Ich will dem geschätzten Tester vom «Blick» (siehe Zitat) nicht zu nahe treten. Doch sollten wir bei der Realität den Realitäten bleiben und den Leuten nichts vormachen: Saugroboter, Roboter-Staubsauger, Staubsauger-Roboter, oder wie auch immer die Dinger heissen, sind dumm. Punkt.
Da können die Marketing-Spezialisten noch so gross auf die Verpackung oder in die Medienmitteilung schreiben, dass es sich um «intelligente» Geräte handelt. Fakt ist: Wir sind noch weit entfernt vom ersten «Smart-Saubstauger», der menschlichen Verstand und Putzkraft ersetzt.
Die im Handel erhältlichen Geräte können das Leben erleichtern. Ich habe gleich zwei Exemplare ausgiebig getestet. Nicht etwa, weil mein Zuhause ein dermassen schlimmer Saustall wäre (meistens! 😏), sondern weil ich nicht gern über Produkte schreibe, die ich kaum kenne.
Es hat also etwas länger gedauert, und ist kein knochentrockener Review mit Spezifikationen und tonnenweise Fachbegriffen: Vielmehr möchte ich mit dem vorliegenden Testbericht auch Laien das Thema näherbringen.
Und noch etwas vorweg: Wer einen Labrador-Retriever oder ein anderes stark haarendes Haustier hat, dem kann ich die Anschaffung wärmstens empfehlen. Man sollte die Saugroboter aber nicht zu ernst nehmen ...
Meine ersten Eindrücke zu Roboterstaub-Saugern hatte ich im April 2018 in diesem Beitrag verarbeitet. Darin erkläre ich auch, warum man/frau dem Neuen im Haushalt unbedingt einen männlichen Vornamen geben sollte. 😉
Letzten Herbst gesellte sich ein Roborock 2 von Xiaomi dazu. Der chinesische Hersteller wurde mit dem Klonen von Apple-Produkten bekannt, hat aber viel mehr auf dem Kasten. Wie etwa leistungsfähige, preiswerte Saugroboter.
Die zweite Roborock-Generation braucht sich nicht vor dem Platzhirsch aus Schweden zu verstecken, wie wir gleich sehen. Obwohl die Schweden den Saugroboter erfunden haben, respektive das erste kommerzielle Gerät auf den Markt brachten. Das war vor 16 Jahren!
Wer sich für die Geschichte interessiert, die mit einem relativ sexistischen BBC-Film anfing, kann die folgende Bildstrecke durchklicken. Dann geht es richtig los ...
Den Roborock 2 hatte ich gefühlt etwas schneller am Laufen, ohne einen einzigen Blick in die Anleitung zu werfen. Die wäre übrigens gut illustriert und in verständlichem Englisch gehalten. Beim Pure i9 von Electrolux – meinem ersten – hatte ich zunächst etwas mit der Verbindung zu kämpfen. Da muss man ein Ad-hoc-WLAN erstellen, dann gehts einfach.
«De gustibus non discutandum», sagten die alten Römer und meinten damit, dass Design Geschmacksache ist.
Bleibt anzumerken, dass man zwar nicht über Geschmack streiten kann. Es ist aber sehr wohl möglich, die Vor- und Nachteile eines bestimmten Designs zu beurteilen. Dies sehen wir gleich beim nächsten Punkt.
Der Pure i9 putzt dank dreieckiger Form tatsächlich – wie vom Hersteller versprochen – besser in den Ecken. Doch hat im runden Gehäuse des Roborock 2 ein grösserer Akku Platz, so dass der Chinese ausdauernder ist.
Die Akkulaufzeit des Xiaomi-Saugroboters beträgt laut Hersteller 150 Minuten. Im Alltag legt mein Testgerät jeweils nach rund einer Stunde einen Boxenstopp ein. Das heisst, es fährt selbständig zurück zur Ladestation und setzt das Saugen nach rund zweistündigem Aufladen fort.
Der Schwede muss schon früher zum Aufladen. Der grösste Nachteil ist die Akkulaufzeit von knapp 60 Minuten im «Eco-Modus» und deutlich weniger im Normalmodus. Wobei man dann wegen des Lärms am besten flüchtet ...
Einen App-Design-Wettbewerb gewinnen weder die Schweden, noch die Chinesen. Die «Mi Home»-App fürs iPhone erfüllt ihren Zweck, sie kann auch als Smart-Home-Hub für andere Xiaomi-Haushaltsgeräte dienen. Bezüglich Funktionsumfang hat sie jedenfalls die Nase vorn:
Die Mi-Home-App gibts natürlich auch für Android. Und auch die Pure-i9-App von Electrolux gibts im Play Store.
Beide Apps erhielten während meiner mehrmonatigen Testphase kleinere und grössere Updates. Zahlreiche Fehler wurden behoben und neue Features eingeführt.
Der Electrolux-App fehlt die Funktion, einen bestimmten Bereich der Wohnung gezielt zu reinigen – dies kann man nur durch einen Knopf am Gerät verlangen.
Fazit: Insgesamt lässt die Benutzerfreundlichkeit auf dem iPhone doch etwas zu wünschen übrig. Man merkt, dass die Spezialität der Schweden bei der Hardware, und nicht der Software liegt.
Die App reagierte zwischendurch schwerfällig, die Verbindung zum Saugroboter klappte nicht immer sofort. Woran dies lag, habe ich nicht herausgefunden. Nach den jüngsten App-Updates war die Erreichbarkeit «gefühlt» besser.
Die Schweden sind stolz auf ihre «3D Vision» genannte Technologie, die beim Herumfahren den Raum scannt. Vorne im Gehäuse stecken eine Kamera und zwei Laser-Sensoren, die Gegenstände dreidimensional erfassen. Der Saugroboter zieht aus den Geodaten die richtigen Schlüsse, umfährt die meisten Hindernisse, ohne anzustossen, weicht Treppen aus und vor allem: Er erkennt auch Kacke, stoppt rechtzeitig und überfährt tierische Hinterlassenschaften nicht. Das mag in der Praxis selten bis nie vorkommen, demonstriert aber in unserem Video, wie fortgeschritten die Technik ist.
Was nach mehreren Updates besser wurde, ist das scheinbar planlose Herumfahren und Drehen am Ort. Während der Pirouetten erfasst der Pure i9 die Umgebung, das ist klar. Aber offensichtlich ist das viel häufiger nötig als beim Roborock 2, dessen Fahrten ein logisches Muster, respektive immer ein systematisches Vorgehen, erkennen liessen.
Der Roborock 2 hat auch zahlreiche Sensoren an Bord, fährt aber relativ schonungslos auf Hindernisse zu und überfährt sie, was bei Kacke ins Desaster führen würde. Bei Widerstand – etwa durch ein Stuhlbein – reagiert das Gerät richtig und setzt die Fahrt in eine andere Richtung fort.
Was der Chinese besser beherrschte, als der Schwede, war die Orientierung im Raum. Beim Pure i9 kam es mehrmals vor, dass der Saugroboter nicht «nach Hause» fand zum Aufladen, sondern irgendwo auf halber Strecke stehenblieb. Der Roborock 2 hingegen kehrte zuverlässig zu seiner Ladestation zurück und setzte anschliessend das Putzen fort.
Hingegen blieb der Chinese mehrmals unter dem Sofa stecken und blieb auch beim Versuch hängen, unsere Stühle zu überwinden.
Der Schwede hingegen erwies sich als Kletterkünstler, der 2 Zentimeter hohe Schwellen problemlos schaffte. Und er erkannte bei den besagten Stühlen, dass sich das Überklettern nicht lohnt – und umfuhr sie einfach.
Beide Testgeräte kommen gut mit Teppich klar. Sie erhöhen vorübergehend (und deutlich hörbar) die Saugleistung.
Am besten ist die Saugleistung auf Parkett oder Steinboden. Da lassen beide kaum etwas zu wünschen übrig. Wobei der Test mit Katzenstreu zeigt, dass einzelne Körner von der Seitenbürste des Roborock 2 weggeschleudert werden, statt sie unter das Gerät (in den Saugschlitz) zu befördern.
Mit verdreckten Teppichen kamen beide Roboter erfreulich gut klar. Der Schwede erhöhte automatisch (und gut hörbar) die Saugleistung, wenn er auf langhaarigen Unterlagen unterwegs war. Der Chinese ging streng nach Plan vor.
Beide Geräte lassen sich relativ einfach warten.
Am wichtigsten ist es, regelmässig die Bürstenrolle herauszunehmen und von Haaren und Schmutz zu befreien, damit die Bürste einwandfrei arbeiten kann. Um die Räder bzw. deren Achsen zu säubern, muss man etwas mehr Aufwand betreiben. Aber auch das lohnt sich. Zudem sollte man das Fenster für den Scanner mit einem Tuch abwischen.
Bei beiden Testgeräten lassen sich die Filter, die auch feinste Schmutzpartikel festhalten sollen (HEPA bzw. «Allergy Plus») abwaschen. Der Filter sollte nicht nur regelmässig gereinigt, sondern auch bei Gelegenheit ersetzt werden.
Über den Online-Handel gibt es relativ zeitnah Ersatz. Wobei der Unterhalt ins Geld geht. Das Zubehörpaket für den Pure i9 von Electrolux kostet knapp 60 Franken. Einzelne Bürsten für den Roborock 2 von Xiaomi gibts für 30 Franken.
Ich habe den Pure i9 von Eletrolux in einem früheren Beitrag als das iPhone unter den Saugroboter bezeichnet, vor allem was den Preis betrifft. Leider kostet der Schwede derzeit wieder um die 800 Franken (Stand: Anfang Januar 2019), nachdem es ihn für kurze Zeit stark vergünstigt gegeben hatte. Der Chinese kostet im Online-Handel um die 500 Franken.
Es ist wie bei neuen iPhones. Wer nicht aufs Geld schauen muss, kann den Pure i9 von Electrolux durchaus in Betracht ziehen. Der Schwede gefällt mit schlanken Design, umfährt dank 3D-Lasersystem alle Hindernisse und kann bis zu einer gewissen Höhe Schwellen überklettern. Er putzt gut in den Ecken, hat selten Störungen und ist ziemlich laut.
Minuspunkte gibt es von meiner Seite vor allem wegen der Software: Zwar lässt sich die App nach einigen Updates mehr oder weniger problemlos bedienen, doch lässt sich hier durch die Entwickler noch sehr vieles optimieren.
Wie man es mit der Software besser macht, demonstriert Xiaomi. Die Chinesen haben mit dem Roborock 2 einen ernstzunehmenden Herausforderer am Start, der deutlich teureren Konkurrenten gefährlich werden kann. Das Gerät lässt sich problemlos in Betrieb nehmen, die App ist ziemlich benutzerfreundlich.
Minuspunkte gibts im Alltag: Der Chinese hat einen kleinen Staubbehälter und hängt sich manchmal bei Hindernissen auf. Verbesserungswürdig ist auch die Bürste. Wobei es sich hier um Jammern auf hohem Niveau handelt.
Insgesamt liefern der Chinese und der Schwede solide Putzarbeit ab. Mehr nicht. Soll heissen: Wir werden auch die nächsten Jahre zusätzlich zum normalen Staubsauger greifen müssen, um nachzubessern. Saugroboter sind eine praktische Ergänzung, um gegen Haustierhaare und «Brösmeli» anzukämpfen, den Menschen ersetzen sie nicht.
Das gilt auch für die Wisch-Mob-Funktion des Roborock 2. In der Zeit, die man für das Montieren des entsprechenden Teils braucht, hat man das Malheur längst weggeputzt.