Der definitive Aufstieg war eigentlich schon länger nur noch Formsache. Doch seit dieser Woche darf die Region Neuenburg offiziell jubeln: Neuchâtel Xamax kehrt zurück in die Super League – nur sechs Jahre nachdem der dubiose tschetschenische Präsident Bulat Tschagajew den Klub in den Ruin getrieben hat.
Einer der Menschen hinter dem aktuellen Erfolg heisst Christian Binggeli. Binggeli hat den Klub in der zweiten Liga Interregional übernommen. Damals, als der Klub aus den Aschen vom juristischen Inferno unter Tschagajew stieg, versuchte er ihn wieder in geordnete Bahnen zu lenken. «Es war extrem schwierig. Tschagajew hatte so viel zerstört. Es gab kein Geld, nicht mal mehr irgendwelche Trikots», erzählt der Präsident.
Binggeli hatte sich nicht um die Aufgabe gerissen, er wurde von den Verantwortlichen angefragt, ob er das Präsidentenamt übernehmen könnte. Der Dentalmedizin-Unternehmer zögerte zunächst. Erst als er gemeinsam mit Verwaltungsrat Michel Favre ein Komitee einsetzen konnte, das sich gründlich mit der Rettung des Vereins befasste, sagte er zu.
Xamax wurde zum «Familienbetrieb». Binggeli kennt die Stadt und die Region. Nach eigenen Angaben hat er, seit er 15 ist, kein einziges Spiel auf der Maladière verpasst. Seinen Sohn machte er zum Vizepräsidenten und Stadionspeaker. «Wir mussten das Vertrauen der Sponsoren, der Fans und der Region wieder gewinnen», erklärt der Präsident. Transparenz sei das oberste Gebot gewesen.
Mit einem Budget von weit unter einer Million startete Xamax in die erste Saison nach dem Konkurs. Die Neuenburger dominierten gemeinsam mit Concordia die Liga. Nur eine Niederlage mussten sie einstecken. Der Aufstieg gelang sportlich, wäre aber auch sonst gesichert gewesen. Dank der Fusion mit dem FC Serrières spielte Neuchâtel Xamax FCS, wie der Verein neu heisst, ab der Saison 2013/14 so oder so in der ersten Liga. «Das war ein wichtiger Schritt. So konnten wir eine positive Dynamik entwickeln», sagt Binggeli.
Auch die zweite Saison nach dem Neuanfang und die erste seit der Fusion war eine klare Angelegenheit. Xamax dominierte die 1. Liga und stieg direkt in die Promotion League auf. Der Marktwert des Kaders betrug zu diesem Zeitpunkt bereits wieder über zwei Millionen Franken. Damals begann man zudem mit der Philosophie, frühere Xamax-Spieler wieder zurückzuholen.
«In der ersten Liga schlossen sich uns beispielsweise Laurent Walthert, Kiliann Witschi, Jérôme Schneider und Mike Gomes an», sagt Binggeli. Alles Spieler mit einer Vergangenheit bei Xamax. Das sei die Basis gewesen, um dann auch weitere Spieler zu einer Rückkehr bewegen zu können.
In der Promotion League (früher 1. Liga Promotion) gelang dem Schweizer Meister der Jahre 1987 und 1988 der dritte direkte Aufstieg in der dritten Saison. Erneut setzte Xamax auf Spieler aus der eigenen Jugend und Akteure, die schon früher einst für die Neuenburger gespielt hatten. Charles-André Doudin oder Freddy Mveng stiessen neu dazu.
Zum ersten Mal seit dem Neuanfang geht es nicht direkt eine Liga weiter. Im ersten Jahr in der zweithöchsten Liga ist Lausanne zu stark. Eine Saison später hat Xamax gegen den FC Zürich keine Chance. Im Sommer 2016 gelingt dennoch ein wichtiger Coup: Raphael Nuzzolo, der zwischen 2001 und 2011 bereits für die Neuenburger gespielt hat, kehrt zurück.
Toute l émotion du président de @XamaxFCS au moment où son club est officiellement promu! Bravo à lui et à tout le club. pic.twitter.com/naGVbOxkjp
— Sébastien Clément (@seb_cle) April 22, 2018
«Nuzzolo war bei YB unglücklich mit seiner Rolle. Wir konnten ihn dann von unserem Projekt mit einem klaren Ziel überzeugen.» Ein wichtiger Schachzug: Der verlorene Sohn war es denn auch, der in der Aufstiegssaison den Unterschied ausmachte. «Nuzz» schoss in 29 Spielen 23 Tore und war damit klar der beste Torschütze der Neuenburger.
Nun ist der Traditionsverein also zurück in der höchsten Schweizer Spielklasse. «Das ist nicht nur ein persönlicher Sieg. Es ist ein Sieg des Komitees, der Spieler, der Fans, des Kantons. Sie alle haben viel dazu beigetragen.»
Nur gerade sechs Jahre hat es gedauert, um aus dem Trümmerhaufen, den Bulat Tschagajew hinterlassen hatte, einen erfolgreichen Fussballverein zu formen. Mit einem derart schnellen Erfolg hat auch Christian Binggeli nicht gerechnet. Dennoch sagt der Präsident: «Ich wusste, dass wir dieses Jahr – unserem dritten in der Challenge League – aufsteigen müssen. Sonst wäre es wohl schwierig geworden, die erfolgreichen Spieler zu halten.»
Grosse Investitionen für die neue Saison sind bei Xamax nicht geplant: «Unsere Philosophie ist es, mit den Mitteln zu arbeiten, die wir haben», erklärt Binggeli. Gegenüber Mäzenen ist man in Neuenburg natürlich skeptisch geworden. «Wenn uns ein lokaler Investor Geld gibt, nehmen wir das unter Umständen natürlich gerne. Aber wir lassen uns deshalb nicht dreinreden.»
Auch sportlich soll sich die Mannschaft nicht stark verändern. «Drei Viertel der Spieler haben einen Vertrag für die nächste Saison. Wir werden nur noch 4-5 Verstärkungen suchen», sagt Binggeli. Unter dem Trainer Michel Decastel, der vergangene Saison die Mannschaft übernommen hat, sei man professioneller geworden und sportlich gewachsen. Das werde man auch in der Super League spüren.