Schon sein Name klingt verheissungsvoll: «Proxima b» heisst der neuentdeckte erdähnliche Planet, der in unserem Nachbarsystem den Stern Proxima Centauri umkreist, einen sogenannten Roten Zwerg. «Proximus» ist Latein und bedeutet: «der Nächste», «ganz nahe».
Tatsächlich ist Proxima Centauri nur 4,24 Lichtjahre – das sind rund 40 Billionen Kilometer – von unserer Sonne entfernt. Keine andere Sonne befindet sich näher an der Erde; der Exoplanet Proxima b ist damit unser nächster Nachbar im All. In kosmischen Massstäben sind 4,24 Lichtjahre ein Katzensprung: Wäre die Milchstrasse so gross wie die Stadt Zürich, läge zwischen den beiden benachbarten Sonnen nur eine Distanz von einem guten halben Meter.
Kein Wunder sprechen nicht nur die Astronomen von einer sensationellen Entdeckung. Bisher entdeckte Exoplaneten befanden sich meist in unfassbarer Entfernung von unserem Sonnensystem, zudem handelte es sich überwiegend um unwirtliche Gasplaneten.
Nicht so der neuentdeckte Nachbar: Proxima b weist nicht nur eine angenehme Grösse auf – etwa das 1,3-fache der Erdmasse –, er umkreist auch sein Zentralgestirn in der sogenannten habitablen Zone. Sollte es Wasser auf dem Exoplaneten geben, würde es dauerhaft in flüssiger Form vorliegen, was eine Voraussetzung für erdähnliches Leben ist.
Proxima b ist damit der heisseste Kandidat für eine interstellare Reise. Leider stellt der Katzensprung von 4,24 Lichtjahren für unseren derzeitigen technischen Stand eine unüberwindliche Distanz dar; jedenfalls wenn man für das Erreichen des Ziels das Kriterium «innert nützlicher Frist» heranziehen will. Zum Vergleich: Der bisher einzige Himmelskörper, auf den Menschen tatsächlich ihren Fuss setzen konnten, ist der Mond. Und der ist nur gerade 1,5 Lichtsekunden entfernt.
Auch das bisher einzige von Menschen geschaffene Objekt, das unser Sonnensystem verlassen hat, müsste noch eine ganze Weile weiterfliegen, bis es Proxima b erreichen würde: Die Raumsonde Voyager 1, gestartet am 5. September 1977, käme dort erst in rund 74'000 Jahren an. Und das, obwohl die Sonde mit beachtlichen 17 Kilometern pro Sekunde (km/s) durch den interstellaren Raum rast. Auch die derzeit maximal erreichbaren 30 km/s (108 000 km/h) würden die Reisezeit – wohlverstanden nur für den Hinflug – lediglich auf etwa 40'000 Jahre verkürzen.
Mit konventionellen Konzepten, wie sie bei den Mondflügen zur Anwendung kamen, kommt man leider nicht sehr weit.
Sofern man auf die «Nutzlast Mensch» verzichtet, könnte die Reise jedoch wesentlich verkürzt werden. Zumindest wenn man dem berühmten britischen Physiker Stephen Hawking glaubt: Zusammen mit Facebook-Gründer Mark Zuckerberg unterstützt er das Projekt Breakthrough Starshot, das eine nur wenige Gramm schwere Raumsonde in nur 20 Jahren ins Centauri-System bringen will.
Die Antriebstechnik dafür existiert vorerst nur in der Theorie: Die Raumsonde soll über ein riesiges Segel verfügen, auf das von der Erde aus leistungsstarke Laser zielen. Der Rückstoss der Photonen könnte eine solche Mini-Sonde innert zehn Minuten auf ein Viertel oder ein Fünftel der Lichtgeschwindigkeit beschleunigen.
Diese enorme Geschwindigkeit würde aber spätestens bei der Ankunft im Orbit von Proxima b zum Problem, denn zum Abbremsen wären erneut riesige Energiemengen vonnöten. So könnte die Sonde wohl nur eine Fly-by-Mission ausführen und müsste nach ein paar schnell geknipsten Fotos weiter in die Tiefen des Weltalls rasen.
Sobald man aber Menschen auf den fernen Exoplaneten bringen möchte, kommt man mit diesem Verfahren nicht zum Ziel. Sollte ein Astronaut zu Lebzeiten wenigstens den Hinflug schaffen, müsste sein Raumschiff mindestens zehn Prozent der Lichtgeschwindigkeit erreichen. Das ergäbe inklusive Beschleunigungs- und Bremsphase eine Reisezeit von mehr als 44 Jahren. Solche Geschwindigkeiten sind mit den gegenwärtigen technischen Mitteln nicht zu erreichen – vielleicht aber mit jetzt noch hypothetischen Fusions- oder Antimaterie-Antrieben.
Noch weit hypothetischer sind Möglichkeiten der Fortbewegung, die jedem Science-Fiction-Fan bestens vertraut sind: Wurmloch oder Hyperraum. Oder – nun endgültig im Bereich der Fiktion – der charmante, aber etwas unzuverlässige Unendliche Unwahrscheinlichkeitsantrieb aus Douglas Adams' Per Anhalter durch die Galaxis.
Sofern sich die Geschwindigkeit nicht entscheidend steigern lässt, müssten Reisewillige auf ganz andere Methoden zur Überwindung der enormen interstellaren Distanzen zurückgreifen. Zwei mögliche Lösungen für das Problem einer solchen Langzeitmission sind Generationen-Raumschiffe und «konservierte» Besatzungen auf Schläferschiffen.
Die Crew eines solchen Schläferschiffs würde in einen Kryoschlaf – eine Art künstlichen Winterschlaf – versetzt, in dem die Lebensprozesse extrem verlangsamt ablaufen oder angehalten sind. Einmal am Ziel angekommen, wird die Besatzung reanimiert. Dieses Konzept ist in Science-Fiction-Filmen sehr beliebt.
Generationen-Raumschiffe dagegen müssten eine eigene, autarke Welt darstellen; gewissermassen eine Erde im Miniformat. Die erste Generation der Astronauten würde an Bord gehen, um sich dort fortzupflanzen. Und ohne Aussicht darauf, das Schiff jemals wieder lebend zu verlassen. Eines der Hauptprobleme wäre dabei, das ökologische Gleichgewicht an Bord zu bewahren.
Bei extremen Langzeitmissionen über tausende von Jahren hinweg müsste auch damit gerechnet werden, dass die auf dem Schiff lebenden Menschen allmählich das Ziel aus den Augen verlieren und sich komplett an ein Leben auf dem Schiff anpassen würden.
Wie enorm ein Zeitraum von 40'000 Jahren ist, wird einem vielleicht klar, wenn man so weit in die Vergangenheit zurückblickt: Ungefähr vor 40'000 Jahren starb der Neandertaler aus. Es ist daher durchaus vorstellbar, dass die Besatzung eines Generationenschiffs mit der Zeit vergessen würde, dass sie auf einem Raumschiff lebt und dieses für die ganze Welt hält.