World Vegan Day – der 1. November –, der Abschluss von Vegetarian Awareness Month, der am 1. Oktober mit World Vegetarian Day begann! Yay.
Zu letzterem listete ich eine Auswahl meiner Go-To-Vegi-Menus auf: Gerichte, die ich immer wieder liebend gerne koche, die zufällig auch vegetarisch sind. Nice.
Zum Weltveganertag wollte ich mal was anderes versuchen. Klar, sicher kämen mir da einige meiner Leibspeisen in den Sinn, die ebenfalls zufällig komplett vegan wären – Branston Pickle, etwa. Oder Caponata. Oder jedes zweite Pasta-Gericht, eigentlich.
Doch darum geht es nicht. Stattdessen wollte ich so essen, wie es Veganer gerne tun. Denn guckt man sich auf Blogs zu veganem Lifestyle rum oder hört man meinen veganen Kumpels zu, wird da selten von Spaghetti Aglio e Olio geschwärmt oder von Crunchy Erdnussbutter auf knusprigem Brot, nönö. Vielmehr wird dort mit Nüssen und interessanten pflanzlichen Proteinen hantiert. Hört sich durchaus spannend an.
Der Auftrag lautet also, vegane Gerichte zu essen, die Veganer gern haben. Ich sehe mich in einigen empfohlenen Restaurants in Zürich um:
Erster Halt ist einer dieser #trendy, #fresh, #nomnomnom Orte, von denen es auf Touristenwebseiten heisst, sie hätten «a higher than average percentage of attractive people». Ausserdem bieten sie sogenannte Buddha Bowls an, jener Favorit aller Instagram-Girlies. Beetnut heisst das Etablissement, an der zürcherischsten aller zürcherischen Gentrifizierungs-Meilen, der Europaallee, gelegen.
Ich bestelle eine «By the Inkas»-Bowl: Quinoa, Kale, Süsskartoffel-grüne Peperoni-rote Bohnen Trio, Avocado-Kale Guacamole, Cherry Tomaten, Frühlingszwiebeln, Koriander, Tortilla Chips. Black Mole Sauce. «Bio, vegan, glutenfrei, laktosefrei.» Und geschmacksfrei. Ich weiss nun nicht, ob da ein Fehler unterlaufen ist und das Salz vergessen ging, aber der Quinoa-Kale-Mix, der die Basis dieses Menus bildet, schmeckt nach rein. Gar. Nichts.
Das Gemüse obendrauf hatte auch nicht viel zu bieten und die Mole war nicht gerade die Feuerhölle. Die Guacamole war fein. Ich frage, ob sie etwas scharfe Sauce dazu hätten, Tabasco oder so. Chiliflocken aus der Mühle könnten sie mir anbieten. Ich nehme dankend an.
«Add organic protein!», empfiehlt die Speisekarte. Ich wähle geschnetzeltes Seitan – ein Fehler, wie sich herausstellt. Sorry, Leute, aber Seitan ist des Teufels. Vom Biss her erinnert es entfernt an Kebabfleisch, bloss etwas gummiger und ohne den feinen Fleischgeschmack. Vielleicht meinen Menschen, die seit Jahrzehnten kein Poulet mehr gegessen haben, da merke man keinen grossen Unterschied, aber – und ich sag's ja ungern – das sind Welten.
Hmm. Kein besonders gelungener Einstand. Doch ich will veganes Essen nicht nur anhand von White Girl Yoga Pants Instagram Food verurteilen. Flugs geht's am nächsten Tag zu The Sacred, nach Eigenbekundung «das erste vegane Bio-Restaurant der Schweiz».
Irgendwie ist mir der leicht altmödige Ethno-Groove von The Sacred sympathischer als der Millenial-Takeaway vom Vortag. Ein Grossteil der Klientel ist im Pensionsalter, beim Buffet hat es eine Büste vom spirituellen Lehrer Sri Chimnoy, hinten eine hübsche Kinder-Spielecke. Ich bediene mich am üppigen Buffet (man bezahlt nach Gewicht).
«Spinach Pie» – wie die griechische spanakopita, bloss ohne Feta – war ganz okay, wenn auch ein bisschen fade. Ebenso das Blumenkohl-Tabbouleh, wenn auch etwas wässrig. Die Veganella, jenes vegane Mozzarella-Substitut auf Cashewnuss-Basis, das mit wässrigen Tomaten serviert wurde, war leider ungeniessbar. Ähnlich übel ist die Tempeh an Pilz-Sauce und die Zucchini-Pasta (lies: Zucchini-Streifen) an Avocado-Sauce. Doch den Vogel abgeschossen (und damit zumindest metaphorisch tierisches Leid zugefügt) haben sie mit dem «veganen Salsiz», der hauptsächlich aus Randen und Erde zu bestehen schien.
Eine nicht unsympathische Beiz, aber ... naja, nachher machte ich beim örtlichen tamilischen Takeaway Halt, wo ich zwei Samosas erstand – komplett vegan, übrigens, und komplett tasty.
Tag 3: Ich mache einen auf Mainstream und gehe in eins der allseits beliebten Tibits-Restaurants, von denen es schweizweit doch einige gibt. Der Erfolg wird ihnen gewiss Recht geben.
Eines der beliebteren Gerichte ist das vegane Tatar, von dem es heisst, man merke den Unterschied zum echten Fleisch-Tatar nicht. Sagt zumindest meine Arbeitskollegin Angelina. Hier wiederum: Nein, Angelina, den Unterschied merkt man sehr wohl. Was aber nicht heissen muss, die Vegi-Approximation sei nicht fein. Sie schmeckt ganz ordentlich, wenn auch etwas sehr süss und Ketchup-lastig für meinen Geschmack. Leider war in meinem Fall die brösmelige Okara ein bisschen zu wenig untermischt (siehe zweites Bild oben). Dafür war der Beet-Burger mit BBQ-Sauce sehr fein. Ja, im Tibits benützt man Gewürze. Danke dafür!
Und als Abschluss begab ich mich in das Restaurant, das mir etliche Freunde als «eher teuer, aber so was von fein» beschrieben (ausser meinem Foodie-Kumpel Simone Meier – aber sie ist schliesslich auch Autorin eines Romans namens «Fleisch» ...): Die Marktküche im Kreis 4.
Ein typisch zürcherisches Restaurant: dezenter Schick, dezente Bedienung, hübsch angerichtete Speisen, wie es die hiesige gehobenere Klientel mag. Es gibt Amuse-Bouches und Grüsse aus der Küche. Olivenöl und Brötchen sind dabei, das zieht bei mir immer. Das Sechs-Gang-Menu für 99 Franken und den Achtgänger für 129 lasse ich für heute mal sein und bestelle eingelegte Waldpilze (mit Rande, Haselnuss und Birne) und danach fermentierten Buchweizen (Rosenkohl, Artischocke, Salsa Verde, Sauerklee). Ja, beides könnte man als fein bezeichnen. Nein, ohne journalistischen Auftrag würde ich nicht darauf hinsteuern. Auch hier: Geschmacklich dezent – aber eher wässrig als tasty.
Klar, tierische Fette sind nun mal effizientere Geschmacksträger als pflanzliche. Aber nicht zuletzt deshalb haben Kulturen, die traditionell eher auf fleischlose Küche setzten, grossartige Gewürztraditionen entwickelt. Masalas, Salsas – damit werden Kichererbsen erst fein. Weshalb schwärmen unsere First-World-Veganer von geschmackfreiem Quinoa oder Seitan?
Ich sehe einmal mehr meine alte Theorie gestützt: Veganer mögen ihr Essen nicht, weil es gut ist, sondern weil es sie sich gut fühlen lässt. Tempeh ist objektiv gesehen nicht fein. Aber das Wissen, etwas Gutes für sich und die Welt zu tun, das ist sowas von lecker.
Und wieder stellt sich die Frage: Funktioniert Veganismus analog wie Religion? (Nicht unpassend, dass World Vegan Day an Allerheiligen zu liegen kommt.) «Ich hätte Lust, im Bikini ins Wasser zu springen.» Geht nicht, wegen deiner Religion. «Ich fühle mich zu meinem gleichgeschlechtlichen Freund romantisch hingezogen.» Geht nicht, wegen deiner Religion. «Rösti mit Spiegelei – das wär's jetzt!» Geht nicht wegen deiner Reli... öh ... wegen deinem Veganismus. Und gewiss, manch eine Kopftuch-tragende Muslima und manch ein gläubiger Katholik werden dir erklären, dass diese vermeintlichen Einschränkungen für sie selbst eigentlich Freiheit bedeuten. Kann durchaus sein – aber nur, wenn man ein religiöser Mensch ist. Ich bin nun mal kein religiöser Mensch, weder im Glauben noch in der Ernährung. Dafür mag ich Genuss zu sehr. Und deshalb werde ich weiterhin sehr oft vegan essen – Ratatouille, Chana Masala, mmmh –, ohne dabei auf Veganella ausweichen zu müssen.