurde auf weitere Citroën-Modelle übertragen. Etwa hier, beim Nachfolger der DS:
Doch auch andere Autohersteller experimentierten mit dem Einspeichenlenker:
Mit komplett digitalem Armaturenbrett wirkte die Luxuslimousine Aston Martin Lagonda bei ihrer Lancierung anno 1976 wie etwas aus einem Science-Fiction-Film. Klar, dass da ein einspeichiges Lenkrad hermusste.
Wie? Was? Hier schwebt das Lenkrad frei in der Luft?
Ah ... nicht ganz. Aber die Platzierung der Speiche wurde bei diesem Konzeptauto bewusst gewählt, um – je nach Blickwinkel – genau diesen Anschein zu erwecken.
Zurück zu Citroën! Bei der Konzeptstudie Karin hatte das Lenkrad Telefontasten in der Mitte und eine aus dem Armaturenbrett herausragende röhrenförmige Lenksäule. Es hiess, dass der Fahrer fast alle Funktionen des Wagens steuern konnte, ohne das Lenkrad loszulassen – etwas, das etliche moderne Autos inzwischen zu imitieren versuchen.
Ein weiteres crazy Konzeptauto aus der Ära des ultrafuturistischen Designs: der legendäre Ferrari Modulo vom Designhaus Pininfarina – wieder mit einer röhrenförmigen Lenksäule.
Die ultimative Ausführung dieses Konzepts ist und bleibt aber der ...
Designer Giorgetto Giugiaro ging hier aufs Ganze und brachte alle – und zwar wirkliche alle – Armaturen in dem runden Gehäuse unter, das mit jenem eng anliegenden Vierspeichen-Lenkrad eingefasst ist.
Am Lenkrad dieses legendären Konzeptautos ist technisch nichts Ungewöhnliches. Aber das Basketballkorb-Design sieht eben schon grossartig aus.
Manchmal ist Asymmetrie eine wunderschöne Sache – gerade dann, wenn einen die Gewohnheit das Gegenteil erwarten lassen würde.
Kritiker hassten das Interieur des Lancia Trevi bei seiner Lancierung und sprachen vom «Emmentaler-Armaturenbrett». Im historischen Nachhinein verdient dieses Unikum just aufgrund seiner Skurrilität seinen Platz in der Designgeschichte, Bananen-Lenkrad inklusive.
Das üppige Innendesign der Luxus-Hypercars der Marke Zonda ist legendär. Beim Rennsport-Model Zonda R kam das Interieur aber Fahrer-fokussiert und minimalistisch daher. Die Tatsache, dass sie den Tourenzähler in der Mitte des Lenkrads platzierten, ist allerdings ziemlich cool.
Dieses Lancia-Konzept hatte ein Lenkrad, das aussah, als wäre es in einen «The Fly»-mässigen Teleportationsunfall mit einem frühen Mobiltelefon verwickelt gewesen. Hey, so sah 1982 die Zukunft nun mal aus.
Heute leben wir in einer Touchscreen-Welt. Doch Anfang Jahrhundert konnte das niemand voraussehen ... ausser CItroën, die kurzum das ganze Lenkrad zu einem Touchscreen deklarierten. Das Osmose-Konzept wurde als Ride-Sharing-Studie entwickelt (wow – nochmals eine Citroën-Zukunftsvoraussagung!) mit einem einzigartigen, recht klobigem Lenk-Display als Fokuspunkt. Dieses Lenkrad war unbeweglich und reagierte stattdessen auf Berührung.
Das erklärte Konzept dieses einteiligen, «ergonomischen» Lenkrads war, dem Fahrer das Gefühl zu vermitteln, «die Handfläche eines anderen Menschen zu berühren». Hmm. Alle Bedienelemente des Fahrzeugs befanden sich auf oder hinter dem Lenkrad, weshalb der Rest des Innenraums minimalistisch gestylt werden konnte.
Bei diesem EV-Konzept, das auf dem Renault R17 von 1971 basiert, verpflichtete Renault den Möbeldesigner und Architekten Ora Ïto für das Styling. Letzterer präsentierte unter anderem ein Lenkrad, das uns alle an etwas Altbekanntes erinnerte:
Der Austin Allegro war zum Zeitpunkt seiner Lancierung so innovativ und technisch ausgeklügelt wie kein Auto in seiner Kompaktklasse ... doch gefertigt wurde er von der unzufriedenen Arbeiterschaft des staatlich aufgezwungenen Konglomerats British Leyland – weshalb die Qualität von Anfang an im Keller war. Auch erwies sich das «fastquadratische» Lenkrad bei der Käuferschaft als unpopulär. Heute ist es eine Designikone.
Aber selbst 1971 war ein nicht-rundes Lenkrad keine Weltpremiere. Autos der Prestigemarke von Chrysler, Imperial LeBaron, boten Innendesign, das ebenso luxuriös wie exzentrisch war.
Und dann gab es Autos, die eigentlich lieber Düsenflugzeuge gewesen wären:
Von aussen mag der Mazda MX-03 mehr oder minder dem Honda NSX ähnlich gesehen haben, aber der Innenraum war mehr Düsenjäger als Sportwagen, einschliesslich eines Joystick-Schaltknüppels und der digitalen Anzeigeinstrumente, die direkt aus «Star Wars» entnommen waren.
Der Oldsmobile Incas war ein Limousinen-Konzept von ItalDesign und verfügte über eine Fronttür-Haube vorne, Flügeltüren hinten und ein fast vollständig aus Glas bestehendes Dach. Natürlich durfte etwas derart Futuristisches kein normales Lenkrad haben, oh nein. Hier war die Lenksäule aus Luke Skywalkers X-Wing mit individuellen Handgriffen mit Daumenknöpfen angesagt.
Ja, längst haben wir uns von eigentlichen Lenkrädern verabschiedet. Und kein Auto dezidierter als das hier:
Beim Honda EV-STER wurde ein typisches Lenkrad durch zwei Joysticks ersetzt. Auch wenn dies dem Innendesign ein futuristisches Aussehen verleiht, hatte dies keineswegs nur ästhetische Gründe. Das System sollte den Fahrer in Kurvenfahrten vor G-Kräften bewahren, da er sich nicht mit dem Lenkrad drehen musste, sondern aufrecht und stationär bleiben konnte, während er die Hebel vor- und zurückbewegte.