Erst vier Minuten sind im St.-Jakob-Park gespielt, als Basels Goalie Jonas Omlin aus dem Tor eilt, um den Ball vor dem Kopf des aufspringenden Thuners Kevin Bigler wegzufausten. Omlin verschätzt sich. Er hat keine Chance, an den Ball zu kommen. Er bricht sein Vorhaben aber nicht ab. Statt die Faust gegen den Ball einzusetzen, schlägt er sie dem Gegner wuchtig gegen den Kopf, gegen den Hinterkopf. Bigler bleibt eine Weile, offensichtlich benommen, am Boden und spielt danach weiter. 20 Minuten später geht es aber nicht mehr. Bigler muss sich auswechseln lassen. Der Verdacht liegt nahe, dass er durch Omlins Boxschlag eine Hirnerschütterung erlitten hat.
Diese Szene wird wohl noch zu reden geben: Basel-Goalie Omlin haut Thuns Bigler um, doch ein Elfmeterpfiff bleibt aus. #srffussball pic.twitter.com/aBGFXx1SIl
— SRF Sport (@srfsport) 3. März 2019
Dass ein Torhüter seine einmal begonnene Aktion mit aller Verletzungsgefahr gegen den Mann statt gegen den Ball fortsetzt, ist nicht neu. Das bekannteste Beispiel der Fussballgeschichte lieferte im WM-Halbfinal 1982 der deutsche Goalie Harald «Toni» Schumacher. Er vereitelte dem Franzosen Patrick Battiston eine Torchance, indem er ihm mit einer Kung-Fu-Attacke den Arm brach. Schumacher entschuldigte sich damals auf dem Platz nicht und schaute nicht einmal nach seinem Opfer.
Auch Omlin ging am Sonntag, ohne sich umzudrehen, seelenruhig ins Tor zurück, als wäre er sich keiner Schuld bewusst. Es kann auch sein, dass er zuerst sicher sein wollte, dass der Schiedsrichter nicht doch noch auf Rot und Penalty entscheiden würde.
Die Disziplinarkommission der Swiss Football League wird nicht darum herumkommen, eine Akte Omlin zu eröffnen. Fabio Daprelà, Verteidiger des FC Lugano, hatte am 23. September dem St. Galler Stürmer Cédric Itten mit einem mehr als brutalen Tritt das rechte Knie zerfetzt. Daprelà wurde für zwei und in zweiter Instanz für sechs Spiele gesperrt. Für Omlin dürfte der gleiche Strafrahmen gelten, da auch er mit seiner Aktion die Verletzung des Gegners in Kauf genommen hat.
Wie die Fernsehbilder zeigen, hatte Schiedsrichter Lukas Fähndrich eine gute Sicht auf die hässliche Szene, er liess aber weiterspielen. Ein Penalty und die ebenso fällige Rote Karte gegen Omlin hätten dem Match ein anderes Gesicht geben können. Dies wiederum ist eine Spekulation und mithin für den Entscheid nicht relevant.
Die zwei krassesten und mit nichts zu erklärenden Fehlentscheide der Rückrunde in der Super League wurden in Basel gefällt. Beide Male war Basel der Nutzniesser. Am 17. Februar erfand Alain Bieri einen Foulpenalty gegen Sions Goalie Kevin Fickentscher, der den Ball sauber zur Seite befreit hatte. Jetzt war die Reihe an Lukas Fähndrich.
Luca Zuffi erzielte nach einer umstrittenen Szene per Elfmeter den einzigen Treffer für den FC Basel 1893 gegen Sion. Was denkst Du zum Entscheid? 🤔 #SuperLeague #srffussball pic.twitter.com/Q3yjCor3nV
— SRF Sport (@srfsport) 17. Februar 2019
Es fragt sich, wie ein Schiedsrichter gegen das entscheiden kann, was er genau sieht. Liegt die Latte für einen Entscheid gegen den Grossen im Kopf des Schiedsrichters höher als die Latte für einen Entscheid gegen den Kleinen? Zumal im Stadion des Grossen, wo die Kulisse jeden beeindrucken kann? Parteilichkeit oder böse Absicht ist keinem Schiedsrichter, auch keinem Schweizer Schiedsrichter, zu unterstellen. Aber wie alle Menschen haben auch Schiedsrichter ein Unterbewusstsein, in dem sich Dinge abspielen. Sie spielen sich in den wenigen dem Schiedsrichter zur Verfügung stehenden Sekunden nach einer einschlägigen Szene ab. (zap/sda)