Die Schweizer Internet-Anbieter machen im weltweiten Vergleich einen glänzenden Job, zumindest wenn es um Netflix geht. Nirgendwo sonst stellen die Internet-Provider in den kritischen Stosszeiten am Abend mehr Bandbreite für das Streamen von Netflix-Serien zur Verfügung.
Im März 2017 lag die Schweiz im Geschwindigkeitsindex von Netflix unangefochten auf Platz 1, vor Belgien, Holland und Luxemburg.
Schweizer können im Durchschnitt mit 4,28 Megabits pro Sekunde (Mbit/s) Netflix-Serien streamen, in Deutschland stellen die Provider im Schnitt 3,83 Mbit/s und in den USA 3,64 Mbit/s zur Verfügung. Die Top 10 sieht wie folgt aus:
Nicht tauschen möchten wir mit den Serienfans in Venezuela: Die dortigen Internetanbieter stellen im Durchschnitt gerade mal 1.12 Mbit/s für Netflix zur Verfügung.
Es ist kein Geheimnis: Netflix und YouTube gehören zu den grössten Internet-Traffic-Verursachern auf dem Planeten Erde. Gab es 2012 erst knapp 30 Millionen Netflix-Abonnenten, hat der der Streaming-Dienst heute rund 100 Millionen zahlende Kunden in 190 Ländern. Da ein Abo oft von mehreren Menschen genutzt wird, liegt die Zahl der aktiven Nutzer weit jenseits der 100 Millionen. Kommt hinzu, dass immer mehr Serien in 4K gestreamt werden. Die Internet-Provider müssen die Datenübertragungs-Kapazität für Netflix daher auch künftig massiv ausbauen, soll es zu Stosszeiten nicht zu Engpässen kommen.
Zu Spitzenzeiten am Abend, wenn Millionen Serien-Fans vor dem Fernseher sitzen, ist es für Swisscom, UPC, Sunrise und alle anderen Internet-Provider eine tägliche Herausforderung, den Datenverkehr zu steuern, ohne das Internet zu zerstören. Einige Provider machen dabei einen besseren Job als andere. Und wir alle wissen, was passiert, wenn der eigene Provider Mist baut.
Netflix komprimiert alle Videos, die durchs Netz geschleust werden, aber es liegt zu grossen Teilen in der Hand des Internet-Anbieters, ob das Serienvergnügen ohne Ruckeln und Nachladen über die Mattscheibe flimmert. Swisscom und Co. entscheiden, wie viel Bandbreite sie für Netflix zur Verfügung stellen.
Netflix wiederum misst, wie viel Datenübertragungs-Kapazität (Bandbreite) die Provider für das Streamen der Serien zur Verfügung stellen und veröffentlicht diese Informationen im Internet. Der Streaming-Gigant übt so subtil Druck auf die Provider aus, auch zu Stosszeiten den Datenverkehr von Netflix nicht zu sehr zu drosseln.
Kleinere Provider wie Impro Ware und Quickline haben zwar noch die Nase vorn, aber auch die Branchenschwergewichte Swisscom, UPC und Sunrise haben ihre Kapazitäten für Netflix seit Ende 2016 nochmals deutlich ausgebaut.
Was passiert, wenn Internet-Provider Netflix mutmasslich ausbremsen, mussten Swisscom-Kunden vor einem Jahr auf die harte Tour erleben: Im März 2016 beklagten sich viele Netflix-Nutzer mit einem Swisscom-Abo über Streaming-Probleme. Swisscom sah sich mit dem Vorwurf konfrontiert, man bremse Netflix bewusst aus.
Hintergrund des sogenannten Netflixgate bei Swisscom war eine Kraftprobe zwischen dem weltgrössten Streaming-Anbieter und dem grössten Schweizer Internet-Provider. Netflix und Swisscom waren sich offenbar uneins, ob und wie viel Geld der Streaming-Anbieter dem Provider für die Übertragung der gewaltigen Datenmengen bezahlen muss. Der Zwist wurde schlussendlich auf dem Buckel der Konsumenten ausgetragen, da es um viel Geld geht.
Im Streit mit Netflix knickte Swisscom schliesslich ein und lässt seitdem zu, dass Netflix seine Inhalte direkt ins Swisscom-Netzwerk einspeisen darf. Dies bedeutet für Swisscom einen Machtverlust gegenüber Inhalte-Anbietern wie Netflix, Amazon, Zattoo etc., die Kunden hingegen profitieren von Streaming ohne Buffering.
In der Branche wird gemunkelt, dass Swisscom seit Kurzem gar sogenannte Cache-Server für Netflix betreibt, also Netflix-Serien in den eigenen Rechenzentren zwischenspeichert, um Störungen weiter zu reduzieren. Dies ist nur ein weiteres Indiz dafür, wie mächtig Netflix inzwischen geworden ist und wie wichtig der ungetrübte Serien-Genuss den Kunden von Swisscom und anderen Providern ist.
Die @Swisscom_de übernimmt immer mehr @init7 Tugenden: freie Routerwahl und -tadaa- #Netflix Cache Server. #Netflixgate zeigt Wirkung. https://t.co/eFmzhxpxTO
— Fredy Kuenzler (@kuenzler) April 27, 2017
Die Schweiz ist Netflix-Weltmeister, weil es sich Swisscom, UPC, Sunrise und Co. gar nicht mehr leisten können, den in der Schweiz mit Abstand beliebtesten Streaming-Anbieter auszubremsen. Sie würden damit nur die eigenen Kunden vergraulen und riskieren, dass diese zu einem Provider abwandern, der Netflix störungsfrei durch das Netz schleust.
Das Fazit: Wenn deine Netflix-Serie doch mal wieder ruckelt, denk daran: Es liegt zu 99 Prozent nicht an Netflix, sondern am Internet-Provider deiner Wahl. Und in allen anderen Ländern sind die Probleme definitiv grösser.