Das Ende des Jahres naht und das Unweigerliche wird passieren: Marktanalysten, Food-Blogger und Mediensprecher aller Couleur werden uns wieder einmal orakeln, welche Trends unser Essverhalten revolutionieren werden. Man erinnere sich an diese Prophezeiung, etwa:
Sorghum, anyone? Hanf-Proteine-Pulver? Gewiss, vielerorts sind diese Schluffe erhältlich und einige Leute benutzen sie gar auch. Doch richtig trendy wurden und werden sie nicht.
Deshalb nun die Fragen:
Welche Food-Trends haben sich wirklich durchgesetzt?
Welche sind aber langsam vorbei und könnten gerne auch wieder verschwinden?
Und welche fehlen noch?
Mexikanisch? Früher: Ausschliesslich Remmidemmi-Erlebnisgastronomen, die grauenhaften, vorgefertigten Pseudo-Texmex-Frass auftischten. Heute: Gefühlt an jeder zweiten Ecke eine neues Taco- und Burrito-Takeout.
Zwar sind die meisten von mitteleuropäischen Hipster-Gringos geführt (La Taqueria in ZH-Altstetten und Tacos Plaza in ZH-5 wären dabei zwei Ausnahmen, die einem in den Sinn kommen 💪), doch die Speisen sind durchaus authentisch und vor allem: guuuuuut.
Der Food-Truck-Trend hält weiter an. In den wärmeren Monaten werden Streetfood-Festivals in jeder grösseren und kleineren Schweizer Stadt abgehalten. Gourmet-Burgers, griechische Gyros, nigerianisches Suya, elsässische Cidre-Steaks, Kottu Roti FTW ...
... und natürlich:
Taiwanesich, koreanisch, vietnamesisch ... längst ist die panasiatische Fusion perfekt: Bahn Mi, Ramen Burgers, Panda Buns – allesamt grossartig und allesamt here to stay!
Und siehe da: Auch Vietnamesische Suppenküchen etablierten sich innert Windeseile. Gut so, nicht zuletzt deshalb, weil sich eine Schale dampfende Suppe ebenso gut als Bürozmittag wie auch als perfekte Verstärkung während dem Freitagsabendsuff eignet.
Immerhin: Meine ach so hippen Londoner Freunde vergewissern mir, Clean Eating und Co. sei out. Hoffentlich checken das die hiesigen Instagram-Girls langsam auch. Nicht, dass an Haferflocken oder Acai-Beeren an sich etwas auszusetzen wäre. Das Problem sind eher die pseudowissenschaftlichen Heilversprechungen, die damit einher gehen und im besten Fall Blödsinn und im schlimmsten Fall gar schädlich sind:
Merkt's euch doch bitte ein für alle Male: Superfood ist keine wissenschaftliche Bezeichnung, sondern ein Marketing-Begriff. Und Clean Eating ist schlicht ein Widerspruch in sich.
Fakt ist: Nichts ist mehr Superfood, als wenn du eine ausgewogene Kost mit viel Obst und Gemüse zu dir nimmst und dich regelmässig bewegst. Und wer das nicht tut, den kann kein Superfood der Welt retten.
Logisch, dass diese Kochtechnik, die eine gleichmässige, ausgewogene Garstufe eines Fleischstücks garantiert, gerade in der Schweiz gut ankommt, wo man es doch auch sonst so gerne gleichmässig und ausgewogen hat. Hier gilt auch: An sich gibt es nichts daran auszusetzen. Aber letztlich werden diese Aggregate wohl oder übel hinten im Kasten verstauben mit all den anderen Trend-Kochgerätschaften die einst mal hip waren und heute wieder vergessen wurden.
Oder anders gefragt: Wer von euch benutzt heute noch jenen ach-so-praktischen Steamer der 00er-Jahre?
Schön, dass ihr derart Freude an den 371 verschiedenen Kaffee-Geschmacksnuancen findet (und an den coolen verchromten Vintage-Kaffeemaschinen, die es dazu benötigt). You've made your point.
Aber so lange ihr keinen hundskommunen italienischen Espresso hinkriegt, macht ihr euch einfach nur lächerlich. Please.
Ich weiss gar nicht, ob man dies eher als Versuch denn als Trend bezeichnen kann. Einiges an Aufwand wurde betrieben: Lebensmittelzulassung auf Bundesebene, einen Schweiz-eigenen Vertrieb organisiert, eine Pressekampagne mit allem Pipapo etc. Da wird man uns noch ein paar Monate länger versuchen, Krabbelviecher schmackhaft zu machen. Aber letztlich wird immer das Thema spannender sein als die Insektenprodukte fein sind.
Seht, letzthin bekam ich Insect Bars zugeschickt – Zusammensetzung: 10% Grillen, 90% anderes Süsszeugs wie Datteln und Sultaninen, damit der Riegel wie ... ein Süssriegel schmeckt. Insect Balls, irgendwer? Zusammensetzung: 24% Mehlwürmer, 76% Kichererbsen, Mehl, Kräuter und dergleichen, damit sie wie ... Falafel schmecken. Insect Burger? 31% Mehlwürmer, 69% Karotten, Sellerie und anderes Gemüse.
Nur 31%? Irgendwie bekommt man das Gefühl, die Produkthersteller trauen ihren Zutaten nicht ganz. Zur Erinnerung: Ein guter Hamburger besteht so ziemlich aus 100% aus Hackfleisch; ein Vegi-Burger ebenfalls ziemlich genau 100% aus Gemüse.
Klar, vielleicht werden eines Tages meine Enkelkinder mit einem müden Lächeln auf den Grossvater blicken, der – mann, wie peinlich! – Insekten grusig findet. Bis es soweit ist, ess' ich Falafel aus Kichererbsen und Burger aus Rindfleisch.
Ach, wie sehr ich mir hierzulande ein indisches Restaurant wünsche, das es halbwegs mit dem Londoner Durchschnitt aufnehmen könnte! Mal nicht die ewigen üblichen verdächtigen Best-of-Indian auf der Speisekarte aufgelistet zu sehen, sondern Inspirierteres aus dem Panoptikum, das die Küchentraditionen von Pakistan bis Bengal hergeben. Tandoori Rabbit vielleicht. Oder Bedmi Puri, Ajwain and Dill Grilled Jhinga Prawns, Okra Fries, Chana Chaat Salad, Goa Lobster ... ach, *schwärm*.
Verzeiht mir, wenn ich nochmals ein wenig Heimweh walten lasse: Aber ein paar traditionelle britische Büezer-Cafés, wo man bereits frühmorgens ein warmes Frühstück essen kann, das wär's. Auch Mittags ... oder gar spätnachts, wenn man angesäuselt aus der Bar torkelt; es heisst nicht umsonst All-Day Breakfast. Ausserdem hat es Sandwiches, die man sich nach Belieben frisch zubereiten lassen kann und selbstverständlich Tee à Discretion. Sowas fehlt.
Beim Thema italienisches Essen scheint der Trend in der Gastro-Szene – zumindest in Zürich – Richtung schick und edel zu gehen. Bistecca alla fiorentina für 100 Franken das Stück und dergleichen. Klar. Ist fein. Was zu wünschen wäre: Mehr regionale Küche. Mal eine Beiz, die sich «piemontesisch» oder «sardisch» schimpft statt generisch «italienisch». Und dabei durchaus la cucina povera pflegt, was keine Unsummen kosten muss. Wie in Italien, halt.
Und dann noch:
Edle Bars mit zigtausenden Gins und Whiskies und den dazugehörigen horrenden Preisen gibt es genug. Zürcher Lohnniveau in Ehren, aber als ich letzthin 26 Franken für den Aperol Spritz meiner Begleitung liegen lassen musste, fragte ich mich: Geht das nicht auch anders? (Und den Protz-Single-Malt für 1200 Franken für 4cl, den gewisse schicke Bars gerne im Sortiment führen – das ist schlicht Trumpismus an der Theke.)
Ich weiss jetzt nicht, ob das ein Hirngespinst ist, aber stellt euch folgendes mal vor: Eine kleine Bar. Klein, aber gemütlich. Keine Hintergrundmusik. Keine 254 sauteuren Protz-Gins, sondern nur zwei, drei: Einen qualitativ guten, aber preiswerten und zwei edlere. Basta. Analog beim Scotch, beim Bourbon etc. Eine kuratierte Bar, eben. Und, erzählt mal, wäre es möglich, dass die Cocktails eher 12 Franken statt 22 kosten? Nähme mich wirklich wunder. #askingforafriend. Schön wär's.