Ooooooh! Wie schööööön! So schlicht! So minimalistisch. So futuristisch!
Kaum ein Beschrieb, Kommentar oder Fahrbericht über den Tesla Cybertruck ohne die Erwähnung seines vermeintlich «futuristischen» Armaturenbretts. Beziehungsweise des Fehlens jeglicher Armaturen. Denn nebst dem Lenkrad (nein, halt! Selbst das Lenkrad ist kein Lenk-Rad mehr, sondern ein Lenk-«Yoke»; also ein Lenk- ... -Bügel?) bietet es dem Fahrer einzig einen Touchscreen.
Und im Volvo EX30 oder im VW ID.Buzz sieht's ähnlich aus. Grosse, flache Screens, die Anzeige und Bedienung vereinen: Geschwindigkeitsanzeige, Navigation, Podcasts, Klimaanlage, Updates, Spotify, WhatsApp, Bumble – alles auf einem Bildschirm. Wie beim Handy. Dazu noch persönlich konfigurierbar. Geil.
Es scheint, je moderner, je zukunftsweisender ein Auto wirken soll, umso weniger Armaturen darf es vorweisen. Die Vermutung liegt nahe, dass die Käuferschaft gar enttäuscht wäre, würde ihr neues Auto ein Armaturenbrett mit *hust* Instrumententafel oder gar *flüster* Bedienungshebeln aufweisen.
In Wahrheit sind Touchscreens im Auto ein Beschiss.
Sie sind niffelige, nervige, unpraktische iPads, die schlimmstenfalls gar gefährlich sind.
Ach ja, und dann noch: ➡️ «Home», damit man wieder die Geschwindigkeitsanzeige und das Navi zu sehen bekommt.
Das nervt nicht nur, sondern ist gar noch saugefährlich. Denn für jede dieser Finger-Tippbewegungen muss der Fahrer seinen Blick von der Strasse weg auf den Screen verlagern. Im Gegensatz dazu geht einen Hebel am Armaturenbrett bedienen ohne Hinschauen. Der Fahrer weiss, wo sich der Knopf befindet; spürt ihn auch physisch bei der Betätigung.
Schaut jemand beim Fahren aufs Handy, gibt es in vielen Ländern dafür eine saftige Busse. Doch mit einem minimalistischen Touchscreen-Only-Design muss der Fahrer nur schon für die Geschwindigkeitsanzeige den Blick weg von der Strasse richten. Tacho im direkten Blickfeld gleich hinter dem Lenkrad? Wäh – das wäre aLtMoDiScH.
Hey, für einmal ist dies nicht bloss das wirre Gemotze von Grumpy Old Man Oliver. Fachleute geben mir recht: Euro NCAP, der europäische Verband für Fahrzeugsicherheit, besteht in ihren Richtlinien fürs Jahr 2026 darauf, dass bestimmte Funktionen wie Blinker, Warnblinker und so weiter über physische Tasten und nicht über Touchscreens gesteuert werden müssen, damit ein Fahrzeug eine 5-Sterne-Crash-Bewertung erhält.
So gesehen dienen all die modernen Fahrassistenzsysteme nicht primär dem Fahrkomfort, sondern sind bitternötige Überlebenshilfen. Zum Glück gibt's Spurenassistenz und Abstandsautomatik, denn der Fahrer muss auf den Touchscreen schauen! Und, nein: Das mit «full self driving» könnt ihr auch weiterhin vergessen. Oder wie sehr vertraust du Elon Musks Versprechungen, wenn dein Kindergärtler über die Strasse geht, während ein Drei-Tonnen-Cybertruck auf ihn zubraust, dessen Fahrer daran ist, im Bedienungs-Menu die Sitzheizung zu suchen?
Was aber vielleicht noch mehr nervt, ist, dass die Industrie uns etwas vorgaukelt, nämlich: Touchscreens sind cutting edge und modern.
Sie sind vor allem eins: billig.
Mögt ihr euch noch erinnern, an jene Schalter und Knöpfe, damals, im Auto eurer Eltern? Schiebehebel für die Klimaanlage? Der Lautstärkeknopf am Radio? Der Schalter für die Scheinwerfer? Nun, so unsexy das Thema sein mag, die Entwicklung und Herstellung von haptischen und physischen Elementen eines Autos ist für jeden Automobilhersteller eine teure Investition. Genau deswegen werden Teile wie Blinkerhebel oder Klimaregler-Schieber häufig von mehreren Automarken gemeinsam genutzt, um Kosten zu sparen.
Noch billiger ist es aber, auf alles zu verzichten und ein Tablet hineinzuschrauben. Touchscreens sind eine Ablenkung davon, dass der Autohersteller an allen Ecken und Enden gespart hat.
Als Beweis muss man sich nur in der Ultra-Luxusklasse mal umsehen, wo Budgetüberlegungen zweitrangig sind. Beim allerneusten EV-Rolls-Royce gibt es nebst Touchscreen auch grosszügig dimensionierte Knöpfe – weil es für den Fahrer angenehmer und sicherer ist. Sieht halt nicht so «Star Trek»-mässig aus. Aber, hey, dieses minimale, fake-futuristische Armaturenbrett-Design dürfte bald mal aus der Mode kommen. In zehn Jahren dürfte das Armaturenbrett eines Tesla 3 ähnlich historisch wirken wie die Heckflossen eines 57 Chevys.
Hey, Millennial-Opa: 2024 hat angerufen. Es will seinen Touchscreen zurück.