Wir hatten das ganze Wochenende zusammen verbracht. Für mich war es so viel mehr als nur ein bisschen zusammen abhängen und Spass haben. Ich liebte Lukas.
Wir kannten uns bereits eine Weile. Ich war schon hin und weg, als wir uns zum ersten Mal begegneten. An einer WG-Party. Ich war mit meinem Freund da, er mit seiner Freundin.
Ein paar Monate später standen wir an einem Konzert nebeneinander. Ich war getrennt. Er in Trennung. Wir tauschten Nummern. Es folgten ein paar Dates und ein langer Spaziergang durch die Nacht.
Mit Lukas war sogar ein grauer Regentag so bunt und toll wie ein Universum aus 100 Tonnen Konfetti. An Lukas’ Seite war alles leicht, unbeschwert, schön. Bei Lukas hatte ich Herzklopfen.
Irgendwann der erste Kuss. Wir waren nüchtern – und schüchtern. Und ich sehr verliebt. Als ich mir eines Abends genug Mut antrank, offenbarte ich ihm meine Gefühle. Die er nicht erwiderte.
Statt die Geschichte zu beenden, redete ich mir ein, okay mit der Unverbindlichkeit zu sein. Über ein Jahr lang führten wir eine Art Beziehung. Gemeinsame Ferien, Alltagsroutine und Sonntage auf der Couch inklusive.
Ich gewöhnte mich an Lukas. Und an unsere Beziehung, die offiziell keine war. Bis zu diesem einen Sonntag im Spätherbst, als er meine Wohnung verliess, war alles gut. Ich klappte meinen Laptop auf, der mir freie Sicht auf Lukas’ Inbox gewährte. Lukas hatte sich in seinen E-Mail-Account eingeloggt, um mir was zu zeigen. Nur ausgeloggt hat er sich nicht.
Ich starrte auf den Bildschirm. Tina. Überall Tina. Die letzte Mail erreichte ihn vor ein paar Stunden. Gut möglich, dass wir da in meiner Badewanne lagen.
Wohlwissend, dass ich gerade einen Vertrauensbruch begehe, fing ich an zu lesen. Und hörte nie wieder auf. Ich machte nur eine kurze Pause, um Zigaretten zu holen. Ich rauchte Kette, hörte Herzschmerz-Schnulzen und heulte Rotz und Wasser.
Lukas und Tina. Sie seit einem Jahrzehnt in einer Beziehung. Trotzdem fühlt sie sich zu ihm hingezogen. Den Mails entnehme ich, dass sich die beiden mehrfach getroffen und geküsst haben. Mehr lief offenbar nicht. Zumindest nicht im realen Leben. Was sie sich hier aber hin und her schickten, war ein Softporno untermalt mit aufkeimender Liebe.
Ich hatte nichts gemerkt. Es war kurz nach vier Uhr, als ich bei der Mail ankam, die mir das Blut in den Adern vollends gefrieren liess. Da waren sie. Die drei magischen Worte. Die ich mir so wünschte. Die ich nie bekam. Weil sie Tina gehörten. In grossen Lettern stand da geschrieben:
Seit dieser Geschichte sind fünf Jahre vergangen. Tina und Lukas wurden nie ein Paar. Lukas und ich auch nicht. Er hat derweil fast keine Haare mehr. Und die wenigen, die er noch hat, sind grau.
Geschieht ihm recht.
Er sieht trotzdem immer noch wahnsinnig gut aus.
Ich hasse Lukas. Und ein bisschen liebe ich ihn eventuell möglicherweise je nach Zyklus und ob ich aus Langweile gerade all seine sozialen Netzwerke gestalkt habe, immer noch. So wie jetzt gerade.
Scheisse.
Adieu,
Dann schick sie per Mail an Emma: emma.amour@watson.ch