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Syrien

Assad wehrt sich: Chemiewaffenangriff zu «hundert Prozent konstruiert»

Assad wehrt sich: Chemiewaffenangriff zu «hundert Prozent konstruiert»

13.04.2017, 16:2315.04.2017, 15:10
FILE -- In this Sept. 21, 2016 file photo released by the Syrian Presidency, Syrian President Bashar Assad speaks to The Associated Press at the presidential palace in Damascus, Syria. U.S. Secretary  ...
Ist er unschuldig? Baschar al-Assad.Bild: AP/Syrian Presidency

Der mutmassliche Chemiewaffenangriff von Chan Scheichun ist laut dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad zu «hundert Prozent konstruiert». Die syrische Armee verfüge über keine Chemiewaffen mehr.

«Wir können eine Untersuchung nur erlauben, wenn sie unabhängig ist.»
Assad

Assad warf dem Westen und vor allem den USA in einem Exklusiv-Interview mit der Nachrichtenagentur AFP in Damaskus vor, den angeblichen Chemiewaffenangriff als «Vorwand» für den US-Luftangriff auf die syrische Armee genutzt zu haben.

In seinem am Mittwoch geführten ersten Interview nach dem US-Angriff auf eine syrische Luftwaffenbasis vor einer Woche sagte Assad mit Blick auf den mutmasslichen Chemiewaffenangriff: «Das ist für uns zu hundert Prozent konstruiert.» Der Westen und die USA arbeiteten eng mit den «Terroristen» zusammen, fügte er mit Blick auf seine bewaffneten Gegner in Syrien hinzu.

«Nie» eingesetzt

Den Vorwurf westlicher Länder, dass die syrische Luftwaffe den Chemiewaffenangriff auf Chan Scheichun geflogen habe, wies Assad zurück: «Wir haben keine Chemiewaffen. (...) Vor mehreren Jahren, 2013, haben wir auf unser gesamtes Arsenal verzichtet.» Selbst wenn Damaskus solche Chemiewaffen noch hätte, hätte es diese «nie» eingesetzt.

Der syrische Machthaber machte darüber hinaus deutlich, dass er nur einer «unabhängigen» externen Untersuchung des mutmasslichen Chemiewaffenangriffs zustimmen werde. «Wir können eine Untersuchung nur erlauben, wenn sie unabhängig ist», sagte er. Unparteiische Länder müssten Teil einer solchen Untersuchung sein, um sicherzustellen, dass diese nicht für politische Zwecke genutzt werde.

Der Westen wirft der syrischen Luftwaffe vor, am 4. April einen Giftgasangriff auf die Kleinstadt Chan Scheichun im Nordwesten Syriens geflogen zu haben. Dabei waren nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte 87 Zivilisten getötet worden, unter ihnen 31 Kinder.

«Unsere Feuerkraft, unsere Fähigkeit, die Terroristen anzugreifen, ist durch den Angriff nicht beeinträchtigt worden.»

Ärzte und Aktivisten vor Ort bezeichneten die Symptome der Opfer als typisch für Giftgas. Die Bilder der Toten und der leidenden Menschen hatten weltweit für Entsetzen gesorgt. Moskau und Damaskus hatten jegliche Verantwortung für den Chemiewaffenangriff bestritten und mitgeteilt, bei einem Luftangriff sei ein Giftgaslager der Rebellen getroffen worden.

Am vergangenen Freitag griffen die USA als Vergeltung einen syrischen Luftwaffenstützpunkt mit Marschflugkörpern an. Es war der erste direkte Angriff des US-Militärs auf die syrischen Regierungstruppen.

Schlagkraft nicht beeinträchtigt

Assad sieht durch diesen Angriff die Schlagkraft der eigenen Armee in keiner Weise beeinträchtigt. «Unsere Feuerkraft, unsere Fähigkeit, die Terroristen anzugreifen, ist durch den Angriff nicht beeinträchtigt worden», sagte er.

Über die bisherigen Friedensverhandlungen sagte er, Washington sei nicht ernsthaft an einer politischen Lösung interessiert. «Die USA meinen es nicht ernst in ihrem Bemühen um eine politische Lösung», sagte der syrische Machthaber. «Sie wollen den politischen Prozess nutzen, um die Terroristen zu schützen.»

Der Syrien-Krieg hatte im Frühjahr 2011 im Zuge des Arabischen Frühlings mit zunächst friedlichen Protesten gegen Assad begonnen. Seither wurden mehr als 320'000 Menschen bei den Kämpfen getötet und Millionen Syrer in die Flucht getrieben. Die USA, Russland und zahlreiche weitere Konfliktparteien sind in den Syrien-Krieg involviert.

USA des Giftgaseinsatzes bezichtigt

Syrien versuchte am Donnerstag, den USA die Verantwortung für eine angebliche Freisetzung von giftigen Stoffen im Osten des Landes anzulasten. Das staatliche Fernsehen berichtete, bei einem Angriff der von den USA angeführten Militärkoalition am Mittwoch sei ein Giftgas-Depot der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) getroffen worden.

Die dabei freigesetzte Substanz habe Hunderte Menschen getötet. Der Zwischenfall in der Provinz Deir al-Sor beweise, dass der IS und die mit der Al-Kaida verbundenen Extremisten Chemiewaffen besässen.

Die US-Koalition wies diese Darstellung umgehend zurück: Sie habe zu der Zeit und in dem Gebiet keine Luftangriffe geflogen, teilte der US-Luftwaffenoberst John Dorrian, ein Sprecher der Koalition, der Nachrichtenagentur Reuters per E-Mail mit. «Die Behauptung Syriens ist falsch und wahrscheinlich eine absichtliche Fehlinformation.»

Das russische Verteidigungsministerium erklärte, es habe keine Informationen darüber, dass Menschen bei einem Angriff der internationalen Koalition in Deir al-Sor getötet worden seien.

18 verbündete Kämpfer getötet

Die US-geführte Militärkoalition hat nach eigenen Angaben bei einem Luftangriff in Syrien versehentlich 18 Kämpfer von verbündeten örtlichen Truppen getötet. Irrtümlich seien im Norden des Landes Einheiten der arabisch-kurdischen Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) beschossen worden, teilte die Allianz am Donnerstag mit.

Der Angriff südlich von Takba sei von den SDF selbst angefordert worden. Diese hätten das daraufhin am Dienstag attackierte Ziel irrtümlich als Stellung des IS identifiziert gehabt, hiess es in der Mitteilung. (sda/afp/reu)

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12 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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klugundweise
13.04.2017 17:29registriert Februar 2014
Assad sass fest im Sattel, unterstützt von Russland und dem Iran. Den USA schwammen die Felle im regionalen Machtpoker davon.
Und dann der Gasangriff. Man frage sich "cui bono", zu wessen Vorteile! Assad konnte damit nur verlieren. Die USA sind gemeinsam mit GB und F wieder im Spiel.
Kennen wir doch vom Irak.
Und dann noch 2 Fragen:
1. Wie würde das Machtvakuum nach Assad gefüllt? Wie in Afghanistan, in Libyen, im Irak?!
2. Warum wird nicht klar deklarieret dass die sogenannte "Beobachtungsstelle für Menschenrechte" eine One-Man-Show eines oppositionelle Syrers in London ist?
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Domino
13.04.2017 17:13registriert Januar 2016
Geht es darum speziell unser Interesse zu wecken und nicht zu hinterfragen werden Bilder toter oder leidender Kinder gezeigt. Dies hat tradition.
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Dirk Leinher
13.04.2017 19:27registriert Februar 2017
Jetzt kann die westliche Koalition zeigen dass sie interessiert ist die Wahrheit herauszufinden. Assad ist bereit eine unabhängige Untersuchung zu unterstützen. Das kann ja niemand der an der Wahrheit interessiert ist ablehnen.
Ich bin gespannt ob diese Untersuchung nun wirklich in die Wege geleitet wird oder ob es einfach eine Weile still wird im Blätterwald um dann später immer wieder in geegneten Momenten die heutigen Vorwürfe endlos zu wiederholen ohne die Beweislast antreten zu müssen.
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